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Review: Hästpojken

Hästpöjken – „Hästpojken är död“

Ernst gemeinte Frage: Wir haben hier in Deutschland nicht wirklich eine 70-Rockpop-Songwriter-Tradition, oder? Ich meine, ich müsste es ja mitgekriegt haben inzwischen. Ich habe als kleiner Stöpsel ja „Disco“ mit Ilja Richter und die „Hitparade“ mit Dieter Thomas Heck noch im Fernsehen gesehen. Klar, damals wusste ich nicht, was zu welchem Genre gehörte. Ich wusste ja nicht mal, was ein Genre ist. Aber wenn es jemand gab, der die Rolle erfüllte, würde ich das doch inzwischen mitgekriegt haben? 

Es gab Schlager, Schlager, Schlager. Ein Wort, das so bezeichnend ist, dass man es sogar im Schwedischen kennt und verwendet. Für Schlager. Schwedische Schlager. Es gab Typen wie Lindenberg, aber der war ja mehr Rocker. Ton Steine Scherben erst Recht. Aber was gab’s dazwischen? Zwischen Rock und Schlager? Oder: Was deckte sowohl als auch ab?

Ich frage, weil da so eine riesige Lücke zu klaffen scheint, wenn man sich andere Länder anschaut: Die Chansontradition in Frankreich und Belgien, wo Pop und Niveau noch nie als Widerspruch galten. All die englischsprachigen 70s-Meister aus den USA und UK, von Harry Nilsson über Billy Joel bis Fleetwood Mac, das geht ja in die Hunderte! Italien! Was für eine Szene, was für Typen! Lucio Dalla, Celentano, Toto Cotugno, Lucio Battisti, das sind ja Evergreens noch und nöcher! Kann man das hierzulande mit etwas vergleichen? Mit Reinhard Mey doch nicht? Juliane Werdings „Am Tag, als Conny Kramer starb“? Aber auch das war nur eine deutsche Version eines US-Originals.

Und warum überhaupt diese ganze Fragerei? Die tollen Hästpojken sind Schuld.  Review: Hästpojken weiterlesen

Interview: Moaning

Auch wenn ich mich wiederhole: Alleine das kleine Sub Pop-Logo auf einer CD ist immer ein Grund, hinzuhören. Wen hat das langlebige Grunge-Kultlabel da jetzt wieder gesignt? Moaning, ein junges Trio aus LA, das einen zwischen Post-Punk und Grungepop seine Klangheimat gefunden hat. Gestern erschien ihr Debütalbum. Moaning-Sänger Sean Solomon hat mir ein email-Interview beantwortet.

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Review: Lowtide

Lowtide – „Southern Mind“

Ich beginne eben – mal wieder – mit einem kurzen Abriss der bisherigen Shoegazing-Historie. Die späten 80s, frühen 90s, brachten bekanntlich eine ganze Welle der UK-Bands, die mit Feedback und Noise hypnotische Effekte erzeugten. Los ging’s mit The Jesus and Mary Chain, das entwickelte sich über MBV zu Ride, Chapterhouse, Swervedriver, The Boo Radleys, Pale Saints, Lush, Moose etc. Picken wir uns als Musterbeispiel Slowdive. Wenn andere Bands aus Feedback „Klanggewitter“ schufen, dann untermalten die fünf aus Oxford den Morgennebel, durch den die ersten Sonnenstrahlen brechen. Wolkige Schwaden aus Gitarren und süßer Schimmer. Morningrise.

