Review: Drowners

On DesireDrowners – „On Desire“

Wenn man zum Bäcker geht, dann kann man heute die Dinkel-Vollkorn-Fitness-Seele kriegen, den Kirsch-Kokos-Muffin oder das glutenfreie Chia-Ciabatta. Was alles schön und gut ist. Aber an der reschen Breze, bissfest im Knoten, fluffig im Körper, mit Laugenknusper drum rum, führt trotzdem einfach meistens kein Weg vorbei. Die Breze ist das, weswegen Bäckereien erst so populär wurden, dass huete an jeder Ecke eine steht. Und wenn in fünf Jahren kein Mensch mehr Chiasamen mehr will und statt dessen der Mispelkerncreme-Zwinkel in der Hipster-Auslage liegt, wird die Breze immer noch der Renner sein, der die Leute in die Läden holt.

Natürlich könnt ihr euch denken, was das mit New Yorks Drowners zu tun hat.

Wenn ihr auf diesem Blog gelandet seid, weil ihr Indie-Fans seid und nicht weil euch Google auf eine falsche Fährte schickte, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass ihr zum Fan dieser Musik wurdet, weil drei bis fünf dürre schlaue Menschen mit engen Hosen, asymmetrischen Frisuren und trotzigem Auftreten euch dereinst den Weg gewiesen haben. Es gab eine Band, die Euch geprägt hat, und sie hatte die Besetzung Gitarre (ggf zwei davon), Bass, Drums und Stimme. Vielleicht waren’s die Strokes. Vielleicht waren’s The Smiths. Vielleicht Oasis, vielleicht die Kooks, die Arctic Monkeys, die Libertines, vielleicht die Beatles. Oder The Cure. Vielleicht die Stone Roses. Vielleicht ja Two Door Cinema Club, wenn ihr jünger seid. Oder gar die Blossoms, für die noch jüngeren.

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Review: Adam Olenius

Adam Olenius – „Looking Forward To The New Me EP“

Zuerst mal: Keine Angst, dies signalisiert nicht das Ende der Shout Out Louds. Die arbeiten bereits in Stockholm fleißig an Album fünf, versichert ihr Sänger Adam Olenius. Trotzdem legt Adam seine erste Solo-EP vor.

Überraschend ist dieser Alleingang nicht. Adam hat sich schon mit so manchem Nebenprojekt die Zeit vertrieben, mit We Are Serenades zum Beispiel oder Tutankamon. Da war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, wann er mal solo loslegen würde.

Und wie klingt Adam solo so? Tatsächlich genau so, wie man sich das vorstellt, wenn man die Klangkurve der Shout Out Louds und We Are Serenades verfolgt hat. Will sagen: Klar erkennt man ihn in der ersten Sekunde, in der er seinen Mund öffnet. Adam IST die Stimme der Shout Out Louds, er hat seinen wiedererkennbaren Songwriting-Stil entwickelt, und diesen zieht er hier durch. Nur, dass er diesmal ohne seine vier Mitstreiter agiert, also noch ein bisschen bedächtiger, noch ein bisschen eigensinniger.

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Review – The Avett Brothers

True SadnessThe Avett Brothers – „True Sadness“

Ihren großen Wurf landeten The Avett Brothers 2009 mit ihrem Album „I And Love And You“. Ihre erste Platte auf einem Majorlabel sowie mit Producer Rick Rubin hinter den Reglern war ihr großer Aufstieg raus aus den Americana/alt.Country-Kennerkreisen. Ab jetzt waren sie eine der größten Bands ihres Genres. Höhepunkt war damals ihr Auftritt bei den Grammy Awards 2011: Die Macher der Show wollten damals der großen Wiederauferstehung des Folk Rechnung tragen, also luden sie Ur-Folkmeister Bob Dylan sowie die Hit-Folkies Mumford & Sons gemeinsam auf die Bühne. Dazu durfte noch ein Vertreter der Americana nicht fehlen – und dass man die Avett Brothers pickte, nicht etwa Ryan Adams, die Band of Horses oder Jason Isbell, zeigt den Stellenwert, den die Durchstarter aus North Carolina zu dem Zeitpunkt hatten. Man rechnete damit, dass sie das nächste Mega-Ding des Folk Rock würden.

