Vinterview: HAIM

Morgen erscheint nach fast vier Jahren Wartezeit das zweite Album des kalifornischen Schwesterntrios HAIM. „Something To Tell You“ wird das gute Stück heißen. Which reminds me: Ich hatte auf meinem alten, inzwischen abgeschalteten Blog ein Interview mit Bassistin Este. Ein guter Anlass, die Festplatte zu durchsuchen und das Gespräch hier in der Kategorie „Vinterview“ online zu stellen. Nach dem Break also: Der Originaltext von Herbst 2013 anlässlich ihres Debüts „Days Go By“.

. . .jetzt läuft er auch bei uns an, der große Hype – das Debütalbum von Haim ist endlich da! Als flockige, fröhliche Pop-Platte mit enormem Hitquotienten liefert sie genau das, was man sich erhofft hatte, als letztes Winter das Brimborium um das Trio anlässlich ihrer Debüt-Single „Falling“ startete.

Diesen Sommer waren die drei Schwestern mit Vampire Weekend auf Deutschlandtour. Das Album war da noch nicht zu hören, aber mir war auch klar, dass es zur VÖ selbst schwieriger werden würde, an ein Interview ran zu kommen. Also nutzte ich den Moment für ein Gespräch. Am anderen Ende des Mikrophons: Este Haim, die aufgedreht ins Zimmer stürzt und gleich selbst die Initiative übernimmt…

Sollen wir über Slurpies reden?

Slurpies? … äh, das sind sowas wie…

Slushies! Sollen wir darüber reden?

(der Tour Manager erklärt:) In Europa trinkt man die nicht so.

Dann kann ich‘s ja erklären! Ich habe voll die Ahnung von Slushies!

Aber gerne! Ich leg‘ mein Aufnahmegerät mal eben hier hin… ich mache das Interview bereits jetzt, obwohl das Album noch nicht vorliegt – aber wenn ihr schon mal in München seid, muss ich das ausnutzen. 

Alles klar!

Schließlich wird ein großer Hype um euch gemacht, und wenn dann die Interviews zur VÖ anstehen, kriegt man am Ende nur wieder keins ab.

Ach, für dich würde ich mir doch immer Zeit nehmen! Wann immer du mich brauchst, bin ich da!

Jedenfalls müssen wir so tun, als wäre das Album schon da.

Okay!

Ist es denn fertig aufgenommen?

Aber ja! Also, wenn es nach mir ginge, wäre es längst draußen. Aber die Plattenfirma und andere Entscheider halten es noch zurück, sie wollen es später veröffentlichen als wir, aber das liegt nicht in unseren Händen.

Wann wird das so weit sein?

Im Spätsommer.

Jedenfalls noch dieses Jahr.

Oh, aber auf jeden Fall! Ich werde mich – (mimt einen Strick um den Hals) kchrrk – umbringen, wenn es diese Jahr nicht mehr kommt.

Was dürfen wir denn erwarten vom Album? Was wir noch nicht von den EPs kennen?

Also, ich glaube, es hat uns Riesenspaß gemacht, die Platte aufzunehmen. Und ich glaube, das werden die Leute hören können. Es ist eine Platte, die Spaß macht. Ich glaube, es ist die nächste Stufe nach den EPs. Ich finde, mit jeder EP haben wir ein bisschen dazugelernt und wir sind mit jeder EP ein bisschen gewachsen. So wird es einfach ein schöner nächster Schritt sein.

Eine Platte, die Spaß macht also… Eure Texte bisher gingen ja oft über Typen, die Euch mies behandelt haben. Was nicht notwendigerweise Spass ist.

Aber weisst du, ich denke, das gehört dazu. Und oft geht es, wenn wir über etwas schreiben, mehr über das Nostalgische. Auf etwas zurück zu blicken, und zu sehen, was man aus etwas mitgenommen hat. So lernt man, wer man selber ist, glaube ich. Durch‘s Zurückschauen auf das, wo man her kommt. Darüber schreiben wir. Und wir schreiben ja über alles, über unsere eigenen Erfahrungen, aber auch über die Erfahrungen unserer Freunde, oder Geschichten, die wir lesen. Das ist offen, da lassen wir gerne etwas auf uns einwirken. Wenn wir über uns selbst schrieben, neigen wir sogar dazu, zu viel drüber nachzudenken.

