Es scheint keine falsche Entscheidung der PIAS gewesen zu sein, die Kanadier Pottery unter Vertrag zu nehmen. Jedenfalls dann, wenn „Hibbelige Franz Ferdinand mit einem Anteil Art New Wave a la DEVO/Talking Heads“ im Jahr 2020 plötzlich wieder gefragt sein sollte. (Naja, in meinem Haushalt ist sowas generell IMMER in, aber ich bin ja leider nicht repräsentativ. Ob die Kids das spannend finden, ist die Frage.)
Anyway. Im April erscheint das Album, nur wenige Wochen nach „Texas Drums“ gibt’s schon eine neue Single: „Take Your Time“.
Ein Grund, warum ich mich oft freue, wenn ich auf japanischen Indie stoße: Die West-Bands sind gerne mal ein bisschen gleichgeschaltet. Das muss ja keine Absicht sein, aber ein Produktions-Stil oder ein bestimmter Einfluss dominieren oft. So nach dem Motto: Eine Saison lang gibt’s lauter Talking Heads-mäßige Bands. Oder: Nach Vampire Weekend trugen plötzlich alle ihre Gitarren auf Brusthöhe und spielen Afro-poppige Melodien auf den hohen Bünden. Oder: Es ist ja super, dass King Gizzard & The Lizard Wizard so nen Erfolg haben – aber ich brauche deswegen nicht jede Woche eine neue halbgare Semi-Gizzard-Band im Posteingang. (In Holland gibt’s jetzt Iguana Death Cult – die kopieren sogar Stu & Cos Bandnamen! Also Echse + Mystik. Hey, wollen wir die Chameleon Sorcerers gründen? Die Gekko Templars? Oder Dragon Religion?)
Ich schweife ab. Also, Japan. Klar, auch diese Bands sind beeinflusst, von was auch immer. Aber sie sind eben nicht so von den Trends abhängig, die anderswo die Runde machen. Siehe Ocelott: Ein Quartett aus Fukuoka, das im Januar seine ersten zwei Singles veröffentlicht hat. Klar ist es nicht so, dass ihr netter Postcard-Pop revolutionär neu ist. Aber das Ganze ist angenehm out-of-step im Vergleich zur üblichen Indie-Trendigkeit. Das macht mir Spaß.
Seit sechs Tagen kein neuer Post auf dem Blog. Sorry, ich bin einfach zuletzt auf kein Video gestoßen, das mir sagte: Ich MUSS geteilt werden!
Aber wir wissen auch: Immer wenn ich einen Beitrag schreibe, in dem ich mich über eine Flaute beschwere, passiert folgendes: In den nächsten Stunden prasseln drei bis fünf neue Videos auf einmal ein. Als ob die Welt mich widerlegen wollte.
Na gut, dann probieren wir doch mal aus, ob das heute auch klappt.
Posten wir also etwas aus dem Archiv. Es ist inzwischen fast einen Monat her, dass die The Cars-Frontmann Ric Ocasek gestorben ist. Damals wollte ich eigentlich schon was schreiben. Aber dann hatte ich viel um die Ohren und es war eh genug im Netz zu lesen, da habe ich’s nie fertig gestellt.
Jetzt denke ich mir: Eigentlich ist es sogar besser, so spät dran zu sein mit der eigenen kleinen Würdigung. Die erste Nachruf-Blase ist verpufft – aber The Cars waren schließlich eine Band, die in Sachen Postpunk, Synth- und Powerpop langfristig prägend war. Darauf darf man auch und erst recht nachträglich noch mal hinweisen.
Klar, am bekanntesten war Ric Ocaseks Band für Synthpop-Hits aus den Mitt-Achtzigern wie „You Might Think“, „Drive“ oder „Hello Again“ sowie für ihr ’77er Powerpop-Debüt mit Hits wie „Just What I Needed“ oder „My Best Friend’s Girl“.
Im Nachhinein finde ich aber die Platten dazwischen fast am interessantesten. Alben wie „Candy-O“ oder „Panorama“ hatten nicht die großen Profil gebenden Hits, aber sie waren musikalisch spannend. Hier waren The Cars in erster Linie new wavey, man konnte Verwandtschaft zu Talking Heads oder The Cure entdecken. Als Beweis poste ich hier den Titelsong von „Panorama“.
The Cars sind eine Band, die wir nicht vergessen wollen – und ihr Echo in Bands wie Public Access TV, Strange Names, Weezer oder The Strokes wird auch noch länger dafür sorgen, dass wir’s nicht tun.
Johnny Marr. Eine verdammte Legende, der Typ. Ich muss nicht dazu sagen, warum. Dafür ist hier eh nicht genug Platz.
Having said that, Johnnys neue Single „The Bright Parade“ ist in Ordnung. Eine flotte New Wave-Pop Nummer, in der Johnny seine Slide Guitar-Skills einsetzt, ohne gleich flashy damit anzugeben.
