Fast ist’s geschafft! Wir sind bereits in den Top Ten meines Countdowns angelangt. Wer hat meine persönlichen Lieblingsalben des Jahres 2020 geschaffen? Heute: Platz 10-6
10. Josh Pyke – „Rome“
Tja, was soll ich noch groß sagen zu Josh Pyke? Der gute Mann ist einer meiner absoluten Lieblings-Songwriter. Nicht, weil er etwas superspezielles macht. Einfach nur, weil er tolle Songs schreibt: Seine Texte haben was Poetisches, ohne je naff zu werden. Seine Akkordfolgen weichen gerne vom ausgelutschten Schema ab, aber sind sich auch nicht zu fein, im richtigen Moment auch mal in die effektivste Spur zu wechseln. Seine Lieder sind nachdenklich, freundlich, bedächtig, sie sind oft insgesamt einfach nichts anderes als wundervoll. Zuhause in Australien ist Josh auch verdientermaßen eine feste Größe – groß genug jedenfalls, dass er auch mal Orchester im Rücken im berühmten Opernhaus von Sydney spielen darf.
Wie es sich für einen ordentlichen sensiblen Songwriter gehört, reiten Josh Pyke auch mal die Selbstzweifel. Fünf Jahre liegen zwischen seinem letztem Album „But For All The Shrinking Hearts“ und „Rome“, denn der „Writer’s Block“, die Schreibblockade, hatte den Sänger an der Gurgel.
Zum Glück hat der Krampf sich gelöst – und wenn man’s nicht wüsste, man würde auf „Rome“ nichts davon merken. Denn Josh macht hier nichts anderes, als er auf, sagen wir, „Only Sparrows“ (2011) oder „Chimney’s Afire“ (2008) bzw. seinen anderen Platten gemacht hat. Und das bedeutet: Er schreibt wundervolle Songs.
9. Colter Wall – „Western Swing & Waltzes and Other Punchy Songs“
Man hat ja schon länger über Colter Wall gestaunt. So: „Echt? DIESE grabestiefe Grummelstimme gehört einem Typen Anfang 20?“ Man konnte es gar nicht fassen, dass so ein junger Sänger einen so authentischen Country auftischte – erst recht, wenn man erfuhr, dass Colters Dad der Gouverneur vom kanadischen Bundesstaat Saskatchewan war.
Auf seinem 2020er-Album lernen wir eine neue Seite von Colter Wall kennen. Inzwischen hat er eine Band um sich geschart, die ihn an Fiddle, Akustikgitarre, Mundharmonika etc begleitet. Man darf unterstreichen: Dies ist keine Rockband. Alles bleibt streng akustisch, selbst die Drums werden bevorzugt mit dem Pinsel gestreichelt. Na jedenfalls: Das Ergebnis klingt, wie man sich die urigste Country-Band aller Zeiten in seiner Vorstellung immer ausgemalt hat. Man kann diese zehn Songs in keine Ära einordnen. Es könnten unentdeckte Western Swing-Aufnahmen aus den 1940ern sein, es könnte Johnny Cash in den 60s oder 70s mit seiner Band sein, an einem Tag, wo sie einfach nur am Lagerfeuer ohne Publikum für sich spielen.
Das Wichtige dabei ist: Es geht hier nicht um den Kuriositätsfaktor. Nicht darum, dass jemand im Jahr 2020 so gekonnt eine vergangene Ära nachahmt. Es geht darum, dass die Songs, das Zusammenspiel und die Gesangsperformance auf dieser Platte schlicht brillant sind.
8. King Gizzard & The Lizard Wizard – „K.G.“
Die irre Truppe aus Melbourne schafft’s halt immer wieder. Sogar, wenn Stu Mackenzie & Band mal ausnahmsweise ganz bewusst alte Fäden wieder aufgreifen, entsteht was irres Neues.
Was den alten Faden angeht: Wie schon ihr 2017er-Album „Flying Microtonal Banana“ steht die neue Platte unter dem Schwerpunkt „Mikrotonalität“. Die Jungs spielen also nicht auf den üblichen Tonleitern, sondern setzen auf selten gespielte Zwischentöne, was zu sonderlichen Harmonien und Melodiefolgen führt. Dafür besitzt die Band speziell angefertigte Gitarren mit Extra-Bünden.