Das ist eine Schwester-Sache und ihr schreibt alle gemeinsam?

Ja wir schreiben alles gemeinsam. Es läuft meistens so ab, das eine von uns mit einer Idee für einen Text oder einer musikalischen Idee ankommt, einer Melodie vielleicht, und dann setzen wir uns hin und… jammen regelrecht? Über kurz oder lang haben wir dann eine Struktur erarbeitet oder eine ausformulierte Idee. Daran arbeiten wir dann beim Proben, und wir schreiben am Text. Aber alles entsteht immer zu dritt. Jeder trägt im Verlauf seinen Anteil bei.

Ich stelle mir das interessant vor – du schreibst vielleicht über deine Beziehung und du kriegst durch die Texte deiner Schwestern mit, wie sie die Sache deuten.

Was echt sonderbar ist, ist, dass wir alle drei immer zur gleichen Zeit etwas ähnliches durchzumachen scheinen. Schräg. Wenn die eine gerade in ihrer Beziehung superglücklich ist, erleben die anderen zwei es meistens auch. Wenn eine von uns happy ist, sind es die anderen auch, und andersrum spüren wir auch geradezu gegenseitig unseren Schmerz. Aber, wie ich sagte, es geht ja gar nicht immer über uns. Sondern auch um Freunde von uns, oder andere Leute. Worüber wir schreiben, das müssen nicht unbedingt Erfahrungen sein, die wir selbst so durchgemacht haben. Sehr oft sind es Erfahrungen von Freunden. Wir lieben unsere Freunde schließlich, sind ständig in Kontakt,  und haben diese Art von Beziehung, wo man sich ALLES erzählt. So sollen Freunde doch sein. Wenn man es seinen Freunden nicht erzählen kann, kann man ja gleich mit einer Wand reden. Es macht auch Spaß, sich mal in jemand anderen zu versetzen und aus deren Perspektive zu schreiben.

Ihr seid derzeit DIE gehypte Band. Was ist das denn für ein Gefühl?

Also, ich meine – wir achten nicht wirklich auf so was. Uns geht es mehr darum, gute Shows zu spielen und da Spaß zu haben. Die bestmögliche Musik zu machen, die wir hinkriegen können. Wir wollen eine gute Zeit haben, aber sind bereit, hart zu arbeiten, wir wollen lieber unsere Fans treffen und Spaß haben mit ihnen, als um uns solch Mediensachen zu kümmern.

Ich könnte mir halt vorstellen, dass es sehr zweischneidig ist – einerseits schmeichelhaft, klar. Andererseits ist es ja schon ein Druck, der einem damit aufgeladen wird.

Also, Druck machen wir uns selbst genug. Da müssen wir uns um Druck von außen keine Gedanken machen. Weil wir nichts veröffentlichen wollen, wovon wir nicht zu 150% besessen sind. Wo wir uns nicht sicher sind: Das ist GUT. Insofern, Druck machen wir uns eh. Und was die netten Sachen angeht, die man über uns sagt – also, als wir diese „BBC Soundpoll“ gewonnen haben, da dachten wir erst, die Leute machen Witze. Wir dachten, unser Label spielt uns einen Streich. Als wir nominiert wurden, war das ja schon schmeichelhaft genug. Es war also eine echte Ehre. Aber andererseits sorgte es auch dafür, dass wir zu uns sagten: Jetzt müssen wir uns noch mehr anstrengen. Etwas schaffen, das wir wirklich lieben und das das rechtfertigt.

Ihr seid ja keine Neulinge im Business. Ich las von diesen Bands „Rockenhaim“ und „Valli Girls“ – ihr kennt also die Mechanismen der Musikindustrie.

