Weiter geht’s mit meiner nerdigen Top 30-Liste. Was waren meine Lieblingsalben im Jahr 2019?
Euch interessiert’s! Doch, wirklich!
Runde 2 ist eingeläutet, es geht um Platz 25 – 21.
25. Liam Gallagher – „Why Me? Why Not?“
Man kann immer noch nicht über Liam schreiben, ohne auch über Noel zu schreiben. Noel macht auf abgehoben und behauptet, seine derzeitige Musik (lahm vor sich hin ploddernde Grütze mit schüchtern angedeutetem-Disco-Beat – weil ja noch NIEMAND auf die Idee kam, das „dance element“ in seiner Musik zu entdecken) sei krass abgefahren innovativ. Liam dagegen bediene ja nur tumbe Steinzeitmenschen, die nie aus der Phase rauskamen, in der sie lernten „Whoo-aaa-sis“ zu grölen.
Es stimmt, dass Liam sich zur Aufgabe gemacht hat, den Fans das zu geben, was sie an Oasis geliebt haben. Es stimmt nicht, dass die Songs deswegen grundsätzlich billig, anbiedernd oder vorhersehbar sind.
Ich mag Andrew Wyatt. Andrew hat als Sänger von Miike Snow und Autor von deren Songs schon unter Beweis gestellt, dass er unorthodoxe Lieder schreibt. Liam und Andrew müssen einen guten Draht zueinander gefunden haben, denn nachdem Andrew die besten Beiträge zu „As You Were“ lieferte, haben die zwei fast alle neuen Songs gemeinsam geschrieben.
Das Ergebnis: „Why Me? Why Not“ zielt zwar auf die Oasis-Fans, ist aber schlau genug, zu wissen, dass einfach nur Klischee-Oasis nicht reichen würden. Nein, die Songs sind gespickt mit cleveren Sperenzchen. Man nehme die Halbtonschritte in der Strophe des Titelsongs – haben Oasis nen Song dieser Art? Man achte auf das kleine, schräg geflötete Zwischenspiel in „Halo“ – sicher eine klin Noel-Verarsche? Oder: „Meadow“ – das klaut nicht bei Oasis, sondern bei den Beatles, quasi ein „Strawberry Fields Forever“-Verschnitt mit zusätzlichem George Harrison-Gedächtnissolo
Okay – ein Song war tatsächlich Dreck: Ausgerechnet „Shockwave“, die erste Single. Aber danach wurde „Why Me? Why Not“ besser als erwartet. Auf einem späten Oasis-Album hätten „Once“, „One Of Us“ oder „Alright Now“ jedenfalls als Highlights gegolten.
24. The Yawpers – „Child Of Mercy“
Ich hab’ die Yawpers dieses Jahr im Sunny Red gesehen, das war so ein richtig räudiges, schwitziges Kellerkonzert. Nach so einer Show rutscht auch das Album gleich ein paar Positionen weiter nach oben.
Man kann das Trio aus Denver, wenn man sich’s einfach macht, in die Schule der Black Keys / Alabama Shakes – artigen Radau-Bazong-Bluesrock-Bands einordnen. Nur ist das Ganze bei The Yawpers halt noch ’ne Stufe ungewaschener, noch punkiger. Auch an die ganz frühen Kings Of Leon von „Youth And Young Manhood“ muss ich denken, wenn ich The Yawpers höre – so hätte es für die Followills weiter gehen können, wenn sie statt Welthits die Tollwut gekriegt hätten.
Tja. Mehr kann ich gar nicht dazu sagen. Das ist halt dirty Retro-Blues-Swamp-Rock. Sowas kennt man. Aber so gut muss es halt trotzdem erst mal gemacht werden.
23. Boy & Bear – „Suck On Light“
Ein Album, das seine Geschichte hat. Was wir alle nicht wussten: In all den Jahren, in denen Boy & Bear sich als feine Melodiegitarren-Folk-Band einen Namen machten (daheim in Australien sogar als Nummer-1-Garanten), ging es mit Sänger Dave Hosking gesundheitlich abwärts. Und zwar dramatisch. Dave wurde von heftigen Kopfschmerzen geplagt, manchmal in so krassen Schüben, dass er sich schreiend am Boden wälzte. Er hatte Konzentrationsschwierigkeiten, so arg, dass er sich auf dem Weg zum Proberaum verfuhr. Nachdem sie ihr drittes Album über die Bühne gebracht hatten, glaubten die Australier nicht daran, dass es ein viertes geben könnte.