Das ist voll okay. Aber, sagen wir’s so: Wenn man dereinst mal Johnnys Lebenswerk zusammenfasst, wird „The Bright Parade“ eine untergeordnete Rolle spielen. Da hat der Mann dann doch schon spektakuläreres geschaffen.
Also, zuerst mal: Johnny Marr ist ein Heiliger. Was der Mann in seinem Leben schon geschaffen hat, das würde reichen, um fünf verschiedene Musiker zu Kultfiguren zu machen. Ich muss es hier nicht aufzählen, oder? Nein, muss ich nicht. Aber, andererseits – bremsen kann ich mich ja auch nicht.
Also: Zuerst mal hat Johnny Marr als Teenager n Manchester The Smiths gegründet und lässig, sich souverän zurückhaltend den perfekten kreativen Partner für den (damals noch) genialischen Selbstdarsteller Morrissey gegeben. Mit seinem unbemühten, nie angeberischen, aber zielsicheren und, wenn nötig, filigran-präzisen Spiel hat er ganzen Generationen späterer Indie-Gitarristen quasi die Schablone für ihren Sound abgeliefert. (Dass er, nebenbei bemerkt, die Smiths zwischenzeitlich auch managte, weil Morrissey diese Tendenz hatte, alle Businesspartner zu vergraulen, ist da nur eine Fußnote.)
Marr war der, der trotz seines Images als treuer Sidekick die Traute hatte, die Smiths schließlich zu verlassen und damit aufzulösen. Gleich darauf hatte er auch schon zwei neue Jobs: Als Co von Bernard Sumner (New Order) in Electronic und als Gitarrist von Matt Johnsons The The – auch hier war sein Spiel natürlich prägend und ideal auf seine Nebenmänner zugeschnitten. Review: Johnny Marr weiterlesen →
Eigentlich will ich mich mit der Vorgeschichte zu Artificial Pleasure gar nicht lange aufhalten. Ein Debütalbum, das kann und soll schließlich auch als „blank slate“ fungieren, als unbeschriebenes Blatt, als Nullpunkt, von dem aus es für den Hörer ohne jedes Vorwissen und jede Voreingenommenheit los geht.
Es ist ja auch nicht so, dass diese Vorgeschichte typisch oder exemplarisch ist. Sie ist ein Extrembeispiel dafür, wie nah im Musik- und Medienbiz Hype und Stagnation auseinander liegen können.
Trotzdem, hilft ja nix, ich kann mich ja doch nicht bremsen. Also: Zeitreise. Zurück ins Jahr 2012. Da bejubelt im Guardian ein großer Artikel die taufrische Band Night Engine, die in London bereits alle Szenekenner orgasmisch zucken lässt. Dabei existiert das Quartett erst seit wenigen Monaten. Die Newcomer erstaunen mit einer Kombi aus zickzackigen Synthriffs und britischem Funk. Ein 80s-Revival der unerwarteten Art, das Robert Palmer und INXS eine lange nicht mehr wahrgenommene Coolness zurück gibt. Night Engine fangen die New Wave-Rhythmik der Talking Heads ein und ihr Sänger hat eine Stimme, die nicht wenige an Bowie himself erinnert. Dieser Phil MacDonnell ist ein faszinierender, intensiver Typ, der nicht nur mit seinem knallroten Haar Aufmerksamkeit magnetisch auf sich zieht. Wow! Alle sind sich einig: Hier kommt das nächste große Ding! Review: Artificial Pleasure weiterlesen →
Jack Ladder. Eine Type, da will man aufs Dach klettern und in die Stadt rufen: „Gibt euch diesen Kerl!“ Ein schlaksiger australischer Hüne mit grabestiefer Stimme und galligem Humor. Er hat ein paar Songs in seiner Diskographie, da fragt man sich: Wieso sind das nur down under Klassiker? Warum hat der Rest der Welt das noch nicht wirklich mitgekriegt? Zu Hause ist der Sydneysider so unumstritten, dass er seine Begleitband aus ein paar der szenigsten Typen überhaupt zusammenstellen konnte: Die zwei Gitarristen Kirin J Callinan und Ben Hauptmann,.Bassist Donny Benet, Drummer Laurence Pike (von PVT).
Stop mal eben: Australier, hagerer Grusel-Spaßvogel, literarischer Anspruch, irre Begleitband aus Ausnahmemusikern? Ja, der Vergleich zu Nick Cave drängt sich auf. Trotzdem: Jack Ladder bleibt ein Original, dem niemand vorwerfen wird, dass er Nick Cave nachahme. Gewollt oder konstruiert sind die Parallelen nicht, sie haben sich eher zufällig so ergeben.
Was hat den Mann im Rest der Welt dann zurück gehalten? Da, denke ich, gibt’s dann halt doch einen Grund. Jack Ladder kann ein irres Niveau erreichen, aber er hält es nicht konsistent über ein komplettes Album. Auch seine fünfte, „Blue Poles“, macht da keine Ausnahme.