Naja, als Rockenhaim, das war eine Band, die hatten wir mit unseren Eltern. Wir haben ja immer nur Wohltätigkeitskonzerte gespielt. Kein einziges Mal für Geld. Sondern für die Schule, oder die Kirche, oder Benefizkonzerte. Ich habe zum Beispiel Diabetes, also haben wir Shows gespielt für Organisationen, die Geld gegen Diabetes sammeln.

Wie alt wart ihr denn da?

Ach, elf? Zwölf? Alana war wohl gerade mal sechs. Aber wir haben zu Hause ja immer schon miteinander Musik gemacht. Bass habe ich so mit acht angefangen. Daddy hat immer in den Zeitungsinseraten geschaut, wer billig Instrumente verkaufte. So, „Ach, das klingt doch cool!“ und dann kaufte er wieder etwas für 50 Dollar. Musik war also immer im Haus, als wir groß wurden. Ich glaube, dass es toll ist für Kinder, wenn es Musik in ihrem Leben gibt. Das hilft ihnen beim Lernen. Ich glaube, das hat einfach Auswirkungen aufs Gehirn.

Ja, darüber gibt es auch Studien.

Ja! Ich glaube, meine Eltern haben sich das echt zu Herzen genommen. Wir haben immer mit der ganzen Familie Musik gemacht. Also war Musik immer Teil unseres Lebens – die Musikindustrie dagegen, die eigentlich nicht. Aber die Musik, die hat uns echt geholfen. Ich bin mir völlig sicher, dass ich es ohne die Musik nie aufs College geschafft hätte. Echt nicht.

Was mir auffällt, wenn ich die Musik anhöre, das sind die sehr ausgefeilten Arrangements. Und das Gitarrespiel – da werden eigentlich nie Akkorde angeschlagen, sondern immer die einzelnen Saiten…

…gepickt? Ich glaube, das kommt daher, dass wir alle drei Drummer sind. Ich habe auch mit den Drums angefangen.

Also benutzt ihr die Gitarre als Schlaginstrument. 

Ja, und den Bass auch. Ich stand immer schon mehr auf Bands, die auch irgendwie funky waren. Bootsy Collins zum Beispiel. Auch Tina Weymouth, die hat auch einen Stil, wo die Noten, die sie nicht spielt, sehr betont sind.

Auch das habe ich mir aufgeschrieben über euch – da ist sehr viel Luft zwischen Euren Klängen.

Genau, viel Raum. Denn das, glaube ich, ist es, was Musik funky macht. Ich mag die Noten, die man nicht spielt. Yeah. Also wie gesagt, ich glaube, das kommt daher, weil wir alle Drummer sind. Ich glaube, wir alle wünschen uns heimlich, wir könnten einfach nur Drums spielen und nichts sonst.

Das könntet ihr ja machen, bei einem Song oder so. Als Zugabe.

Genau! Also, das Thema meiner Major-Arbeit im College war „Brasilianische Percussion“. Das war nur für Drums, für ein Trommlerquartett. Also, mir macht sowas riesigen Spaß. Es gibt tatsächlich die Momente im Set, an dem wir alle gleichzeitig trommeln. Am Anfang, und am Schluss.

Euer Songwriting ist allerdings ein ganz klassisches. Man hört die Lieder und würde sie nicht notwendigerweise im Jahr 2013 einordnen. Naja, vielleicht doch, weil es heute keine dominierende Richtung mehr gibt. Aber verglichen werdet ihr immer mit Bands aus den 70s. Ist das das, was ihr zu Hause gehört habt?

Ich glaube, das kommt noch aus unserer Zeit in der Band mit unseren Eltern. Wir haben damals nur Covers gespielt, kein einziger Song war ein Original. Aber das waren natürlich  Lehrstunden in Sachen Songwriting. Wir haben Songs gespielt aus den 70s, den 60s und ein bisschen den 80s. Damals wusste man einfach, wie man einen guten Popsong schreibt. Oder einen Rocksong.