Parallel aber entwickelte sich auf der anderen Seite des Atlantik der Grunge. Als Nirvanas „Nevermind“ mit seinem schroffen Expressionismus explodierte, sahen die schüchternen englischen abstrakten Klangmaler daneben plötzlich wischi-waschi und zahnlos aus. Als nicht lange danach auch noch der Britpop kam, wurden die Überlebenden vollends verdrängt. Slowdive versuchten damals die Flucht nach vorne in den Ambient-Minimalismus – es half nichts. Ihr drittes Album „Pygmalion“ wurde nicht mal mehr wahrgenommen. Mann, waren Slowdive 1995 out! Wenn ihnen damals jemand erzählt hätte, dass sie eines Tages als gefeierte Pioniere zurück kommen würden, dass ihr Reunion-Album als eine der besten Platten des Jahres 2017 bejubelt werden würde – sie hätten nur laut gelacht. Ja klar. Review: Lowtide weiterlesen

Review: The Cribs

The Cribs – „24-7 Rockstar Shit“

Das letzte Mal, dass ich einen der Cribs interviewte, war zur „In The Belly Of The Brazen Bull“, denn zu dem Zeitpunkt hatten die drei in Deutschland noch ein Label, dass sich auch ein bisschen um sie kümmerte. Ryan Jarman erzählte happy von der USA-Tour seiner Band. Die drei Brüder waren wieder im Kleinbus unterwegs, lösten sich als Fahrer ab – genau so, wie es sich seiner Meinung nach gehörte. Die riesigen Hallen in England, in denen sie gelandet waren nach ihren Hitalben, der Majorlabel-Deal – mit diesen Dingen fremdelte er. Auch wenn Ryan jahrelang mit blutiger Lippe für NME-Schlagzeilen sorgte, wusste er doch, dass seine Band da eigentlich nicht hin gehörte. Seine Lieblingsbands, das waren die, die mit Punk-Ethos für eine Handvoll eingeweihter Fans durch die Undergroundclubs tourten. Idealisten, für die Verkaufszahlen und Chartpositionen keine Rolle spielten.

Ich will nicht sagen, dass The Cribs jetzt absichtlich ihre Karriere sabotieren, um sich zu einer solchen Fans-only-Band runter zu schrumpfen. Aber es ist ein Prozess, der stattfindet und gegen den sie offensichtlich nicht ankämpfen. Wer auf ihrem neuen Album jedenfalls ein neues „Man’s Needs“ sucht, wird’s nicht finden.

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Review: Wavves

Wavves – „You’re Welcome“

Alben haben ja immer irgendwie eine Geschichte und die Geschichte, die am letzten Wavves-Album „V“ (2015) dran hing, das war der Streit zwischen Nathan Williams (dem Kopf, Frontfigur, Macher, Denker der Kalifornier, die zwar nominell ein Quartett sind, aber faktisch letztlich Williams +3) und seinem Majorlabel Warner Music. Da gab’s ein großes Hin und Her: Nathan stellte Songs auf Soundcloud, Warner sperrte sie wieder, drohte gar mit einer Klage. Nathan wollte ein Albumcover, die Warner wollte ein anderes, Nathan stellte seins ins Netz, um vollendete Tatsachen zu schaffen und schrieb wütende Tiraden nach dem Motto: „Die Sesselfurzer, die in mir nur ein Dollarzeichen sehen, peilen eh nicht, was ich mache!“ Das sechste Album „You’re Welcome“ erscheint konsequenterweise auf Nathans Eigenlabel und er schickt sinngemäß voraus: „So wie die Warner mein letztes Album in den Sand gesetzt hat, kriege ich das ja sogar komplett alleine besser hin.“

Jetzt könnte man sich fragen, warum überhaupt je ein Majorlabel glauben konnte, für eine so gerne Streit suchende Band die richtige Heimat zu sein. Schon die frühen Alben der Wavves lebten schließlich davon, dass sie ihre Songs mit einer gewissen Wurschtigkeit und spürbarer Verachtung hinrotzten. Das war von Anfang an erklärt ihr Ding: Extraknackige Noisepop-Songs einerseits – aber mit latent aggressiver Slacker-Attitude andererseits. Zerzaust, um elf Uhr früh schon betrunken, geht-mir-nicht-auf-die-Eier, Stinkefinger-Musik. Review: Wavves weiterlesen

