Long Listance Call Pt 2

bad-sounds-headerGestern habe ich meinen Senf zur jährlichen „BBC Longlist 2017“ gegeben (siehe unten).

Glaubt man den UK-Kollegen, sieht die Zukunft des Indiepop weiterhin düster aus. Nur drei Acts aus dem Genre wurden in die Longlist aufgenommen, einer davon ist richtig mies (The Amazons), einer davon zu sperrig für die breite Masse (Cabbage) und der dritte (Declan McKenna) zwar sicher gut vermarktbar, aber noch nicht ganz ausgereift.
Ich glaube trotzdem dran, dass sich weiter spannende Indiebands gründen. Musiker, die was zu sagen haben, was Neues entwickeln, Stil und Persönlichkeit zeigen – oder die den Sound wenigstens gekonnt auf den Punkt bringen.

Also los geht’s – Es folgen meine 15 Tipps für 2017. Nicht, dass ich glaube, dass diese Namen die Welt erobern werden. Aber ich traue ihnen zu, nächstes Jahr ein starkes Debütalbum abzuliefern, und das ist schon mal was.

Los geht’s mit A wie Ah Trees (Perth, Austr.) Diese fünf machen groovigen Pop, zu dem man gepflegt tanzen kann. Ein bisschen 80s, ein bisschen Cut Copy. Vor drei Wochen erst haben sie mit ihre erste 4-Track-EP veröffentlicht. Das hat Style.

Ganz begeistert bin ich von Bad Sounds (Bath, UK). Keine Ahnung, wie die BBC die übersehen hat. Ein Quintett mit zwei Brüdern an der Spitze, Callum und Ewan Merrett, die dem Guardian neulich erzählten, ihr Papa habe damals ununterbrochen Becks „Odelay“ gehört und das habe sie geprägt. Ich bin mir sicher, er hat auch Blur, die Happy Mondays und die Inspiral Carpets aufgelegt, denn Bad Sounds haben einen lässigen Madchester-Vibe und Frisuren, die sich seit 1991 keiner mehr getraut hat. Ich find’s ganz herrlich, hatte ich das schon erwähnt? Die Bad Sounds haben bisher drei offizielle Singles veröffentlicht, ich hoffe, sie arbeiten am Album.

Weiter geht’s mit Catholic Action (Glasgow, Sco).Die Band hat bereits prominente Förderer, Franz Ferdinand nämlich. Die pickten sie höchstpersönlich als Vorband für Konzerte in ihrer Heimatstadt. Wenn man Catholic Action hört, ist klar, warum: Die haben genau den Stampfbeat und die lässige Ironie, die auch Franz Ferdinand in ihren besten Zeiten hatten. Über ihre famose Single „Rita Ora“ habe ich HIER einen kompletten Artikel verfasst, so begeistert war ich!

Auch über Band Nummer vier habe ich schon geschrieben (HIER). Die Fronteers (Hull, UK) machen klassischen Britpop, vergleichbar mit Dodgy, The La’s oder The Kooks. Nix Neues, aber so fein muss man das erst mal hinkriegen.

Nun wieder nach Australien. Green Buzzard (Sydney, Aus) haben im April ihre erste EP veröffentlicht und meine Rezension war eher verhalten, denn da hielten sie nicht, was ihr 2015er-Singles versprachen. Aber ihre taufrische Single „Do You Ever Glow“ (heute erschienen) ist wieder ganz prima, die Jungs sind also auf dem richtigen Weg.

Wir bleiben in Sydney und kommen zu Hedge Fund. Eine Band, die schon sehr unterschiedliche Singles veröffentlicht hat – vom stürmischen „Boyfriend“, das mich in seiner punkigen Intensität an Schwedens Kultband Broder Daniel erinnert, bis zum lässigen Groover „Summer’s Getting Shorter“. Trotzdem zieht sich ein roter Faden durch ihr Schaffen: Sänger William Colvin, der auch die Videos der Band dreht, hat erklärt, dass er Kunst kreieren möchte, die verstört, ohne dass das zu offensichtlich wird – und dieser Ansatz, das ist der rote Faden, von dem ich sprach. Nachdem Hedge Fund (deren Bassist Nic Weaver übrigens auch Mitglied von Deep Sea Arcade ist) in den letzten Jahren eine Handvoll einzelner Singles veröffentlichten, sind sie jetzt reif für’s Album. Ich bin extrem gespannt, was es da alles zu hören geben wird.

