Schlagwort-Archive: The Jesus And Mary Chain

Review: Lusts

Lusts – „Call Of The Void“

„Illuminations“, das Debüt von Sänger Andy und Drummer James Stone aus Leicester, die man als Lusts kennt, erschien vor drei Jahren beim Label 1965 Records. Diese Firma ist eine echte Hausnummer. Von der Arbeitsweise her ist 1965 ein Indie, aber die Connections sind stark: Die Finanzierung kommt von der Sony, in Deutschland werden die VÖs über PIAS bearbeitet. So ein Backing zu haben, ist hilfreich. Letztes Mal hat die PIAS in Deutschland auch durchaus versucht, was für die Lusts zu erreichen. So wurde mir zum Beispiel auch ein Interview mit Andy fürs piranha organisiert.

Warum dieses langweilige Labelgeschwafel? Weil die Neue auf der mir unbekannten Plattenfirma „Blinky Watts“ erscheint. Googlen ergibt: Es ist die erste VÖ dieser Company. Der Verdacht bstätigt sich: Die Stone-Brüder haben das Label selbst gegründet und das neue Album auch selbst aufgenommen.

Es ist ja so: Ich bin nun schon recht lange irgendwie in der Musikindustrie unterwegs. Zwar war ich nie bei einem Label, sondern arbeitete nur mal ne Zeitlang bei einem Veranstalter und jetzt halt seit gefühlten Ewigkeiten als Musikjournalist. Jedenfalls, man kommt dann nicht drumrum, sich einen gewissen Blick auf das Kommerzielle anzugewöhnen. Auch wenn man nicht will, stellt man sich doch Fragen wie: Warum haben die jetzt wohl ihren Plattenvertrag verloren? Warum wohl keinen neuen unterschrieben? Dass sie jetzt alles selbst gemacht haben, war das eine aktive Entscheidung? Oder eine aus der Not geboren? Wenn ich selbst ein Label hätte – würde ich sie unter Vertrag nehmen? Review: Lusts weiterlesen

Review: The KVB

The KVB – „Only Now Forever“

Ich frage mich, was Langzeitfans wohl zum neuen Album von The KVB sagen. Ob da wohl welche „Sellout“ schreien? Auf ihrem inzwischen sechsten Longplayer sind Nicholas Wood und Kat Day nämlich so zugänglich wie noch auf keiner Platte zuvor. Man könnte es beinahe poppig nennen. Ein Schlauberger würde ihnen folglich möglicherweise unterstellen, dass die zwei Londoner es nach acht Jahren, in denen sie in der Schublade „respektierte, aber letztlich halt auch nicht vorwärts kommende Art-Indie-Band“ rumkrebsten, es jetzt endlich mal wissen wollen. Diesen Schritt könnte der Schlauberger dann verwerflich finden und verächtlich die Nase rümpfen. 

Ich altes Popkid stehe natürlich mal wieder auf der anderen Seite. Ich finde die neuen The KVB prima. Let me explain.

Also: The KVB machen hier eigentlich ja immer noch das, was sie vorher auch gemacht haben. Sie bewegen sich im statisch aufgeladenen Feld zwischen Synthpop der 80er, Krautrock-Motorik und Shoegaze-Schummrigkeit. Es hat immer schon aus den Boxen geknistert und geblitzt bei dieser Band. 

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Review: Spiritualized

Spiritualized – „… And Nothing Hurt“

Ich kann zwar sehen, wie viele (genauer gesagt: wie wenige) Klicks mein kleiner Blog hat, aber eins kann ich natürlich nicht sehen: WAS für Leser(innen) habe ich wohl?

Mal abgesehen von denen, die sich nur zufällig hier her verklickt haben – Werden meine Texte gelesen von Typen wie mir, von Mega-Nerds, die mehrere Jahrzehnte Independent-Gitarren bewusst miterlebt haben (und die hier eigentlich nur checken wollen, wie viel Fehler ich mache)? Oder sind ja doch auch Kids dabei? Teenager, für die diese Sounds was Neues und vielleicht ja auch spannendes sind und die hier ihren ersten Einblick in neue und alte Indie-Welten finden? Zwischen diesen Extremen liegen wohl neuere und langjährige Indie-Sympathisanten, die aber eben nicht so albern in die Sache vertieft sind wie meinereiner.

Man vergisst ja leicht, wie lange es das Zeug schon gibt. Neulich z.B. unterhielt ich mich mit einer Freundin und es zeigte sich: Sie kannte Placebo nicht. Ich wollte erst voll schockiert sein, aber: Hey, sie war 22. Die letzte wichtige Placebo-Platte war „Sleeping With Ghosts“. Oder? Das war 2003. Das ist 15 Jahre her. Da war sie sieben! KLAR muss sie Placebo nicht kennen!

Und warum wieder diese völlig am Thema Spiritualized vorbei gehende Einleitung, Henning?

