Review: Sunset Sons

sunset-sons-very-rarely-say-die-8716Sunset Sons – „Very Rarely Say Die“

Als ich das erste Mal die Sunset Sons hörte, hatte ich nichts Schmeichelhaftes zu sagen. Die BBC hatte die in Frankreich ansässige Band vor 15 Monaten auf ihre „Shortlist“ gesetzt und ihr den großen Durchbruch fürs Jahr 2015 prophezeit. Ich hörte rein und schimpfte: „Die klingen wie Maroon fucken 5!!“

Es hat dann bis April 2016 gedauert. Das Quartett bringt sein Debütalbum erst jetzt an den Start. Ich wiederum habe mich in der Zwischenzeit beruhigt. Heute sage ich: Die Sunset Sons kann man schon echt ordentlich anhören. Mit Abstrichen.

Zur Band: Wie kommt es, dass drei Briten und ein Australier in Hossegor/Frankreich ihre Zelte aufschlagen? Nun, alle vier sind Surferdudes. Im Sommer hingen sie an der Atlantikküste rum, wo sie kleine Jobs z.B. als Barkeeper hatten, um möglichst viel surfen gehen zu können. Im Winter ging’s in die Alpen, um zu snowboarden. Dann hatten die Jungs die schlaue Idee, eine Coverband zu gründen, um sommers in den Clubs der Ferienorte an der Westküste bzw winters in den alpinen Skizentren auftreten zu können. Nach ein paar Saisons als „The Cheerleaders“ hatten die Jungs sich erstens perfekt aufeinander eingespielt, zweitens so viele Hits performt, dass die ihnen quasi in Fleisch und Blut übergegangen waren und drittens angefangen, sich mit fremden Songs zu langweilen und begonnen, eigene Lieder zu schreiben. Et voila – aus The Cheerleaders wurden Sunset Sons, die gut gelaunten Surfer, die sich ab jetzt mit ihren eigenen Hits versorgten.

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Sag mir wo die Bloom sind

So. Ein paar Tage später hat auch die deutsche warner nachgezogen und das Video zu „In Bloom“ auf youtube zugänglich gemacht. Wobei es sich um die zweite Vorab-Single von alt./neo-Country-Supergott Sturgill Simpsons drittem Album „A Sailor’s Guide To Earth“ handelt, das am 15.4. erscheint.

Ich war dieses Jahr auf den zwei deutschen Konzerten in Hamburg und Berlin, die Simpson solo spielte. In Hamburg erwähnte er, dass man ihm eine halbe Million Dollar geboten habe, um einen seiner Songs in einer Werbung verwenden zu dürfen. Sturgill und seine Frau diskutierten darüber, denn, so Sturgill: „Das Geld würde gleich fünf Kindern das College finanzieren.“ Aber sie einigten sich schließlich darauf, abzulehnen. „Du willst nicht als der Toyota-Typ* bekannt werden“ stimmte auch seine Ehefrau zu.

Es könnte einerseits ein Geniestreich sein, dass Sturgill fürs neue Album Nirvanas „In Boom“ covert und sich den Song so zueigen macht, dass man ihn kaum wieder erkennt. Das wird für viele hochgezogene Augenbrauen sorgen. Andererseits: Setzt Sturgill sich damit nicht der Gefahr aus, unter seinen Country-Kollegen nun der „Nirvana-Cover-Typ“ zu sein?

„A Sailor’s Guide To Earth“ ist ein starkes Album, das einmal mehr Neuland betritt und ein riesiges Klangfeld abdeckt. Es ist brillant und speziell genug, um Sturgill auf lange Sicht vor dem Schicksal, der „Nirvana-Cover-Typ“ zu sein, zu bewahren. Nichtsdestotrotz, vorerst wird „In Bloom“ im Zentrum der Konversation über das Album stehen. Nicht einer der Songs, die Sturgill selber schrieb. Was ich irgendwie schade finde. Oh well. Trotzdem natürlich eine hochinteressante Version.

‚* Sturgill sagte nicht, um welche Automarke es sich handelte. Aber hier „der Soundso-Typ“ zu schreiben und das lang und breit zu erklären, wäre doof gewesen. Also habe ich mal eine Automarke gepickt.

Bells De Jour

Mit den Videos der School Of Seven Bells verhält es sich wie mit den sprichwörtlichen Bussen, von denen ewig keiner kommt, und dann zwei hintereinander. Übertragen auf SVIIB:  Erst gibt’s Jahre nichts zu sehen – und dann kommen zwei Clips in einem Monat. Nach „On My Heart“ hat nun auch „Ablaze“ ein Video bekommen. Beide Titel stammen vom famosen, aber auch traurigen finalen Album „SVIIB“

Review: Rolling Blackouts Coastal Fever

Talk TightRolling Blackouts Coastal Fever – „Talk Tight“

Indiegitarren sind halt doch das Geilste!