2013 ging alles blitzschnell für die Londoner Band Night Engine. Sie hatten sich erst seit wenigen Wochen gegründet, da feierte sie der Guardian schon als DIE neue Top-Hoffnung der Stadt, für ihre Referenzen an Talking Heads und Bowie. Aber nach einer ersten EP und einer Single geriet ihr Weg irgendwie ins Stocken.
Erst 2016 tauchten sie wieder auf, jetzt unter dem Namen Artificial Pleasure. Am 11.05. wird es nun so weit sein, dass Sänger Phil McDonnell & Co endlich ihr so lange erwartetes Debütalbum „The Bitter End“ veröffentlichen werden. Vorab haben sie nun die Single „On A Saturday Night“ mit einem Video ausgestattet.
Manche Dinge brauchen etwas länger, bis sie in die Gänge kommen. Dabei sah’s für Night Engine erst super aus. Die Londoner hatten sich 2013 erst wenige Wochen gegründet, da hatten sie schon ihr erstes großes Feature im Guardian und wurden darin als kantig-schnittiges Nu-Bowie/Talking Heads-Dings gefeiert, dem zweifellos die Zukunft gehören werde. Eine starke 4-Track EP erschien. Aber dann passierte… wenig. 2015 kam noch mal eine Single namens „Wound Up Tight“ – und das war’s. Irgendwann waren sogar ihre Tracks von den Download- und Streamingplattformen verschwunden.
Ende 2016 wiederum tauchte eine Band namens Artificial Pleasure auf, von der ich erstmals im Mai 2017 was mitkriegte. Da fielen sie mir im Programm von Brightons Great Escape Festival auf, denn Sänger Phil McDonnell mit seinen knallroten Haaren war sofort zu erkennen. Ich weiss nicht, ob es taktische oder vertragliche Gründe waren, ob Mitglieder ausgetauscht wurden oder was sonst der Grund für den Namenswechsel war – jedenfalls sind Artificial Pleasure die Nachfolgeband von Night Engine.
Im September spielten sie auch erstmals in München und da zeigte sich auch, warum die Spuren von Night Engines Songs im Netz getilgt wurden: Artificial Pleasure haben noch was mit ihnen vor. So wurde „Wound Up Tight“ kürzlich ein zweites Mal veröffentlicht, diesmal als neue AP Single. Inzwischen haben Phil McDonnell & Co auch fürs neue Jahr ihr Debütalbum angekündigt und ein Video zu „Wound Up Tight“ online gestellt. Keins, das Phil unbedingt schmeichelt, aber okay, das muss die Band selbst wissen. Anyway – es sieht aus, als ob es fünf Jahre nach dem ersten Inner London-Hype jetzt doch endlich auch im Rest der Welt los gehen kann für Night Engine/Artificial Pleasure.
UPDATE von Artificial Pleasures facebook: „Phil would like to make it clear that he usually looks much better than this.“ Hihi.
Das Frage, mit welchen Themen ich in den praktisch Release-freien Wochen um die Jahreswende Inhalte für meine Seite schaffen soll, die stelle nicht nur ich mir auf meinem kleinen Blog. Das Problem haben auch ganz andere, ungleich größere Musik-Medien. So hat Pitchfork vorgestern – a pro pos of nothing – eine Liste der 10 besten Songs der 80er zusammen gestellt. Aber warum auch nicht? Naturgemäß sind 10 Songs zu wenig, um eine ganze Dekade zusammen zu fassen und klar wird man drüber diskutieren. Sicher hat jeder der Pitchfork-Songs es verdient, auf der Liste zu landen – aber essentielle Namen fehlten trotzdem. Mich jedenfalls hat das Ganze dazu gebracht, 80s-Namen aufzuschreiben, die ich in meine persönlichen Top Ten packen würde. Natürlich ist das sofort ausgeartet und plötzlich hatte ich über 40 Namen auf dem Zettel stehen.
Weswegen ich mir sagte: Okay, da mach ich ne kleine Serie draus. Ich werde in unregelmäßigen Abständen eine kommentierte Selektion von 80s-Bands bzw Songs posten. Die 80s waren schließlich eine im Nachhinein herrlich alberne Dekade, in der viel ausprobiert wurde. Manches ging daneben, manches aber wurde zum Grundstein für spätere Entwicklungen. Manches, was damals noch als Mainstream-Pop galt, wäre heute fürs Indie-Fach zu schräg. Zumal: Seit youtube-Videos in Deutschland nicht mehr gesperrt sind, kann man alte Schätze neu entdecken.
Also gut, gehen wir in unsere erste Runde. Diese erste Rutsche habe ich unter einen Oberbegriff gestellt: Indie-Bands. Genauer: Bands, die als Pioniere das, was später zur eigenen Kategorie Indie werden sollte, vorbereiteten und noch lange prägten. All die nun folgenden Bands sind Gitarrenbands – was in den 80ern ja eher untypisch war.
Anmerkung: Die Liste ist alphabetisch geordnet, nicht nach irgendeiner Wertung. Sonst ginge es nicht ausgerechnet los mit…