Weil das Wichtige an diesem Album doch die Tatsache ist, dass Jason Pierce, diese Type, sich überhaupt mal wieder zeigt, sechseinhalb Jahre nach „Sweet Heart Sweet Light“! Der Urzeit-Indie-Heini geht bereits in die Knie vor Ehrfurcht. Der Neuling sagt: „Hä? Wer? Spiritus was?“ 

Ich schreibe also heute mal für den imaginären Leser, der erst mal ins Thema eingeführt werden muss und ziehe diesen Text als Musikgeschichtsstunde auf. Der Langzeit-Experte darf mich in den Kommentaren gerne korrigieren.

Also los. Anfangen muss man da natürlich mit Spacemen 3.  Review: Spiritualized weiterlesen

Lusts For Life!

Lusts, erklärt euch! Bisher waren Andy & James Stone aus Leicester ein Duo, das 2015 das prima 80s-Style-Indie-Album „Illuminations“ veröffentlichte. Think Echo & The Bunnymen, The House Of Love, JAMC. (Ich hatte Andy 2015 hier auch im Interview)

Vor ein paar Wochen kam eine neue Single „Lost Highway“. Mit auf dem Cover: Eine Dame. Sie singt auch. Sie ist jetzt auch im Video zu sehen. Aber all die Press Releases und die Berichte, die anderswo zur Single zu finden sind, erwähnen die Lady mit keinem Wort.

Fragen: Wer ist das? Ist sie als Gast bei dieser Single dabei oder künftig sogar festes Mitglied? Warum wird sie nicht erwähnt? Weil sie noch eine Unbekannte ist oder, im Gegenteil, sogar eine voll prominente Sängerin, die aber aus Plattenfirmen-Vertrags-Komplikations-Nerv nicht genannt wird? (Sky Ferreira könnte passen.) Wer erkennt sie? Bin ich total der Depp, dass ich sie selbst nicht längst erkannt habe? Die Stimme erinnert mich in wenig an die Sängern der Still Corners… Also: Wer es weiss, erlöse mich bitte und schreibe es im Kommentar, Danke.

Ach ja: Super Lied!

In Lusts We Trusts

Erst vor wenigen Tagen pickte mein itunes-Shuffle mal wieder einen Song der Lusts. Für mich Anlass, ihr Album mal wieder durch zu hören und mir zu denken: „Mann, das war eine echt gute Platte – sind die nicht auch mal dringend wieder dran mit neuem Material?“

Zur Erinnerung: Das Debüt der zwei Brüder aus Leicester kam 2015, hieß „Illuminations“ und war eine prima 80s-style Indierock-Platte. Bei mir weckte sie Assoziationen zu JAMC, The House Of Love, Echo & The Bunnymen oder The Church. Ich hatte Sänger Andy Stone damals auch im Interview.

Tja. Lusts haben heute tatsächlich einen neuen Song geteilt. „Heavy Thoughts“ bleibt ihrem Sound treu, addiert aber auch eine neue Synthie-Komponente. Nice.

Review: Lowtide

Lowtide – „Southern Mind“

Ich beginne eben – mal wieder – mit einem kurzen Abriss der bisherigen Shoegazing-Historie. Die späten 80s, frühen 90s, brachten bekanntlich eine ganze Welle der UK-Bands, die mit Feedback und Noise hypnotische Effekte erzeugten. Los ging’s mit The Jesus and Mary Chain, das entwickelte sich über MBV zu Ride, Chapterhouse, Swervedriver, The Boo Radleys, Pale Saints, Lush, Moose etc. Picken wir uns als Musterbeispiel Slowdive. Wenn andere Bands aus Feedback „Klanggewitter“ schufen, dann untermalten die fünf aus Oxford den Morgennebel, durch den die ersten Sonnenstrahlen brechen. Wolkige Schwaden aus Gitarren und süßer Schimmer. Morningrise.

Parallel aber entwickelte sich auf der anderen Seite des Atlantik der Grunge. Als Nirvanas „Nevermind“ mit seinem schroffen Expressionismus explodierte, sahen die schüchternen englischen abstrakten Klangmaler daneben plötzlich wischi-waschi und zahnlos aus. Als nicht lange danach auch noch der Britpop kam, wurden die Überlebenden vollends verdrängt. Slowdive versuchten damals die Flucht nach vorne in den Ambient-Minimalismus – es half nichts. Ihr drittes Album „Pygmalion“ wurde nicht mal mehr wahrgenommen. Mann, waren Slowdive 1995 out! Wenn ihnen damals jemand erzählt hätte, dass sie eines Tages als gefeierte Pioniere zurück kommen würden, dass ihr Reunion-Album als eine der besten Platten des Jahres 2017 bejubelt werden würde – sie hätten nur laut gelacht. Ja klar. Review: Lowtide weiterlesen

At Fuller Speed

Keine zwei Wochen nach „Someone To Walk Around With“ schon wieder ein neues Video? Ja, jetzt wird noch mal Gas gegeben, denn am Freitag erscheint’s: „Inner City Deeam“, das Debütalbum des australischen Britpop-Wiedergängers Wesley Fuller. Zwei Vorab-Videos gab’s schon, jetzt teast er die Platte mit einem dritten Clip an. Ziemlich klassisch und allumfassend ist das, was der Lockenkopf aus Melbourne macht – „Biggest Fan“ ist einerseits typischer Glam/Britpop, ruft bei mir andererseits aber sowohl Erinnerungen an The Jesus and Mary Chain (der schlurfige Rhythmus, die Melodielinie der Strophen) als auch an ELO hervor (die Harmonien im Refrain) hervor – und das ist ja wohl eine durchaus sonderbare, aber ansprechende Kombi.