Review: Sturgill Simpson

sturgill-simpson-a-sailors-guide-to-earth-002Sturgill Simpson – „A Sailor’s Guide To Earth“

Als ich Sturgill Simpson, diesen traditionsbewussten Ultra-Freigeist des Country, im September 2014 zum Interview traf, da hatte er seine Pläne für die Zukunft schon klar vor sich: „Ich habe drei neue Platten (fertig geschrieben), die wir machen könnten. […] Es geht jetzt ums Timing und dann um das bestmögliche Ausführen dieser Vorstellungen.“ Sturgill sagte auch: „All meine Lieblingsalben, als ich groß wurde, das waren die Art Alben, zu denen man Konzeptalbum oder Song Cycle sagen würde. Platten wie ‚Pet Sounds’ oder ‚What’s Going On’, oder all die 70s-Platten von Willie Nelson, die alle thematisch sehr zusammenhängend waren.“

Teil 1 seiner Ankündigung hat Sturgill mit „A Sailor’s Guide To Earth“ nicht eingelöst. Sein drittes Album ist keiner der angesprochenen drei quasi fertig geschriebenen Liederzirkel. Vielmehr hat er fast alle Songs in einer kurzen Phase im letzten März neu verfasst. Da gab es ein Zeitfenster von wenigen Wochen, in dem er keine Shows im Kalender hatte. Was ihm erlaubte, ins Studio zu gehen und seiner neuen Plattenfirma (nach zwei eigenfinanzierten Alben ist Sturgill nun bei der großen Atlantic = warner gelandet) sein erstes Werk nach dem kommerziellen Durchbruch zu liefern.

Teil 2 seiner Ankündigung hat Sturgill wahr gemacht: „A Sailor’s Guide To Earth“ (komischer Name für eine Country-Platte, was? Schließen sich Country und Meer nicht aus? Aber dazu später…) ist ein Konzeptalbum, durch das sich ein roter Faden zieht. In diesem Fall ist es eher ein roter Balken: Simpson hat dieses Album für seinen kleinen Sohn geschrieben.

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Sag mir wo die Bloom sind

So. Ein paar Tage später hat auch die deutsche warner nachgezogen und das Video zu „In Bloom“ auf youtube zugänglich gemacht. Wobei es sich um die zweite Vorab-Single von alt./neo-Country-Supergott Sturgill Simpsons drittem Album „A Sailor’s Guide To Earth“ handelt, das am 15.4. erscheint.

Ich war dieses Jahr auf den zwei deutschen Konzerten in Hamburg und Berlin, die Simpson solo spielte. In Hamburg erwähnte er, dass man ihm eine halbe Million Dollar geboten habe, um einen seiner Songs in einer Werbung verwenden zu dürfen. Sturgill und seine Frau diskutierten darüber, denn, so Sturgill: „Das Geld würde gleich fünf Kindern das College finanzieren.“ Aber sie einigten sich schließlich darauf, abzulehnen. „Du willst nicht als der Toyota-Typ* bekannt werden“ stimmte auch seine Ehefrau zu.

Es könnte einerseits ein Geniestreich sein, dass Sturgill fürs neue Album Nirvanas „In Boom“ covert und sich den Song so zueigen macht, dass man ihn kaum wieder erkennt. Das wird für viele hochgezogene Augenbrauen sorgen. Andererseits: Setzt Sturgill sich damit nicht der Gefahr aus, unter seinen Country-Kollegen nun der „Nirvana-Cover-Typ“ zu sein?

„A Sailor’s Guide To Earth“ ist ein starkes Album, das einmal mehr Neuland betritt und ein riesiges Klangfeld abdeckt. Es ist brillant und speziell genug, um Sturgill auf lange Sicht vor dem Schicksal, der „Nirvana-Cover-Typ“ zu sein, zu bewahren. Nichtsdestotrotz, vorerst wird „In Bloom“ im Zentrum der Konversation über das Album stehen. Nicht einer der Songs, die Sturgill selber schrieb. Was ich irgendwie schade finde. Oh well. Trotzdem natürlich eine hochinteressante Version.

