Schon als sie noch Night Engine hießen, wurden Artificial Pleasure oft mit David Bowie verglichen – weil Sänger Phil MacDonnell eine ähnlich schneidende Stimme hat.
Ich finde aber, die neue Single hat tatsächlich diesen stolpernden Groove, dass sie aus Bowies 80s-Schaffensphase (ca „Let’s Dance“) stammen könnte.
Eigentlich will ich mich mit der Vorgeschichte zu Artificial Pleasure gar nicht lange aufhalten. Ein Debütalbum, das kann und soll schließlich auch als „blank slate“ fungieren, als unbeschriebenes Blatt, als Nullpunkt, von dem aus es für den Hörer ohne jedes Vorwissen und jede Voreingenommenheit los geht.
Es ist ja auch nicht so, dass diese Vorgeschichte typisch oder exemplarisch ist. Sie ist ein Extrembeispiel dafür, wie nah im Musik- und Medienbiz Hype und Stagnation auseinander liegen können.
Trotzdem, hilft ja nix, ich kann mich ja doch nicht bremsen. Also: Zeitreise. Zurück ins Jahr 2012. Da bejubelt im Guardian ein großer Artikel die taufrische Band Night Engine, die in London bereits alle Szenekenner orgasmisch zucken lässt. Dabei existiert das Quartett erst seit wenigen Monaten. Die Newcomer erstaunen mit einer Kombi aus zickzackigen Synthriffs und britischem Funk. Ein 80s-Revival der unerwarteten Art, das Robert Palmer und INXS eine lange nicht mehr wahrgenommene Coolness zurück gibt. Night Engine fangen die New Wave-Rhythmik der Talking Heads ein und ihr Sänger hat eine Stimme, die nicht wenige an Bowie himself erinnert. Dieser Phil MacDonnell ist ein faszinierender, intensiver Typ, der nicht nur mit seinem knallroten Haar Aufmerksamkeit magnetisch auf sich zieht. Wow! Alle sind sich einig: Hier kommt das nächste große Ding! Review: Artificial Pleasure weiterlesen →
2013 ging alles blitzschnell für die Londoner Band Night Engine. Sie hatten sich erst seit wenigen Wochen gegründet, da feierte sie der Guardian schon als DIE neue Top-Hoffnung der Stadt, für ihre Referenzen an Talking Heads und Bowie. Aber nach einer ersten EP und einer Single geriet ihr Weg irgendwie ins Stocken.
Erst 2016 tauchten sie wieder auf, jetzt unter dem Namen Artificial Pleasure. Am 11.05. wird es nun so weit sein, dass Sänger Phil McDonnell & Co endlich ihr so lange erwartetes Debütalbum „The Bitter End“ veröffentlichen werden. Vorab haben sie nun die Single „On A Saturday Night“ mit einem Video ausgestattet.
Der nächste Schritt folgt jetzt: Ich kontere ich mit meiner eigenen Longlist. Das sind dann aber immer Acts aus meinem Indie-Geschmacksbereich. Ich prognostiziere auch nicht den großen Durchbruch. Ich sage nur: „Ich traue denen nächstes Jahr ein ordentliches Debütalbum zu.“
Aber ganz ehrlich: Dieses Jahr war’s schwerer als je zuvor, diese Liste zusammen zu kriegen.
Dafür gibt’s bestimmt mehrere Gründe und ich habe auch eine halbe Abhandlung darüber begonnen. Ich hab’ sie aber wieder gelöscht. Wer will denn schon so Krisengerede lesen?
Zumal ich ja eh ewiger Optimist bin und glaube, dass sich das wieder einrenkt. Und ausrenkt. Und wieder einrenkt. Weil das alles zyklisch kommt und geht.
Anyway. 16 Bands und Solist(inn)en, denen ich 2018 was zutraue, findet ihr nach dem Break. Besser als die Grütze von der BBC sind sie allemal.
Manche Dinge brauchen etwas länger, bis sie in die Gänge kommen. Dabei sah’s für Night Engine erst super aus. Die Londoner hatten sich 2013 erst wenige Wochen gegründet, da hatten sie schon ihr erstes großes Feature im Guardian und wurden darin als kantig-schnittiges Nu-Bowie/Talking Heads-Dings gefeiert, dem zweifellos die Zukunft gehören werde. Eine starke 4-Track EP erschien. Aber dann passierte… wenig. 2015 kam noch mal eine Single namens „Wound Up Tight“ – und das war’s. Irgendwann waren sogar ihre Tracks von den Download- und Streamingplattformen verschwunden.
Ende 2016 wiederum tauchte eine Band namens Artificial Pleasure auf, von der ich erstmals im Mai 2017 was mitkriegte. Da fielen sie mir im Programm von Brightons Great Escape Festival auf, denn Sänger Phil McDonnell mit seinen knallroten Haaren war sofort zu erkennen. Ich weiss nicht, ob es taktische oder vertragliche Gründe waren, ob Mitglieder ausgetauscht wurden oder was sonst der Grund für den Namenswechsel war – jedenfalls sind Artificial Pleasure die Nachfolgeband von Night Engine.
Im September spielten sie auch erstmals in München und da zeigte sich auch, warum die Spuren von Night Engines Songs im Netz getilgt wurden: Artificial Pleasure haben noch was mit ihnen vor. So wurde „Wound Up Tight“ kürzlich ein zweites Mal veröffentlicht, diesmal als neue AP Single. Inzwischen haben Phil McDonnell & Co auch fürs neue Jahr ihr Debütalbum angekündigt und ein Video zu „Wound Up Tight“ online gestellt. Keins, das Phil unbedingt schmeichelt, aber okay, das muss die Band selbst wissen. Anyway – es sieht aus, als ob es fünf Jahre nach dem ersten Inner London-Hype jetzt doch endlich auch im Rest der Welt los gehen kann für Night Engine/Artificial Pleasure.
UPDATE von Artificial Pleasures facebook: „Phil would like to make it clear that he usually looks much better than this.“ Hihi.