Gestern habe ich mit meinem Countdown angefangen. Es geht, wie jedes Jahr, um meine Lieblingsalben des Jahres, in diesem Fall also 2020. Ich betone mal eben: Es geht hier nur um meinen ganz eigenen Geschmack. Und der ist sehr festgefahren auf das, was man im Plattenladen im Indie-Fach finden könnte. Je nachdem, wie dort sortiert wird. Da ist ja jeder Laden und jeder Mitarbeiter anders drauf.
Tja, ich hab’s ja schon erwähnt. Ich habe neue Hobbies und das bedeutet, das Bloggen ist zur Zeit für mich keine Prio. Das kann sich wieder ändern, vielleicht auch nicht. Anyway, es bedeutet, dass ich, wenn ich mal wieder einen Post verfasse, die Videos aus den letzten Tagen sammle, die mir aufgefallen sind. In diesem Fall sind fast zwei Wochen seit meinem letzten Beitrag vergangen. Gut möglich, dass die Clips für euch jetzt uralt sind. Egal.
Aber fangen wir doch mal an. Mit Inhaler. Das irische Quartett wird bekanntlich angeführt von Eli Hewson. Er ist der Sohn von Bono himself – damit ist entschuldigt, dass er ihm so ähnlich klingt. Ansonsten sind Inhaler eine snazzy crunchy Indie-Guitar Band, sehr schick anzuschauen. Also ich sage: Wenn sich jetzt alle Teenie-Girls in Eli verlieben, wäre das ne gute Sache für die Indie-Welt. Ja, Inhaler sind ein bisschen plakativ, aber grundsätzlich sind sie voll in Ordnung. Man braucht eine Band, die auch ein junges Publikum an Bord holt und die für neue Fans als Einstiegsdroge ins Genre funktionieren kann, so dass die HörerInnen sich dann hoffentlich bald auch für andere Bands interessieren. Die neue Inhaler-Single kickt, ich hoffe, ihr Aufstieg geht weiter.
… und wer über Inhaler zum Indie findet, für den sind The Cribs dann schon eine vintage Band. Interessante News über deren kommendes Album: Eigentlich wollten die drei Jarman-Brüder schon aufhören. Sie hatten sich vom Management getrennt und nur noch mit Zahlen- und Vertragsnerv zu tun. Retter: Dave Grohl. Als er von ihrer Lage erfuhr, lud er sie ein, ein etwaiges neues Album umsonst bei ihm zu Hause im Foo Fighters-Heimstudio aufzunehmen. „Jetzt hatten wir wieder was, worauf wir uns freuen konnten!“ wird Ryan Jarman zitiert. The Cribs standen die Krise durch, besuchten die Foos, nahmen die Platte auf, vertieften die Band-Freundschaft. Das Ergebnis erscheint im November. Hurra!
Wenn The Cribs langsam zu den neuen Klassikern gehören, dann sind Crowded House regelrechte Dinosaurier. Ach, diese Band liebe ich schon seit den 80ern. Ihr Frontmann Neil Finn steht für mich auf einer Stufe mit Paul McCartney und George Harrison, so als Songwriter für die Ewigkeit. Gestern haben Crowded House ihre erste Single seit zehn Jahren geteilt. Mac de Marco spielt die Hauptrolle im Clip.
Neil Finn war natürlich auch großer wichtiger Gast, als im Frühjahr die große australische Lockdown-Musikshow stieg. Ebenfalls dabei: Die DMA’s, sie coverten Crowded Houses „Better Be Home Soon“. Diese Connection soll unser Übergang zum aktuellen DMA’s Video „Round and Round“ sein.
Manchmal finde ich’s ja selbst schade, dass ich zur Zeit die Motivation nicht aufbringe, meine Interviews abzutippen, zu übersetzen und online zu stellen. Inhaler und die DMA’s habe ich dieses Jahr schon gesprochen – und auch Ela Minus. Ein Zoom-Call nach Bogota. Ich bin fast selbst stolz auf meine Artikel-Headline: „Die Synthie-Flüsterin“. Es ist nämlich so, Ela kennt ihre Synthies in- und auswendig, sie entwickelt viele ihrer analogen Geräte selbst, tanzt beim Musikmachen durch einen Wust aus Kabeln, Knöpfchen und Reglern. Ihr Sound: Famoser Elektronik-Pop für, ich sage mal, Fans von The Knife bis Depeche Mode.