Ich bin ja etwas älter als ihr. Als ich aufwuchs, galten Fleetwood Mac ü-ber-haupt nicht als cool. Mit denen werdet ihr ja immer verglichen – ich frage mich, wie es kommt, dass die in Eurem Leben ganz offenbar diese andere Rolle gespielt haben.

Als ich groß wurde, da habe ich echt nicht groß darauf geachtet, was hip war. Ich habe einfach das gehört, was ich mochte. Und in LA, da gibt es eine ganze Menge wirklich guter Radiosender. Das ist bestimmt der größte Einfluss auf uns, das Radio von LA. In LA ist man ja dauernd im Auto. Echt jetzt, 90% deines Tages sitzt du im Auto. Also ist das Radio immer an. Mein erstes Auto hatte keinen Cassettenplayer, keinen CD-Player, es gab nur ein Radio. Also sind wir mit dem Oldies-Radio aufgewachsen, das unsere Eltern immer im Auto laufen ließen, sie mochten neue Musik einfach nicht so sehr. Also hörten wir nur immer Musik aus den 50s, 60s und 70s. Damit bin ich groß geworden, und das mag ich. Was jetzt Fleetwood Mac angeht – ich hatte keine Ahnung, wer das ist, bis ich in der Middle School war. Ich kannte die Lieder! Ich kannte vermutlich alle ihre Lieder!  Aber ich wusste nicht: Aha, das sind Fleetwood Mac. Das war mit den Beatles nicht anders. Oder den Stones. Ich hatte ja ihre CDs nicht, ich kannte sie ja nur aus dem Radio. Dabei konnte ich die Songs auswendig, von Anfang bis zum Schluss! Erst als ich älter wurde, stieß ich vielleicht auf etwas und merkte: „Hey, das ist ja was, das ich als Kind immer gehört habe!“ und habe mir dann das Album gekauft. Cool, uncool, darüber habe ich nie nachgedacht. Ich mochte die Songs.

Was ihr auch immer auf euren Singles habt, sind Remixe.

Ja.

Von einigen echt hippen, stylishen Namen – aber gar nicht mal unbedingt den großen Namen. 

Yeah!

Das ist euch also wichtig, weil ihr selbst große Dance-Kenner seid? Oder ist es das Label, das sagt: Hey, wir brauchen jetzt noch Remixe!

Nein nein nein nein nein. Es ist so, wir haben eine Menge toller Freunde in LA. Wir mailen uns gerne Musik, und wir mailen uns auch immer coole Remixe. So nach dem Motto „Hast du dies schon gehört“. Also sagt man dann zum Label sowas wie: Frag doch mal Cyril Hahn oder Psychemagik. Dann drückt man die Daumen, dann betet man regelrecht, dass sie „Ja“ sagen und bis jetzt hatten wir da echt Glück. Das kommt von uns. Nicht, dass wir jetzt die Superexperten in Sachen Remixe sind, aber wir wissen, was wir mögen, und die Leute fragen wir dann.

Wenn ihr in den Club geht, denkt ihr, Eure Songs müssen remixt werden, damit man dazu tanzen kann?

Och – also was ich an Remixen cool finde, ist, zu hören, was sich Andere aus einem Song raus ziehen. Worauf legen sie den Fokus im Song? Das finde ich, ist das interessante an Remixen. Oft genug ist das nämlich etwas, an das ich selbst nie gedacht hätte. Wenn ich sozusagen dachte, dieses Element ist wie der Pfeffer auf dem Gericht, ein kleiner Beitrag zur Würze – diesen Beitrag machen Andere dann zum Zentrum des Songs. Ich sage nicht: „Der kriegt den Song, denn ich will ihn auf den Dancefloor hören“. Aber klar, wir tanzen gerne, ich gehe gerne mit Freunden aus zum Tanzen.

Gerade tourt ihr mit Vampire Weekend, ihr habt ja auch mit einer Menge anderer Bands schon gespielt, ihr habt praktisch das letzte Jahr on the road verbracht. Wie kommt ihr mit diesem Lifestyle klar?