Fünf Jahre später käme wohl kein Grammy-Producer darauf, die Avetts wieder in solcher Gesellschaft zu positionieren. Nicht, dass ihre letzten beiden Alben gefloppt wären – nein, sowohl „The Carpenter“ (2012) als auch „The Magpie and The Dandelion“ (2013) gingen in die Billboard Top 5. Die zwei Alben zementierten zweifellos den Status der Avetts als eine der größten Bands der erweiterten Americana.

Was allerdings nicht stattfand, das war der Durchbruch über die Genregrenzen heraus, den man prophezeit hatte. Review – The Avett Brothers weiterlesen

Review: Split Seconds

Rest & RelocationSplit Seconds – „Rest & Relocation“

Ui ui. Erwachsener Gitarrenpop.
Es gibt die Zeit, da sind wir jung und alles liegt noch vor uns und alles wird mal uns gehören und wir werden’s uns nehmen, verdammt noch mal, wir werden die Schurken schlagen und das Girl kriegen und im Schloß wohnen und sie werden uns zujubeln, wir werden’s reissen und wir hören Oasis und grölen mit, cause tonii-iii-ght I’m a Rock’n’Roll Star!

Dann kommt die Zeit, da sind wir nicht mehr ganz so jung. Einiges liegt noch vor uns, wir wollen sehr wohl noch was erreichen. Aber seien wir ehrlich, von ein paar Dingen sollten wir uns verabschieden. Wir lernen, dass die Lebensmodelle unserer Eltern wohl auf uns nicht mehr per Schablone zu übertragen sind. Wir suchen unseren Frieden in dem uns gesteckten Rahmen, wir machen es uns häuslich in der Nische, in der wir uns wenigstens nicht verbiegen müssen. Es ist ein Prozess des sich-Abfindens, bei dem sich das Einleveln in eine zen-gleiche, friedliche innerliche Ruhe und das Pflegen einer immanenten Melancholie nicht widersprechen, sondern Hand in Hand gehen. Man ist nicht wirklich enttäuscht über nicht erreichte Ziele, man lächelt viel mehr gnädig über das frühere Ich mit seinen unrealistischen Erwartungen.

Sean Pollard ist ein gutes Stück jünger als ich, aber ich behaupte, auch er ist an diesem Punkt in seinem Leben. Review: Split Seconds weiterlesen

Bell du Jour

Die Label/Management-Gruppe namens Thirty Tigers ist zur Zeit vielleicht die beste Adresse, die man als Trad/alt-Country-Künstler haben kann. Luke Bell aus Wyoming galt vor zwei Jahren noch als geheimster Supergeheimtipp, als er sein Debüt „Don’t Mind If I Do“ auf eigene Kosten veröffentlichte. Inzwischen aber ist Bell bei Thirty Tigers untergekommen, weswegen der Erstling noch mal vom Markt genommen wurde. Neu in den US erschienen ist statt dessen nun das Album „Luke Bell“, das zur Hälfte aus alten „Don’t Mind If I Do“-Tracks und zur Hälfte aus neuem Material besteht. Ein neues Video gibt’s auch, zum Song „Working Man’s Dream“, den frühe Fans vom Debüt schon kennen.

So erfolgreich Thirty Tigers in den USA zur Zeit arbeitet, so wenig bedeutet dies leider Präsenz in Deutschland. Ich warte weiter ungeduldig auf die VÖ des aktuellen Albums  on Parker Millsap und auch Luke Bells Album ist bei uns noch nicht erhältlich. Macht hin, Thirty Tigers!

Heart Of Glast

Deutschlands große Festivals des Wochenendes wurden von Unwettern betroffen – keine solchen Probleme gibt’s diesbezüglich von UK-Megaevent Glastonbury zu hören.

Wie jedes Jahr zeigt uns die BBC ein paar Performances ihrer „Introducing“ Stage. Zum Beispiel, sehr schön:  The Vryll Society, von diesem Blog zur Hoffnung des Jahres erklärt, beim aktiven Reinkarnieren der frühen Verve:

Ich habe in alle Clips dieser Introducing Stage reingeschaut und mich vielfach mit Grauen abwenden müssen. Wie ideenlos Britanniens Newcomer heute oft sind – das ist so beschämend, dass einem der Brexit gleich weniger weh tut. Ganz drollig aber finde ich diese Kids, von denen ich hier zum ersten Mal höre: Bad Sounds (Nein, nicht die letzten Alben von Maja Ivarsson & Co). Die behalten wir im Auge.