Und gleich noch mal Sydney! Die Songwriterin Holly Rankin nennt sich Jack River und sie hat im Herbst eine prima 5-Track-EP hingelegt. Songs, denen man gebannt zuhört, und auf denen Holly zwischen Fleetwood Mac und Lorde ihre eigene Stimme findet. „Palo Alto“ ist ein famoser Ohrwurm.

Als nächstes gleich noch eine Australierin, die bisher eine 5-Track-EP im Programm hat: Alex Lahey wurde schon als „neue Courtney Barnett“ beschrieben, was einerseits Sinn macht, da sie ebenfalls aus Melbourne stammt, ebenfalls extra gewitzte Texte mut Grungepop verbindet und ebenfalls auf Frauen steht (als hätte das mit irgendwas was zu tun). Andererseits wird es Alex nicht gerecht, sie auf den Vergleich zu reduzieren, da sie der Sache ihren ganz eigenen, persönlichen Dreh mitgibt.

Als nächstes kommen streng genommen keine Newcomer. liv sind alles alte Hasen im Musikgeschäft: Die Band besteht aus Andrew Wyatt (Miike Snow), Pontus Winnberg (Miike Snow, Amason), Björn Yttling (Peter Björn & John, Astropol, Casears), Lykke Li und ihrem Ehemann, der Producer Jeff Bhasker. Eine echte Supergroup also. Klanglich und vom Feeling her ganz nah an dem Sound, den Winnberg bereits mit Amason so herrlich fabriziert hat.

Na, jetzt aber flugs zurück nach Sydney. Ihr wisst, wie sehr ich die DMA’s liebe. Nun, DMA’s-Gitarrist Johnny Took hat einen Bruder, Matty. Matty hat seine eigene Band namens Planet. Die klingen den DMA’s eigentlich sehr ähnlich, auch hier ist ein starker Britpop-Einfluss nicht von der Hand zu weisen. Aber hey, genau damit macht man mich happy. Fünf Singles haben Planet schon an den Start gebracht, da sollten sie nächstes Jahr auch für ihr erstes Album fällig sein, oder?

Woran erkennt man, das Seattles Sub Pop immer noch voll den Plan hat? Daran, dass sie die brillianten Rolling Blackouts Coastal Fever aus Melbourne gesignt haben! Nach ihrer famosen EP aus dem Sommer hat die Band gerade ihre erste US-Single („Julie’s Place“) veröffentlicht. Ich bin sehr gespannt, ob da wohl im Frühjahr ein Album auf uns wartet.


Jetzt wieder zurück auf die Insel. Was ich an The Shimmer Band (Bristol) besonders mag, ist dass sie mal wieder so richtig übertriebene Posen werfen. Das hat so lange keiner mehr gemacht, dass ich’s wieder gut finde. Außerdem: Ihre Single „Freedom“ klingt nach Soup Dragons großem Baggy-Klassiker „I’m Free“ und nach Primal Scream. So soll’s sein!

Passiert eigentlich auch was in London? Ja. SWEAT. In Großbuchstaben. Vor ein paar Jahren hätte man das Electroclash genannt, denn diese Jungs verwenden Fischerspooner’sche Electronica. Die wiederum versetzen sie mit Pulp’schem verruchtem Glamour. Sexy und schmutzig und elektrisch.

Ein letztes Mal nach Australien. Nach Melbourne zu Two People. Wer erinnert sich an die umwerfenden Teenager Snakadaktal, die sich leider viel zu früh trennten? Immerhin, nach Sean Hinchliff alias Kagu machen auch Phoebe Cockburn und Joey Clough wieder gemeinsam Musik. Sehr xx-y, das Ganze. Schön.

Zum Schluss ein Luxemburger/Bosnier/Exil-Londoner. Yehan Jehan war Kopf der famosen Antimatter People, die leider nur ein paar Singles machten. Jetzt arbeitet er solo und ich hoffe, dass er über kurz oder lang die Hoffnungen erfüllt, die ich in Antimatter People setzte.

So. Das also waren meine 15 Favoriten.

Übrigens: Einige wichtige Namen habe ich ausgelassen, denn die nannte ich schon bei meinen Tipps für 2016, zum Teil sogar schon für 2015. Allerdings haben WHITE, Morning Harvey, The Vryll Society, RAT BOY, April Towers, Tiny Little Houses, The Creases, The Merrylees (heute als Rituals unterwegs) und nicht zuletzt SURES (= die heute offenbar Spirit Lobby heißen) nach vielversprechender Vorarbeit in den letzten 12 Monaten gar kein Album veröffentlicht. Umso mehr dürfen wir damit rechnen, dass sie 2017 endlich so weit sind.

Puh. Geschafft.

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