Ich LIEBE es. Ich liebe es. Ich ziehe das Touren dem Aufnehmen vor. Im Studio waren wir zuletzt ja auch viel, immer wieder rein und raus, die letzten sechs Monate. Ich bin super gerne auf Tour, und zwar, weil ich diesen direkten Kontakt zum Publikum so mag. Ich mag es, die Reaktionen mitzukriegen, und zu sehen, wie das Ganze sich manchmal aufschaukelt. Ich treffe gerne Leute, und wenn ich sehe, dass mir jemand Zeilen, die ich geschrieben habe, entgegen singt, dann ist das eine große Sache für mich.

Eine Freundin von mir verkauft T-Shirts auf Tour – wenn sie von einer Tour heimkommt, ist sie ganz rastlos, weil sich nichts mehr bewegt.

Kenne ich – dieses Gefühl: „Ich muss doch jetzt was tun, ich muss doch jetzt was tun!!“ Wobei ich mich auch immer zu beschäftigen weiss, wenn ich mal daheim bin, dann treffe ich mich mit all den Freunden, die ich so lange nicht gesehen habe, weil ich auf Tour war. Relaxen ist nichts für mich.

… und diese Tour führte Euch auch zuletzt nach Glastonbury – was ja immer eine sehr spezielle Erfahrung sein soll.

Ja, es ist schließlich das größte Festival, auf dem wir je gespielt haben – ist es nicht sogar das größte der Welt?

Ich weiss gar nicht. Rio muss größer sein, oder?

Oh Mann, ich will so unbedingt nach Rio, ich kann‘s dir gar nicht sagen! Aber Glastonbury war sehr abgefahren – das Tollste, aber ich dachte auch, ich bin auf dem Mars. Es war wie auf einem anderen Planeten. So viele Leute, und alle haben Spaß! Das haut einen schier um, wie viel Spaß die alle haben! So viele Menschen, so viele tolle Bands, viele befreundet mit uns, die wir lange nicht mehr getroffen hatten. So war‘s ne tolle Erfahrung, wir spielten mehrere Shows, arbeiteten viel, hatten aber auch viel Spaß.

Ich las, es gab ein Problem mit deiner Diabetes?

Ja, mit unserer ersten Show eröffneten wir das Festival. Wir hatten vorher noch Interviews gegeben und ich hatte einfach in der Aufregung zwar dran gedacht, mein Insulin zu nehmen, aber vergessen, auch etwas zu essen. Auf der Bühne ging das dann drei, vier Songs gut, bis mir auf einmal schummrig wurde. Dann fiel es mir auf, mitten im Set, dass ich nichts gegessen hatte, aber Insulin genommen hatte. Mein Blutzucker war also rapide runter gegangen. In diesen Fällen kriegt man dann Schüttelkrämpfe, man kann sogar einen Anfall erleiden und praktisch ins Koma fallen. Davor habe ich natürlich großen Schiss gekriegt, also bin ich ganz schnell runter von der Bühne und habe einen Orangensaft getrunken. Für den nächsten Song musste ich mich dann hinsetzen. Zum Schluss ging‘s besser. Aber ich habe natürlich einen ganz schönen Schrecken bekommen. Ich meine, man steht ja auch voll unter Adrenalin, alles wirkt dann gemeinsam. Noch kurz davor hatte ich gesagt „Das ist der beste Moment in meinem Leben!“ – und dann das. Aber alle haben sich prima um mich gekümmert und waren ganz lieb zu mir, das hat sich sehr gut angefühlt.

Und ab jetzt steht immer ein Orangensaft auf der Bühne für den Notfall.

Genau. Und ich achte jetzt auf jeden Fall darauf, was zu essen! Dabei ist mir das noch nie passiert, in den ganzen sieben Jahren, seit denen es Haim gibt! Nie! Vielleicht war ich mal etwas zitterig und nach dem Konzert kam dann ein kleinerer Schwächeanfall – aber auf der Bühne? Das ist noch nie vorgekommen. Aber das war uns eine Lehre, wir alle wissen‘s jetzt, auch der Tourmanager und mein Basstechniker: „Iss was, bevor du auf die Bühne gehst!“

Darf ich dich zu deinem berühmten „Bass Face“ befragen?