Jetzt mal wieder ein Sprung zu was ganz anderem – denn Übergänge sind überbewertet. Wir gehen zu einer Prog/Mathrock-Band. Ich dachte ja immer, das sei ein Sound, den ich nicht mag. Aber tricot aus Kyoto sind und bleiben der Hammer. Ihr taufrisches Album „10“ ist bereits ihr zweites dieses Jahr, die neue Single heißt: 悪戯 (auf englisch: „Mischief“)
Steht ihr mehr auf die frühen Tame Impala von „Innerspeaker“ oder auf die neuen von „The Slow Rush“? Muss man den Unterschied überhaupt machen? Kevin Parker hat „Why Don’t They Talk To Me?“ vom ersten Album im Sound der heutigen Tame Impala neu eingespielt – und es ist brillant, was sonst?
Eins der Alben, das 2020 bei mir ganz vorne in der persönlichen Endabrechnung der Lieblingsplatten stehen wird, ist „Jump Rope Gazers“ von The Beths aus Auckland, bekanntlich der Hauptstadt von Aotearoa. Hier haben sie zum Song „Mars, The God of War“ ein Spy-Thriller-Video gedreht.
Immer schön: Das US/UK-Duo Still Corners. Im Januar kommt das neue Album der Nu-Romantic-Gazer. Ein Genre, das ich soeben für sie erfunden habe. Weil’s stimmt. Vorab die Single „Crying“.
Was machen eigentlich Real Lies heute so? Die gibt’s noch. Klingen die Londoner immer noch so typisch britisch, wie die Schnittmenge zwischen The Streets, Hard-Fi, New Order und The Specials? Let’s find out! Hier ist ihre neue Single „Birds“.
Oha. Eine Reunion, von der ich gar nix mitbekommen habe!
Dabei waren That Dog eine meiner Lieblingsbands der 90s!
Als Fan dieser Band stand ich allerdings recht alleine auf weiter Flur. Ich habe nie jemand gefunden, der genauso begeistert war. Auch in den USA, wo die Band kleine Erfolge feierte, betrachtete man sie immer auch mit einem gewissen Argwohn.
Denn Sängerin Anna Waronker ist die Tochter von Lenny Waronker, dem langjährigen Boss von Warner Bros und von Dreamworks. Cheffiger geht’s nicht in der Musikindustrie. Also unterstellte man Anna immer, dass ihre Band ohne Nepotismus keinen Plattenvertrag gekriegt hätte. (Ihr Bruder Joey Waronker, gefragter Studio-Drummer und Live-Mitglied u.a. von Beck, REM und Atoms For Peace, musste sich mit sowas nie herum schlagen.)
Auch ihre Bandmitglieder Petra und Tanya Haden hatten als Töchter von Jazz-Größe Charlie Haden Verbindungen ins Musikbiz.
Nun gut, das wusste ich nicht, als ich That Dog erstmals hörte. Ich fand einfach nur super, wie diese Ladies schmirgeligen Breeders-Indie mit lieblichen dreistimmigen Gesangsharmonien und Geigen kontrastierten. Drei prima Alben machten That Dog zwischen ’93 und ’97. Ein Mal sah ich sie live, da supporteten sie die Foo Fighters im Flughafen Riem. Das muss zum ersten Foos-Album gewesen sein?
Nun gut. Zu meiner großen Überraschung stoße ich heute auf ein neues That Dog-Video. Aha: Eine der Haden-Schwestern (Geigerin Petra) ist nicht mehr dabei. Damit fehlt natürlich was: Die Harmonien sind nur noch zweistimmig, die Gitarren dominieren.
Übrigens: Die Haden-Schwestern sind Drillinge. Die Dritte im Bunde, Tanya Haden, spielt Cello und war natürlich auch immer mal mit That Dog im Studio. Außerdem ist sie mit Jack Black verheiratet – kein Wunder also, dass er im Video auftritt. Einen Bruder haben sie auch noch: Charlie Haden von der prima Band Spain.
Novak und J-H haben sich ziemlich den Kopf zermartert übers zweite Album. Denn die Vorzeichen für die Neue sind ganz andere als beim Debüt.
Kennen gelernt haben wir David Novak und John-Henry Pacak als wild-lustiges Haudrauf-Duo. Als Polish Club loslegten, bevor sie Plattenverträge unterschrieben, in den Playlists der australischen Radios auftauchten und dann in den dortigen Charts, da war das ganze Projekt einfach nur etwas, das den beiden Spaß machen sollte. Novak sang so laut er konnte, J-H drosch ebenso in die Trommeln, die Songs waren kurze Garagen-Soulrockstücke. Eigentlich nicht hip – die letzten Erfolge der Hives und der White Stripes liegen ja doch länger zurück. Aber es kam an, down under. Als nach mehreren Singles die Zeit fürs erste Album „Alright Already“ kam, da ging es in australischen Top Ten.