‚* Sturgill sagte nicht, um welche Automarke es sich handelte. Aber hier „der Soundso-Typ“ zu schreiben und das lang und breit zu erklären, wäre doof gewesen. Also habe ich mal eine Automarke gepickt.

Leaders of the Freazy World

Jetzt glaube ich langsam, Wolf Alice sind gar keine aktuelle Band – die Briten fielen nur in ein Zeitloch. In Wirklichkeit stammen sie aus dem Jahr 1993. Aus einer Indie-Welt, in der der Britpop nie stattgefunden hat und die Smashing Pumpkins immer noch der Goldstandard in Sachen Sound sind. Der jüngste Beweis: Das Video zu „Freazy“, der aktuellen Single aus ihrem wirklich prima Album „My Love Is Cool“.

„Freazy“ parodiert in bonbonbunten Schlaraffenlandfarben die Art Heile-Welt-Videos, die uns in bonbonbunten Schlaraffenlandfarben vormachen will, dass alles toll ist und wir glücklich sind. Denn obwohl Wolf Alice überzogen in die Kamera grinsen, wird sich zeigen: Uuh, diese Welt ist gruselig und psychedelisch verzerrt!

Das ist SO KRASS 90’s!! Schon damals gab’s bereits mehr Heile-Welt-Parodie-Videos, als es überhaupt bunte Heile-Welt-Pop-Videos gab. „Black Hole Sun“ von Soundgarden wäre ein Musterbeispiel für ein „die-grinsen-aber-es-ist-fake!“-Video, auch Nirvanas „Heart Shaped Box“ setzt knallige Farben als Anti-Effekt ein. Außerdem: Nie sah Wolf Alice – Sängerin Ellie Rowsell Tanya Donelly von Belly ähnlicher als in diesem Clip.

Abgesehen davon ist „Freazy“ in der Tat einer meiner Lieblingssongs des Jahres.

Wer seid das, Indie?

Nicht nur Interviews sind verloren gegangen, als letztes Jahr mein alter Blog vom Netz ging. Anfang 2014 schrieb ich zum Beispiel einen Aufsatz zum Indie-DJ-Dasein an sich. Eine Art Manifest meines Indie-Glaubens. Ich bin wieder auf diesen Text gestoßen und finde, der gilt auch im Spätsommer 2015. Nicht zuletzt, weil ich – so sieht’s jedenfalls aus – wohl bald wieder hinters DJ-Pult zurück kehre, macht es auch Sinn, noch mal meine Indie-Definition zu umreißen.

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Im Jahr 2014* noch Indie-DJ zu sein und sich auch als Indie zu definieren – was bringt das noch?

Hier eine Antwort. Meine.

Eklektizismus wird heute überall groß geschrieben. Einen bestimmten Sound zu picken und sich darauf zu konzentrieren, gilt als kleingeistig. Erst neulich wieder schrieb eine meiner aktuellen Lieblingsbands, Alpine nämlich, auf facebook, ohne erkennbaren Anlass: „Never restrict yourself to one genre of music“. Damit haben sie unbestritten Recht. Engstirnigkeit, Verbohrtheit, können nie was Gutes bedeuten.

Trotzdem hat mich das mal wieder zum Nachdenken gebracht. Denn es gibt ja auch eine Kehrseite des Ganzen. Wer seid das, Indie? weiterlesen

Interview: Strange Wilds

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Wie jetzt? Der Henning interviewt eine Band aus härteren Schublade? Da wunderte sich sogar der Kollege von der Plattenfirma. Aber hey, auch ich wurde mit Grunge groß und Sub Pop hat ein neues Trio aus Olympia, Washington unter Vertrag genommen. Das letzte Mal, als das passierte, da ging bald so einiges. Das ist zumindest eine ordentliche Gesprächsgrundlage für ein Telefonat mit Sänger Steven von den Strange Wilds.

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