Manche Medien haben der Band vorgeworfen, sie würde sich hier zum ersten Mal wiederholen. Denn: Auf Mikrotonal-Gitarren hat sie ja schon gespielt. Dieser Vorwurf ist albern. Man müsste ihn ja sonst jeder Band machen, die ihre Platten nicht von Album zu Album neu manipuliert.
Es ist ja nicht so, dass KG&TLW sonst nichts Neues machen. Zum Beispiel experimentieren sie mit pumpenden Tanzbeats, was dann etwas so außerirdisch Famoses wie „Intrasport“ als Ergebnis mit sich bringt. „Honey“ dagegen ist eine wurlige akustische Liebesballade – auch was Neues und komplett Ungewohntes für diese Combo.
7. Laura Marling – „Song For Our Daughter“
Okay, ich bin wieder an der Stelle, wo ich nicht wirklich weiss, was ich noch schreiben soll. Ihr wisst doch Bescheid, oder? Laura Marling ist auch so jemand, wo man IMMER weiss: Was auch erscheint, es wird atemberaubend gut sein, ein Niveau haben, dass man einfach nur baff ist.
Wie könnte es bei ihrem 2020er-Album anders sein?
„Song For Our Daughter“ enthält zehn hinreißende Songs, federleicht arrangiert. Vom Style erinnert’s mich an mein Laura-Marling-Lieblingsalbum „I Speak Because I Can“.
Sorry, ich stehe gerade vorm Berg. Ich lasse die Platte (wie bei jedem der Texte, die ich in dieser Serie schreibe) nebenbei laufen und warte, welche Beschreibungen mir in den Sinn kommen – aber ich schwelge einfach nur. Ich schwelge in der geruhsamen Atmosphäre, den fein austarierten akustischen Tönen und ihrer Schichtung, Lauras Kanarien-Stimme und wie sie Harmonien zaubert.
Schade, dass es gerade nicht schneit. Das würde SO gut zur Musik passen!
6. Rolling Blackouts Coastal Fever – „Sideways To New Italy“
Ein typischer Satz zum zweiten Album von RBCF, den ich von mehreren Leuten gehört habe: „Also – schon prima. Aber irgendwie habe ich mich für die Platte davor einfach mehr begeistern können.“
Okay, das muss ich gelten lassen. Ich habe aber eine Erklärung dafür. Es ist so: Für die meisten Hörer war „Hope Downs“ die erste Begegnung mit den fünf aus Melbourne. Die Überraschung und Freude über diese lässige, hittige Variation eines Sounds, den man kannte und liebte, aber eben SO noch nicht kannte, war immens. Aber dieser Überraschungseffekt kann bei „Sideways…“ nicht noch mal eintreten.
Tatsächlich hält die Zweite sehr wohl den Level des Debüts (das ja auch nur dann ein Debüt war, wenn man die ersten zwei EPs nicht mitzählt). Auf der Stelle treten RBCF nicht, sie haben hier und da leichte Nuancen verstellt, das Ganze hier etwas raffiniert, dort etwas aufgeraut, da ein bisschen abgebremst.
Bei mir ist’s so: Ich LIEBE das, was Rolling Blackouts Coastal Fever machen. Ich liebe ihren Energie-Janglepop, ich liebe ihre drei gemeinsam angreifenden Gitarren, ich liebe ihre überlegten Texte und wie die Sänger sich ablösen, als wollten sie sich widersprechen oder unterstreichen, ich liebe die vorwärts treibende Dynamik ihrer Songs. Dafür müssen sie mich nicht mehr überraschen.
Okay, damit fehlen nur noch Platz 5-1 – und die folgen in Kürze.
Linksammlung:
2020: (30-26) (25-21) (20-16) (15-11)
2019: (30-26) (25-21) (20-16) (15-11) (10-6) (5-1)
2018: (30-26) (25-21) (20-16) (15-11) (10-6) (5-1)
2017: (30-26) (25-21) (20-16) (15-11) (10-6) (5-1)
2016: (30-26) (25-21) (20-16) (15-11) (10-6) (5-1)
2015: (30-21) (20-11) (10-6) (5-1)
2014: (25-21) (20-16) (15 -11) (10-6) (5-1)