Eigentlich zu bekannt für die Introducing Stage: Catfish & The Bottlemen.

… und hey, nix da Introducing, aber ein Glasto-Klassiker: Travis

Vinterview: The Avett Brothers

Vinterview Header Avett BrothersHeute erscheint „True Sadness“, das inzwischen neunte Album von The Avett Brothers, die spätestens seit „I And Love And You“ (2009) zu den großen Namen der Americana gehören. In den kommenden Tagen will ich eine Rezension zur Neuen hier platzieren, vorerst aber kruschteln wir wieder im Archiv. Denn zu „The Carpenter“ (2012), dem vorletzten Album der Brüder, hatte ich Seth Avett am Telefon.

Was fällt mir im Nachhinein beim neuerlichen Lesen auf? Vor allem, wie unglaublich höflich Seth war. Das ist halt US-Provinz-Style. Auch wenn die ländlichen Staaten einen schlechten Ruf haben, man sagt „Sir“ und „Madam“ zueinander und man spricht sich immer wieder mit dem Vornamen an – so wie Seth mich tatsächlich im Gespräch immer Henning nennt, wenn er etwas betont.  Das ist unüblich – und etwas, das ich mir gerne angewöhnen würde. Ich nenne im normalen Gespräch, glaube ich, nicht mal meine Freunde mit Namen. Mal schauen, ob das etwas ist, das ich aus diesem Interview nachträglich mitnehmen kann, außer der Information.

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Review: Jake Bugg

Jake Bugg On My One Albumcover - CMS SourceJake Bugg – „On My One“

Am Wochenende habe ich mein drei Jahre altes Interview mit Jake Bugg zu seinem zweiten Album als „Vinterview“ hier platziert. Beim Nachträglich-noch-mal-drüber-Lesen fiel mir auf: Auf meine Frage nach „Authentizität“ reagierte er ganz schön pikiert. Jake glaubte, ich wolle ihn aufs Glatteis führen. Da ist ein wunder Punkt angesprochen worden. Die Tatsache, dass das Wunderkind aus Nottingham seine Songs in Kollaboration mit Profi-Songwritern aus den Hinterzimmern der Musikindustrie schrieb, die wurde von seinen Gegnern immer als willkommener Angriffspunkt verwendet.

Dabei finde ich selbst es ja gar nicht schlimm, wenn jemand mit den „Experten“ arbeitet. Das machen auch andere „credibile“ Bands, oft heimlich. Was zählt, ist doch das Ergebnis. Und wenn am Ende ein guter Song steht, der ins Ohr flutscht und dort hängen bleibt, haben doch alle gewonnen.

Seien wir doch ehrlich: Auch wenn es immer als schlimmer Eingriff in die Persönlichkeit gewertet wird, als kommerzgeile Normierung, als anmaßender Overreach und als kleingeistiges Zeichen von kreativer Angst bzw. kreativer Armut – Labels haben oft genug Recht, wenn sie die hochtrabenden Ideen ihrer Künstler durch Input von außen kanalisieren und fokussieren lassen.

Wie war’s bei Jake Bugg? Ein 16jähriges Songwriter-Talent kriegte einen Plattenvertrag. Man brachte den Jungen mit ein paar Profi-Autoren zusammen, bei denen er quasi in die Lehre gehen sollte. Als er dann mit 17 sein Debüt veröffentlichte, wurde gejubelt: Die Songs dieses Teenagers waren prima. Man sprach vom neuen Noel Gallagher, sogar vom neuen Bob Dylan.

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Room with a View

Ich war ja tatsächlich mal bei Paul Weller in dessen Studio, zwei Jahre ist das her (HIER mein damaliges Interview). Damals erwähnte Weller, dass er in hier, in „The Black Barn“ nahe Woking, auch jungen Musikern unter die Arme greife. White Room nannte er als Beispiel für eine Band, die sein Studio zum Aufnehmen benutzen darf, während er quasi als Producer fungiert. Diese White Room haben in diesen Tagen ihre zweite Single veröffentlicht: „Think Too Much“ ist, wie man sich’s bei dieser Konstellation schon denken konnte, ultra-klassischer-Brit-Sixtiesrock.