Im Nachhinein konnten Boy & Bar uns davon erzählen, weil eine Ärztin eben doch die richtige Erklärung fand (ein gefährliches Ungleichgewicht in Daves Darmflora) und weil Dave nach einer langwierigen Therapie wieder fast der Alte ist.
„Wenn man vier Jahre weg vom Fenster ist, muss man quasi bei Null anfangen“ sagte Keyboarder Jon Hart. „Wir mussten mit etwas zurück kommen, das unsere beste Platte war.“ Und das haben sie auch getan.
Boy & Bear haben immer sehr erwachsene Gitarrenmusik gemacht. Songwriting, das einem nicht ins Gesicht springt, aber das in seiner unaufdringlicher Gelassenheit einfach GUT ist. Das haben sie auf „Suck On Light“ beibehalten und trotzdem den Level gehoben. Ich nenne mal zwei Bands, an die Boy & Bear mich erinnern: Crowded House und My Morning Jacket. Und jetzt mal echt: Ein Album zwischen Crowded House und MMJ kann ja nur richtig gut sein.
Dazu dann die oben genannte Geschichte, das Comeback einer Band aus einer zwischendurch hoffnungslosen Situation. Ich bilde mir ein, man hört das. Man hört, dass diese Band was durchgemacht und überstanden hat. Vielleicht projiziere ich das alles nur rein, aber ich höre Erleichterung, ich höre Lust darauf, Neues zu erleben, aber auch eine neue Freude am Normalen, ein zu-Schätzen-wissen dessen, was man hat.
22. Summer Flake – „Seasons Change“
Wo wir gerade von unaufgeregter Musik aus Australien sprechen – da sind wir natürlich genau richtig bei Steph Crase aus Adelaide und ihrem kleinen Trio Summer Flake.
Tja, was kann ich zu Summer Flake Neues sagen? Auf ihrer Dritten, „Seasons Change“, machen sie ja nicht viel anders als auf ihre 2016er-Platte „Hello Friends“, die ich damals HIER länger beschrieben habe.
Kurzfassung: Auch Summer Flake erfinden das Rad nicht neu, ihr Sound kommt eigentlich aus den frühen 90ern: Verwaschene Gitarren, Atmosphären von spröder Schönheit, behutsame Melodien. Summer Flake klingen nach 70% Mazzy Star und 30% Swervedriver – das ist einfach ein Sound ganz nach meinem Geschmack. Da muss sich dann auf den Alben nicht viel tun, ich kann umso besser einsinken.
22. The Ninth Wave – „Infancy“
Das schottische Duo hat was ausprobiert dieses Jahr und sein erstes Album in zwei Blöcken veröffentlicht. Sechs Songs kamen im April als „Infancy Pt 1“, sechs weitere im November als „Infancy Pt 2“. Das war aber letztlich nur ein Formalität. Eigentlich hätte ich das gar nicht erwähnen müssen. Ach, egal.
Wir betrachten das Ding in seiner Gesamtheit. Und da haben wir ein Platte von zwei New Wave-Fans aus Glasgow, die sich vermutlich wünschen, in der Ära von John Foxx und Gary Numan groß geworden zu sein. Melancholischer 80s-Revival-Synthpop ist das Stichwort. Auch mal wieder an sich nix Neues, aber halt gut gemacht.
Denn dies ist nicht einfach nur Nachäffen einer Ära, dis sind zwei Kids, die sich dem New Wave mit Haut und Haaren verschrieben haben und das durchziehen. Die zwölf Songs liefern Abwechslung, es gibt dräuende Midtempo-Brodler, bombige Balladen und Killers-mäßige Kracher. Fans von The Cure und Depeche Mode sollten hiermit viel Spaß haben.
(Stichprobe für diese These: Hey, ich liebe The Cure und ich mag Depeche Mode. Und ja, ich habe viel Spaß mit „Infancy“.)
Linksammlung:
2019: (30-26)
Meine Jahrescharts seit’s den Blog gibt:
2018: (30-26) (25-21) (20-16) (15-11) (10-6) (5-1)
2017: (30-26) (25-21) (20-16) (15-11) (10-6) (5-1)
2016: (30-26) (25-21) (20-16) (15-11) (10-6) (5-1)
2015: (30-21) (20-11) (10-6) (5-1)
2014: (25-21) (20-16) (15 -11) (10-6) (5-1)