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D.C. Rascals

Am 31. Juli kommt das zweite Album der famosen Fontaines D.C.! Als Fuzzi aus der erweiterten Musikindustrie, der das gute Stück namens „A Hero’s Death“ schon hören konnte, muss ich erstens vorwarnen und kann zweitens gleich wieder Entwarnung geben.

Das neue Album ist in sehr viel matteren, dezenteren Tönen gehalten als das Debüt. Fast möchte man sagen, es ist trist. Wer sich in die Band verliebte, weil „Chequeless Reckless“, „Liberty Belle“ oder „Too Real“ so schön kraftvoll zubissen, der wird beim ersten Hören wenig begeistert bis beinahe enttäuscht sein.

Aber zum Glück gibt es mehr als ein erstes Hören. Das Album ist ein Grower, dem man die Chance geben muss, sich zu entfalten. Nach ein paar Durchläufen machen die graue Atmosphäre und die langsameren Lieder total Sinn. Trust Me. Die zweite Vorab-Single „I Don’t Belong“ zeigt ziemlich genau an, wohin die Reise geht.

Hunter High And Low

Wann und warum habe ich den Youtube-Kanal von Johnny Hunter abonniert? Wer ist das? Na, jedenfalls war es keine falsche Entscheidung.

Googlen wir’s noch mal: Johnny Hunter sind Nick Hutt (vocals), Ben Wilson (guitar), Xander Burgess (guitar), Nick Cerone (bass) und Gerry Thompson (drums) aus Sydney. Sie orientieren sich an 80s-Undergroundbands und nennen Joy Division, The Smiths, The Stone Roses, Siouxie, Sonic Youth und The Church als Einflüsse. Ihre neue Single „Pain & Joy“ ist sehr 80s-rockig, ich muss da durchaus an Billy Idol denken, aber die Stimme ist dann doch mehr gothy. Jedenfalls, ich sage: Das hat was.

Review: Fontaines D.C.

Fontaines D.C. – „Dogrel“

Ich sag’s euch gleich: Wenn ich am Ende dieses Textes Punkte vergebe, dann kriegen Fontaines D.C. – zum ersten Mal auf diesem Blog – die Höchstnote 10. Denn warum sollte man zehn Punkte überhaupt anbieten, wenn man sie nicht alle Jubeljahre doch mal jemandem gibt? Wenn echt ein Album erscheint, das vom ersten bis zum letzten Ton einfach nicht besser hätte gemacht werden können, dann muss man auch mal sagen: Wow! Und mir fällt nichts ein, nichts, womit man „Dogrel“ noch perfekter hinkriegen könnte.  

Es ist ja nicht so, dass wir nicht vorgewarnt worden wären. Letztes Jahr haben die fünf Iren vier Singles á zwei Songs veröffentlicht. Acht Lieder also, die ein jedes für sich schon großartig waren. Die Songs waren zappelig nervös („Too Real“), frech („Liberty Belle“) oder stinkig („Chequeless Reckless“). Sie hatten Druck, sie packten dich am Kragen – aber sie waren nicht: aggressiv. 

Die Wut von Fontaines D.C., das ist eine sehr artikulierte Wut, eine nahezu poetische Wut. Ihre Texte lesen sich wie Gedichte von ganz schön fixen Kerlchen. Klar, so ehrlich muss ich sein: „Poetisch“ hätte ich’s vermutlich nicht genannt, wenn ich nicht wüsste, dass die fünf Mitglieder der Fontaines D.C. tatsächlich ursprünglich mal als Dichter angefangen hätten. Dass sie kleine Lesungen veranstalteten und ihre Poesie in Fibeln in Dublins Buchläden auslegten, bevor sie Instrumente in die Hand nahmen. 

Es macht so viel Sinn, das zu lesen! Dies ist spürbar eine Denker-Band. Zum Punkrock kamen sie über den Umweg der Dichtung. Der Radau reinsägender Gitarren, die Dynamik rollender Basslines  und gedroschener Drums dient ihnen zum Zweck, den Ausdruck ihrer lyrischen Inhalte zu verkörpern und zu verstärken. Fontaines D.C. brüllen nicht, ihre Waffe ist nicht der Holzhammer. Sondern das Skalpell. Sie schneiden gezielt, sie schneiden präzise.

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Review: Interpol

Interpol – „Marauder“

Oh je. Ich muss was gestehen. Bitte verurteilt mich nicht dafür. Bitte werft mich nicht aus eurem Freundeskreis. Ich weiss, viele werden mich dafür verachten. 

Aber – Achtung: Ich fand Interpol zuletzt ganz schön mies.
Puh, jetzt ist es raus.