Oh, das Bass Face! Also, ich meine…

Das Beste ist, sich einfach damit damit anzufreunden, oder?

Es ist halt, als ob man sagt: „Du bist berühmt für deine Nase!“ Es ist halt ein Teil von mir. Das bin ich. Ich denk nicht drüber nach, und wenn doch – die Zeiten gab es, da habe ich die Bilder von den Shows gesehen und mir gedacht „Um Himmels Willen! Ich schaue echt bescheuert aus!“

Aber es ist doch so, dass das jeder wirklich sympathisch findet.

Richtig, das meine ich ja. Als Mensch sieht man Fotos von sich und findet was, das einem nicht gefällt, also sagt man: „Das muss ich ändern“. Also habe ich Shows gespielt, bei denen ich versucht habe, einfach nur normal zu gucken. Wobei ich in Wirklichkeit aber nur gedacht habe „Mach bloß kein Gesicht mach bloß kein Gesicht mach bloß kein Gesicht!!!“ Aber dann verspiele ich mich. Dann wird mein Bassspiel schlecht, dann treffe ich die Töne nicht mehr, und mein Getrommel ist abseits vom Takt. Also scheiß drauf! Dann schaue ich halt so aus! Da spiele ich lieber eine gute Show, und fühle diese Show – denn das ist es doch letztlich! Denn wenn ich spiele, das ist doch der Moment, in dem ich mich wirklich gehen lasse! Warum sollte ich das also ändern? Ich werde das nicht ändern, niemals! Ich bin nun mal so, und das bin ich! Ich bin jetzt so weit, dass ich mich einfach gehen lassen kann und es mir egal ist, was die Leute von mir denken. Oder was sie über mein Gesicht denken. Das bin ich. Das ändere ich nicht!

Wir Deutschen sagen: Einen schönen Menschen entstellt nichts!

Das gefällt mir! Das schreibe ich auf ein T-Shirt! Aber das ist ja auch, was ich denke. Ich hoffe doch, dass die Leute es auch so sehen.

Also, was ich so lese, findet es doch jeder drollig. 

Ja, „liebenswert“, das sagt meine Mom immer: „Es ist liebenswert, denk dir nichts!“

Vielleicht kriegen wir‘s ja heute zu sehen!

Bestimmt. Bestimmt gibt‘s heute ein wenig davon zu sehen.

Okay. Drei Schwestern in einer Band. 

Ja.

Das gibt‘s ja auch mit Brüdern – berühmt wären die Gallaghers, die sich immer in die Haare kriegten. Wie ist das bei euch? Gibt es „Catfights“?

Keine Catfights, nein. Nicht in dieser Band.

Kein Haareziehen und Kratzen!

Nein. Aber das fände ich witzig. Vielleicht machen wir mal einen gespielten Catfight und filmen den! Und stellen das dann auf youtube. Aber im Ernst jetzt – ich glaube, unsere Eltern haben einen wirklich guten Job gemacht. Sie haben uns immer eingetrichtert, dass an erster Stelle immer die Familie steht. Dass Blut dicker ist als alles andere. Wir drei standen uns aber auch immer sehr nahe. Es gab nie eine Zeit, in der wir uns gestritten haben – außer vielleicht, als ich so sieben war und Dani vier, und Alana noch ein Säugling. Ich weiss noch, ein mal habe ich Danis Haar abgeschnitten, als sie schlief. Weil ich eine Göre war. Aber als wir älter wurden, hingen wir einfach gemeinsam ab. Gingen zusammen auf Konzerte – die Musik, die hat uns echt zusammengeschweisst. Wir gingen in die Clubs in der Gegend, für die wir eigentlich noch zu jung waren… und so sind wir groß geworden. Klar sind wir nicht übermenschlich und hatten unsere Missverständnisse. Aber das ist ja normal, das muss ja so sein. Aber wir wissen, wann wir uns zurückhalten müssen, wir wissen, wann eine Entschuldigung angebracht ist. Weil kein Streit es wert ist. Letztlich lieben wir uns doch. Streits sind doch unnötig, zumal es wirklich solche Streits sind wie „Warum hast du nicht gefragt, als du meine Jacke geliehen hast?“ Und dann sagt man: „Sorry, das hätte ich machen sollen.“ Und dann ist die Sache aber auch gegessen. Darüber gehen unsere Streits eigentlich nie hinaus. Noel Gallagher-Momente sehe ich keine kommen.