Manchmal stößt man auf eine Band und weiss nach 30 Sekunden: Die schließe ich ins Herz! Die haben’s gepeilt! Die machen das Richtige! Das ist super! Das ist schlau! Das ist genau das, was ich kenne und liebe, aber das ist auch keine Kopie, denn es hat Persönlichkeit!

Willkommen in meinem Leben, Rolling Blackouts Coastal Fever!

Rolling Blackouts CF klingen so sehr nach Melbourne, dass es weh tut. Gut weh tut. Sie tun das, was Twerps, Dick Diver, Lower Plenty und The Ocean Party tun – also in der Hängematte die Go-Betweens updaten und mit eigener Identität aufladen. Janglepop in sonnig-melancholisch. Dolewave, if you will. Die Rolling Blackouts formen innerhalb dieses Dolewave-Rahmens ihr eigenes Dings, das sie selbst am besten erklären: Sie nennen ihre Musik nämlich „Soft Punk / Tough Pop“. Das kommt hin. Ihre Songs sind flotter als die meisten ihrer Stadt-Kollegen. Die Band hat drei Sänger und drei Gitarristen: Zwei E-Gitarren, die miteinander korrespondieren, und einen mit Akustischer, der die Akkorde strummt. Der Bassist spielt dazu Läufe, die aus den Fingern von Andy Rourke kommen könnten. Dem Drummer wurde laut Interview gesagt, er solle „bloß keinen Scheiß“ machen, daran hält er sich – seine trockenen Beats sind genau das, was die 22 Saiten brauchen, um gebündelt zu werden.

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Crazy about Crase

Als ich neulich hier einen Clip der Australier Summer Flake postete, da fokussierte ich mich auf Drummer Joel Carey, denn ich erkannte ihn aus seinen prima anderen Bands und Projekten wieder. Allerdings: Im Mittelpunkt dieser Band steht natürlich Sängerin und Songschreiberin Steph Crase, das wollen wir nicht unterschlagen. Summer Flake machen fuzzy Indierock, der mich an 90s Bands wie Madder Rose, Jale und Mazzy Star erinnert. Was Bands sind, an die man gerne mal wieder erinnert wird.

Am 8. April erscheint Summer Falkes zweites Album „Hello Friends“, zur Single „Wine Won’t Wash Away“ gibt’s nun ein Video. Man sieht die Band nicht, sondern nur den Blick aus einem Autofenster – nicht auf Summer Flakes Heimatkontinent, sondern den Süden der USA. Ob der komplette Clip in New Mexico gedreht wurde, kann ich nicht sagen, aber zumindest ein Teil – am Ende kommt Ufo-Hauptstadt Roswell ins Bild.

Review: James

cover_cov_lgJames – „Girl At The End Of The World“

„James auf Kurs zur UK-Nummer Eins!“ jubelt NME.com heute. Na, wenn das kein Anlass ist, sich ihrem neuen Album zu widmen! Auch wenn man die Schlagzeile natürlich nicht ernst nehmen darf – im Bericht wird konkretisiert, dass die Indie-Veteranen aus Manchester zum Zeitpunkt der Erstellung der „Midweek Charts“ erstaunlich knapp hinter Adele liegen. Aber: Die Fans von James sind ja alle gleich zur VÖ am Freitag und Samstag in die Läden gerannt. Wenn Adele sie inzwischen überholt hat, bleibt das auch so. Eine Nummer Eins wird’s garantiert nicht.

Troztdem, dass James überhaupt so weit vorne liegen (und damit die am gleichen Tag erschienenen Primal Scream offenbar easy toppen), das sagt ja doch eine Menge aus darüber, wie sehr Tim Booth und seine Jungs auf der Insel noch geliebt werden – und dass, obwohl sie zu keinem Zeitpunkt ihrer ewigen Karriere je wirklich als cool galten!
Nicht zu Mitte der 80s, als sie zwar daheim in Manchester als Helden gefeiert wurden, man in London aber noch die Nase rümpfte: Dieser uncoole Sänger mit seinem Lockenkopf, der so überdreht rumhampelte und cheesy Hippiekram sang, wurde in der Haupstadt immer belächelt. Selbst in den frühen der 90s, als James ihre größten Hits wie „Sit Down“ oder „Sound“ landeten, liefen sie eigentlich gegen den Zeitgeist. Damals feierte man grummelde Grunger in Holzfällerhemden – aber der Trompeter(!) von James tobte im Blümchenkleid und Tim Booth machte „Wuhuhuhu!“ wie ein Indianer! Mitte der 90s passte ihr Sound dann endlich mal perfekt in den Trend, denn es regierte der Britpop. Aber selbst da galten James trotz später Hits wie „She’s A Star“ nicht als fresh. Denn da waren sie einfach schon zu lange dabei.