Für manche Leute, die ich kenne, hat diese Band den Status von unantastbaren Göttern. Kein schlechtes Wort darf über sie fallen. Mich haben die aber zuletzt so unfassbar kalt gelassen!

Also, natürlich, sie haben stark angefangen, da gibt es von mir keine Widerrede. Ich gehörte auch nie zu denen, die Interpol von Anfang an als Joy Division-Kopisten abtaten. Solche Total-Verweigerer gab’s ja schon seit 2002, als sie mit „Turn On The Bright Lights“ durchstarteten.
Meine Meinung dazu: Sicher gibt’s unzweifelhaft Parallelen zwischen Sheffields Pionieren und den New Yorker Nachfolgern. Die schneidende Stimme, die sich Ian Curtis und Paul Banks teilen und ihr entsprechend weniger auf Melodien als auf Durchdringlichkeit setzender Gesang. Die monoton-zackigen Gitarrenfiguren. Die Basslines, die auffällig den Achteln folgen und dann umso auffälliger nicht. Vor allem natürlich: Die kühle, bedrückende Atmosphäre. Die aufgekratzte, nervöse Spannung, die beide Bands in Gitarrenmusik übersetzen. Man muss schon taub sein, um diese Verwandtschaft nicht zu hören – aber dennoch, für mich sind Interpol ein Update und keine Kopie. Die Unrast, die Ian Curtis 1981 in Sheffield spürte, ist eine ähnliche, die Paul Banks 2002 in New York spürte, und darauf basiert für mich die geistige und musikalische Nähe.

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Review: Hästpojken

Hästpöjken – „Hästpojken är död“

Ernst gemeinte Frage: Wir haben hier in Deutschland nicht wirklich eine 70-Rockpop-Songwriter-Tradition, oder? Ich meine, ich müsste es ja mitgekriegt haben inzwischen. Ich habe als kleiner Stöpsel ja „Disco“ mit Ilja Richter und die „Hitparade“ mit Dieter Thomas Heck noch im Fernsehen gesehen. Klar, damals wusste ich nicht, was zu welchem Genre gehörte. Ich wusste ja nicht mal, was ein Genre ist. Aber wenn es jemand gab, der die Rolle erfüllte, würde ich das doch inzwischen mitgekriegt haben? 

Es gab Schlager, Schlager, Schlager. Ein Wort, das so bezeichnend ist, dass man es sogar im Schwedischen kennt und verwendet. Für Schlager. Schwedische Schlager. Es gab Typen wie Lindenberg, aber der war ja mehr Rocker. Ton Steine Scherben erst Recht. Aber was gab’s dazwischen? Zwischen Rock und Schlager? Oder: Was deckte sowohl als auch ab?

Ich frage, weil da so eine riesige Lücke zu klaffen scheint, wenn man sich andere Länder anschaut: Die Chansontradition in Frankreich und Belgien, wo Pop und Niveau noch nie als Widerspruch galten. All die englischsprachigen 70s-Meister aus den USA und UK, von Harry Nilsson über Billy Joel bis Fleetwood Mac, das geht ja in die Hunderte! Italien! Was für eine Szene, was für Typen! Lucio Dalla, Celentano, Toto Cotugno, Lucio Battisti, das sind ja Evergreens noch und nöcher! Kann man das hierzulande mit etwas vergleichen? Mit Reinhard Mey doch nicht? Juliane Werdings „Am Tag, als Conny Kramer starb“? Aber auch das war nur eine deutsche Version eines US-Originals.

Und warum überhaupt diese ganze Fragerei? Die tollen Hästpojken sind Schuld.  Review: Hästpojken weiterlesen

Review: Gold Class

Gold Class – „Drum“

Eine der Eigenschaften, die ich bei Bands nicht schätze: Humorlosigkeit. Es ist ja nicht so, dass ich Künstler will, die witzisch-witzisch-hahaha-Musik machen – aber eine gewisse Selbstdistanz, Verspieltheit und Selbstironie schadet niemandem, finde ich. Bierernstigkeit dagegen kann sehr verkrampfend wirken. Es ist wohl ein Indiz dafür, was Gold Class für eine verdammt gute Band sein müssen, dass ich sie echt großartig finde, obwohl ihnen jegliche Leichtigkeit und jeder Witz abgeht.

Wenn Adam Curley lesen würde, dass ich ausgerechnet die Leichtfüßigkeit und das Grinsen beim zweiten Album seiner Band vermisse, würde er sich wahrscheinlich wortlos umdrehen und gehen. Dies sind Dinge, die in der Welt des Sängers und Texters von Gold Class nicht vorkommen. Dieser junge Mann hat Pommes auf seiner Schulter, um eine englische Redewendung absichtlich falsch zu übersetzen. Mehr als das – Curley trägt noch viel schwereres Gewicht auf seinem Rücken.