Ich habe Polish Club letztes Jahr gesprochen, als sie auf einer ersten Deutschlandtour waren (im Vorprogramm von ABAY und Razz). Da sprachen wir schon übers kommende Album, an dem sie zu Hause längst arbeiteten. Man merkte, dass die beiden sich so ihre Gedanken machten. Vielleicht zu viele. Der unerwartete Erfolg hatte sie in einen Konflikt gebracht.
Auf der einen Seite die Argumente der Weiterentwicklung: „Man will sich nicht wiederholen. Man will keine dieser Bands sein, die immer die gleiche Platte macht“ sagten Novak und J-H sinngemäß.
Auf der anderen Seite: „Man darf dabei nicht zu weit gehen. Man darf die Fans, die man ja durch einen bestimmten Sound gewonnen hat, nicht vor den Kopf stoßen, indem man alles über den Haufen wirft. Man darf die eigenen Stärken nicht aus den Augen verlieren.“ Review: Polish Club weiterlesen →
Zuerst mal: Was für ein cleverer Albumtitel! „As You Were“ stammt aus der militärischen Sprache. Mit dieser Order ruft man den jeweils letzten zuvor gegebenen Befehl zurück. Es bedeutet also „Kommando zurück!“ – aber, damit das nicht missverstanden wird, nicht im Sinne von „Zurückziehen!“. Sondern im Sinne von „Zurück in die letzte Position!“ oder „Wieder so weitermachen wie davor!“
Längst hat der Ausdruck seinen Weg auch in den informellen Sprachgebrauch gefunden. Wenn man „as you were“ beiläufig verwendet, ist das salopp formuliert und bedeutet quasi „so wie immer halt“, „so wie du’s kennst“, „so ist es doch“ oder „so gehört sich’s“.
Liam Gallaghers Ausritt mit Beady Eye war nicht erfolgreich. Warum, steht auf einem anderen Blatt. Aber es gibt eine Message, die muss er all seinen verlorenen Oasis-Fans unbedingt rüberbringen. Sie lautet: „Staub abklopfen, weiter im Programm. Was zuletzt passiert ist, ist egal!“ Das Ganze sollte auch noch in möglichst Liam-esken Ton gesagt werden, also leicht patzig. „As You Were“. Perfekt. Subtext: Diese Platte ist erstens das, was Oasis-Fans von mir hören wollen und ich bin zweitens immer noch unverbesserlich.
Das ist zumindest die Aussage, die Liams Plattenfirma unbedingt an den Mann bringen will. Nach dem Reinfall mit Beady Eye (so muss man es sehen, die Platten verkauften offenbar nur ein Zehntel der späten Oasis-Alben) wird „As You Were“ als Liams letzte Chance gesehen. Er selbst hat das in Interviews bestätigt (bzw., dass das Label ihm das eingebläut hat). So erleben wir ihn, wie er diesem Schicksal die Stirn bietet, kampfbereit. Wie er allen noch mal zeigt, dass Bruder Noel (dessen Soloalben ja schon ein bisschen routiniert und stellenweise einschläfernd waren) vielleicht der Kopf von Oasis gewesen sein mag, er aber die Seele. Das zumindest ist die Darstellung, wie die Plattenfirma sie pusht.
Sommerloch, Sommerloch, Popommerloch. Sorry, in diesen Tagen gibt’s hier nur wenige Updates – aber es erscheint halt auch verdammt wenig. Umso mehr ist los auf den Festivals der Welt, und dieses Wochenende steht auf der Insel natürlich komplett im Zeichen von Glastonbury. Die BBC hat schon einige sehenswerte Clips onlne gestellt.
Wolf Alice zum Beispiel, auf einer Nebenbühne, Freitag Nachmittag. Es regnet, aber noch ist Glasto zu diesem Zeitpunkt nicht zur Schlammschlacht verkommen.
Florence + the Machine hatten die Aufgabe, den Headline-Slot der Foo Fighters zu übernehmen, die wegen Dave Grohls Beinbruch absagen mussten. Kein Job, um den man sie beneidet – da kann man auch zur Zielscheibe der Enttäuschung der Foo-Fans werden. Aber den Berichten nach haben Flo & Co die Gelegenheit beim Schopf gepackt, eine starke Performance hingelegt und die Leute auf ihre Seite gezogen.
Als Überraschungsgast für die abwesenden Foos gab’s The Libertines. Es heisst, sie hätten ein eher halbgares Set hingelegt und die Chance, sich vor ihrem Comeback-Album bei allen mit Vollgas zurück zu melden, verpasst.
Im Zelt: Circa Waves.. Ich bin nicht unbedingt ein Fan ihres Standard-Indiepops, sie spielen den Sound ziemlich safe – andererseits, es funktioniert ja und es kann durchaus seine Wirkung entfalten. Siehe:
Indiekram. Mehr oder weniger. Interviews, Reviews, Playlists, Commentary.