Euer Vater war Fußballer.

Ja, genau!

Interessiert ihr euch für Fußball?

Also, mein Vater hat sehr wohl probiert, mich zum Fußballspielen zu bringen. Statt dessen habe ich aber Ballett gemacht. Auf dem Feld. Der Ball lief an mir vorbei und ich drehte eine Pirouette. Damit wollte ich sagen: Ich will lieber tanzen! Also hat er das aufgegeben. Bei Danielle musste er auch aufgeben. Die einzige, der es gefallen hat, war Alana. Sie hat zentrales Mittelfeld gespielt, bis zur Highschool.

Was ist denn die am häufigsten vorkommende Fehleinschätzung über Haim?

Hmmm… da fällt mir eigentlich keine ein. Dass wir keine Schwestern sind, vielleicht? Das hat mal einer behauptet. „Ihr seid in echt doch gar keine Schwestern!“ Sind wir aber.

Die Frage stelle ich öfter, denn eigentlich hat jede Band etwas, das sie immer über sich lesen muss und wovon sie sich nicht repräsentiert fühlt. Wer über euch liest, muss zum Beispiel immer den Namen Fleetwood Mac lesen. Die Fehleinschätzung könnte also sein, dass Fleetwood Mac eure großen Vorbilder sind.

Aber ich liebe Fleetwood Mac! Wer tut das nicht? Wir sind mit ihnen groß geworden, und wenn man uns mit ihnen vergleicht, dann fühlen wir uns wahnsinnig geehrt. Schon verrückt – sie sind ja schon seit solchen Ewigkeiten eine Band. Das wollen wir natürlich auch. Für immer spielen! Wir sind Fans.

Und zum Schluss frage ich immer nach der Anekdote. Was war denn euer bisher verrücktestes Konzert? Oder ein lustiges Erlebnis mit Haim?

Hmmm, was war denn zuletzt lustig? Also, neulich, da habe ich vergessen, mein Insulin wegzupacken, als wir fliegen mussten. Ich hatte die Ampullen noch in meiner Hosentasche, und die Zollbeamtin in der Schweiz, sie hatte so was wohl noch nicht vorher gesehen. Die hat das wohl für Sprengstoff gehalten oder was weiss ich. Ich habe jedenfalls die komplette Körperdurchsuchung abgekriegt im Flughafen. Das war kein Spaß. Obwohl meine Schwestern sich natürlich weggeschmissen haben. Das war nicht cool. Ich meine, klar, die Frau machte nur ihren Job. Aber ich habe versucht ihr klar zu machen: „Ich habe Diabetes, das ist Insulin!“ „Sorry, wir müssen jetzt alles durchsuchen.“

Okay, danke! Müssen wir noch was wissen übers Album?

Es kommt! Es ist fast da! Und bis dahin spielen wir so viele Shows wie möglich!

Werden wir heute auch ein paar Songs vom Album zu hören bekommen, die wir abseits der EPs noch nicht kennen?

Das nicht. Die müssen wir noch besser proben. Dazu hatten wir noch nicht genug Zeit. Ab August wird man sie vermutlich hören.

Vielen Dank!

Aber gerne! Und immer gerne wieder. So, ich geh jetzt was essen, kommst du auch ins Catering?

Nee, ich muss zurück ins Büro radeln, Und das bei diesem Regen!

Um Himmels willen! Nein, bleib hier! Du holst dir ja den Tod!

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