Zitieren wir ausnahmsweise den Pressezettel: “The week we started to write Drum, my relationship ended and I was left alone in a draughty old house, which belonged to a friend of a friend. In the house, I sat around with my notebook, the quiet hours cut with news from friends and the TV: the suicides of musicians and writers I’d known and queer kids I hadn’t; the systematic abuse of vulnerable people, the constant mockery of anyone on the outs.“

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Class is Permanent

Na da ist ja auch das Video! „Twist In The Dark“, die aktuelle Single von Melbournes Gold Class, begeistert mich sehr und gehört in meine persönliche Top Ten des Jahres 2017. Ihr zweites Album „Drum“ haben die vier nun für den 18. August angekündigt. Ich bin sehr gespannt, denn für mich haben Gold Class das Potential, zu Australiens Joy Division/Interpol-Pendent zu werden.

Ein bisschen enttäuscht bin ich vom Video. Für mich hat der Song eine extreme innere Spannung – in meiner Küche zwingt er mich immer, in einem Ian Curtis-esken Tanzstil mit zackigen Bewegungen mit zu zucken. Deswegen hätte ich die Band jetzt weniger statisch erwartet. Aber gut. Der Song bleibt Wahnsinn.

Interview: Elbow

elbow-header

… und wieder mal lasse ich als „Journalist“ (Hüstel!) alle Neutralität vergessen. Menschenskind, was ist Guy Garvey für ein guter Typ! Das neue Elbow-Album „Little Fictions“ ist seit Freitag draußen – könnte es irgendwas anderes sein als schwelgerisch, eindrucksvoll, zart und vielschichtig, wärmende, kribbelnde Salbe für ein gequältes Ohr? Ich hatte die große Freude, Guy Garvey mal wieder am Telefon zu haben: Ein Gespräch über die neue Platte und die großen und die kleinen Dinge, die uns umtreiben… Interview: Elbow weiterlesen

Gold Skool

Bevor ich was zur neuen Gold Class Single sage:
Freitag habe ich mir im Ampere Wolf Alice angeschaut – und was mich an deren Konzert am meisten geflasht hat, war die Zeitreise ins Jahr 1993. Wolf Alice klangen, als hätten all die Jahre seitdem nicht stattgefunden. Null Britpop-Einfluss, keine Post-Strokes-Garagigkeit, nix da Indie Landfill, New Rave oder Bumm-Tschack-Indie – alles weit, weit weg. Wolf Alice klangen und benahmen sich wie eine Band, die mitten im Post-Grunge direkt auf die Smashing Pumpkins, Breeders, Belly, Throwing Muses oder Dinosaur Jr antwortet – und irgendwie machte das ihr Konzert wieder unglaublich frisch. Ich habe einfach ewig nicht mehr gehört, dass eine Band nicht auf mitpfeifbare Refrains setzt und statt dessen ihre Songs so strukturiert, dass sie voller Brüche stecken. Großartiger Gitarrist auch.

Schön und gut – aber was hat das alles mit Gold Class aus Melbourne zu tun?

Folgendes: Auch diese Band klingt für mich, als ob sie zahllose Entwicklungen des Indie aus den letzten 25 Jahren ignoriert. Will sagen: Wenn ich ihre Dynamik, ihre Basslines und die dystopische Atmosphäre ihrer Sounds mit Joy Division vergleiche, dann meine ich tatsächlich Joy Division – und nicht Interpol, die Editors oder City Calm Down.
Gold Class‘ Gitarren wiederum kreischen und sägen ins Ohr, wie es die von Joey Santiago zu „Come On Pilgrim“-Zeiten taten – und irgendwo muss es auch herkommen, dass ich bei ihnen an Fugazis 1991’er Album „In On The Kill Taker“ denken muss – dabei habe ich diese CD seit jener Saison wohl nie mehr aus dem Sammlung gekramt.
Jedenfalls: Wie bei Wolf Alice habe ich bei Gold Class das Bedürfnis, sie mit Bands aus den 80ern/ganz frühen 90ern zu vergleichen und was Späteres fällt mir dazu gar nicht erst ein. (Na okay – Eagulls.)

So. Nach ihrem prima Album „It’s You“ aus dem September gibt’s eine neue Gold Class-Single namens „Kids On Fire“. Spannend, dass es Bands gibt, die noch/wieder so klingen.