Review: INHEAVEN

INHEAVEN – „INHEAVEN“

„Talent borrows, genius steals“ wird immer behauptet. Ein Satz, den ich gar nicht unterschreiben will. Wenn ich das Gefühl kriege, dass eine Band mir nur aufgewärmtes und kopiertes Zeug vorsetzt, kriege ich ganz gerne mal die Krise. Immer wieder, wenn ich hier meine Texte schreibe, fordere ich von Musikern, dass sie eine gewisse Originalität und Persönlichkeit einbringen.

Aber – um noch eine ausgelutschte Redewendung zu zitieren – Ausnahmen bestätigen die Regel.

Das Londoner Quartett INHEAVEN macht nun echt keine Musik, die man so oder so ähnlich nicht schon gehört hat. Sie machen sogar Musik, die man so schon ganz präzise akkurat genau gehört hat. Aber es ist die Musik, wegen der wir uns einst in Indie verliebt haben. Und INHEAVEN machen das Ganze mit der Wucht und dem Spaß bei der Sache, dass der Funke überspringt.

Es gehört eine gewisse Unverschämtheit dazu, so ungeniert zu klauen. Aber Unverschämtheit ist im Indie eine wichtige Tugend. Man muss unverschämt sein, um zu überzeugen, Wenn man schon alles Glänzende aus den Regalen im Indiestore mopst, darf man sich nicht dafür entschuldigen.

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Interview: Ride

Genau für diese Momente bin ich Musikjournalist. Habt ihr eine Vorstellung, wie der 21jährige Henning reagiert hätte, wenn man ihm gesagt hätte: Du interviewst mal Mark Gardner!?!?!

Mann, was habe ich RIDE geliebt, was habe ich Ride geliebt!!

Ride waren für mich (und viele meiner Zeitgenossen) die wichtigste Band auf der Welt in den Jahren 1990 – 1993. Mir laufen jetzt noch Schauer über den Rücken, wenn ich an den Moment denke, als ich zum ersten Mal „Leave Them All Behind“ hörte – ich meine, da hast du eine TOTALE Lieblingsband und wartest nägelkauend auf ihren neuen Song – und dann kommt SO EIN MONSTER, das alle Hoffnungen SPRENGT!!

Ich habe mitgelitten, als es abwärts ging. Es tat mir weh, ihr viertes und letztes Album „Tarantula“ (1996) anzuhören. Nicht weil es eine so schlechte Platte war – Jahre später zog ich sie mal wieder raus und war erstaunt, wie gut die Songs eigentlich waren. Aber damals konnte ich sie nicht ertragen, weil sie so weit weg von Ride war. Weil so klar war, dass es vorbei war.

Seit 1996 warte ich auf den 16.6.2017. Auf den Tag, an dem RIDE zurück kommen mit einer Platte, die ihrer würdig ist. Und „Weather Diaries“ ist es. Klar, es gibt Durchhänger. Aber es gibt 3, 4, 5 Ride-Momente, wie nur Ride sie erzaubern können. Für einen Fan wie mich ist das himmlisch.

Also dann. Mark Gardner am Telefon. Today, forever.  Interview: Ride weiterlesen

Review: The Charlatans

The Charlatans – „Different Days“

In diesen Wochen gab’s/gibt es neue Alben von Ride, Slowdive, The Jesus and Mary Chain, alle mit großem Medienecho. Auch ihre Zeitgenossen The Charlatans haben ’ne Neue, doch der Hype fällt gering aus. Wenn man so will, haben die Madchester-Veteranen, die den ewigen Klassiker „The Only One I Know“ geschaffen haben, also einen Fehler gemacht: Sie haben sich nämlich nie getrennt. So können sie jetzt mit keinem Comeback -Brimborium um die Ecke kommen.

Aber selbstverständlich war es KEIN Fehler der „Charlies“, all die Jahre durchzuhalten. Die Band hat die Jahre, die andere Combos liegen ließen, genutzt, um ein beeindruckendes Gesamtwerk zu schaffen. Und im Verlauf des Ganzen ist den Baggy- und Britpop-Überlebenden etwas gelungen, was andere Bands sich nur wünschen: In Würde zu altern und in einem angemessenen Rahmen relevant zu bleiben, ohne sich Trends anzubiedern.

Ein Abstecher: Charlatans-Sänger Tim Burgess hat vor ein paar Jahren seine Autobiographie geschrieben. So ein Teil besorgt man sich, weil man halt Fan und Nerd ist – aber nicht, weil man glaubt, ein tolles Buch zu lesen. Es war dann aber so, dass ich das Ding kaum weglegen konnte. Tim kommt in seinen Memoiren extrem nachvollziehbar rüber. Als ein Mensch erstens mit Hummeln im Hintern und zweitens mit unbeirrbarem und ansteckendem Optimismus. Review: The Charlatans weiterlesen