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Review: The Jensens

Everybody TalksThe Jensens – „Everybody Talks“

Zuerst wollte ich ja was übers neue James-Album schreiben. Aber dann dachte ich mir: Halt – Gestern Primal Scream, heute James? Wir wollen ja nicht, dass es auf diesem Blog nur noch über Bands geht, die’s seit den 80ern gibt!

James also ein andermal, wenn ich die Zeit finde. Heute schiebe ich statt dessen eine Debüt-EP ein. 7 Songs von The Jensens aus Brisbane.

Aufgefallen sind uns die Kids zum ersten Mal letzten Winter mit ihrer Single „Fears“. Das waren, man darf das sagen, 2 Minuten und 44 Sekunden Garagen-Indierock-Perfektion. Nichts Neues, okay. Einfach nur ein struppiger Strokes-Kick. Aber hey, mich kann man mit so was glücklich machen. Es war ein famoses Debüt. Ein peppiges Lied, dessen Refrain genau den Punkt zwischen melancholisch und schnodderig-trotzig traf, den man als Indie-Hörer hören will: „I just want – I just want – I just wanted to say goodbye“ Review: The Jensens weiterlesen

Review: Primal Scream

prima scream ChaosmosisPrimal Scream – „Chaosmosis“

Bevor wir mit der Besprechung der neuen Platte loslegen, muss ich mal eben eine grundsätzliche Wertschätzung für Primal Scream loswerden. Man sagt ja, sie seien die Chamäleons des Indie, weil sie so oft ihre Farbe wechseln. Ich möchte sogar einen Schritt weiter gehen und sagen: Sie sind die Indie-Schlange: Warum? Weil sie nicht nur die Farbe ändern, sondern sogar von Album zu Album ihre alte Haut abstreifen.

Mit einem Unterschied zur echten Schlange: Da zeigt die neue Haut trotzdem das alte Muster. Primal Scream präsentieren nach ihren Häutungen immer wieder ein neues, sich vom letzten oft radikal unterscheidendes Design. Dass sich unter dieser Haut die gleichen Muskeln, das gleiche Skelett und das gleiche Hirn befinden, das merkt man trotzdem spätestens, wenn Bobby Gillespie seinen Mund aufmacht und beginnt, seine Zeilen zu zischen. Denn dieser Frontmann ist eine echte Type. Eine Charakterfigur, die auch politisch für ihre Sache einsteht. Review: Primal Scream weiterlesen

Give ‚em enough Hope

Mit diesem Song hat PJ Harvey sich schon einige Feinde gemacht.

Die streitbare Britin war in Washington, D.C. Einerseits die Machtzentrale des Westens, andererseits eine der herunter gekommensten Städte der USA. Man muss keine seit den frühen 90ern gefeierte Songwriterin sein, um die Diskrepanzen dieses Ortes frappierend und auch signifikant zu finden. Sich die Frage zu stellen: Wie wollen die den Globus regieren, wenn sie nicht mal ihre eigene City instand halten können?

Und dann heißt der vielleicht tristeste Stadtteil auch noch „Hope“. Das Wort, das es nicht zuletzt vor acht Jahren auf all den Obama-Plakaten zu lesen gab.

Vielleicht ist es ganz schön hochnäsig von Polly Jean, sich das aus ihrer britischen Warte anzugucken und dann den Finger in die Wunde zu legen. Vom „pathway of death“ und „drugtown Zombies“ zu singen und „They’re gonna build a Walmart here!“ als Refrain zu schmettern. Die Reaktionen aus Washington sind entsprechend pikiert.  Ex-Bürgermeister Vince Gray ist beleidigt, eine Aktivistin zeigt sich eher enttäuscht: „Wir versuchen doch, genau die Dinge zu bekämpfen, die du in deinem Song so runterputzt.“

Ich seh’s so: Das darf PJ Harvey schon machen. Es ist schließlich a) Kunst und b) ein Thema, das zur Diskussion offen stehen muss. Auch wenn Harvey selbst hier unsensibel ist – „Here’s the old mental institution, now the Homeland Security Base“ ist ein Bild, das Bände spricht.

PJ Harveys kommendes Album heisst „The Hope Six Demolition Project“ und erscheint am 15.4.

I Wanna Be Award (2015) – Pt 2

header augustSo, nu aber. Ich schulde euch noch Teil 2 der diesjährigen Kür des 1-Kasten Augustiner-Preises. Welcher Band bzw. welchem Sänger oder Sängerin werden wir bei Gelegenheit eine Kiste Münchner Bier überreichen, weil sie/er/sie unserer Meinung nach das Lied des Jahres 2015 fabriziert hat?

Teil 1 des Ganzen findet ihr etwas weiter unten oder HIER.

Teil 2 folgt jetzt:  I Wanna Be Award (2015) – Pt 2 weiterlesen