Review: Sports Team

Sports Team – „Keep Walking! EP“

Als das Sextett Sports Team im letzten Jahr vom englischen Webportal Noisey porträtiert wurde, da schlug Frontmann Alex Rice dem Autoren folgende Kurzfassung vor: „Sexy Sänger, gebremst von Trittbrettfahrern“. Das sagt uns schon eine Menge über diesen Typen bzw. über seine Art Humor. Alex ist cheeky. Frech. Alex stellt diese selbstironische gespielte Arroganz zur Schau, die man nur zeigen kann, wenn dieses Selbstbewusstsein eben nicht nur vorgespielt ist. Sagen wir’s so: Auch ein Pfau, der auf dem Rasen ungelenke Purzelbäume hinlegt und der „Schaut, ich bin’s, der blöde selbstverliebte Pfau!“ kräht, bevor er mit seinen Federn ein Rad schlägt, bliebt ein Pfau. Die Hühner und Gänse neben ihm werden nie so interessant sein.

Wem das obige Zitat nicht reicht als Beispiel für Alex‘ Keckheit, der kann sich anschauen, wie er im Video zur Single „Margate“ exaltiert durchs Zentrum des gleichnamigen Küstenstädtchens tanzt. Sehr schön: Die Reaktion der verwirrten Fussgänger. 

Drittes Beispiel für Alex’ Witz: Die Tatsache, dass sein Aussehen wiederholt mit dem von US-Schauspieler Ashton Kutcher verglichen wurde, nutzt er zur Single. Refrain: „Ashton Kutcher’s got nothing on you!“ 

Kurz und gut. Wir haben hier einen Typen vor uns, der auffällt. Eine Charakterfigur, die man sich merkt und die auch mal aneckt: Ein Buddy von mir hat Sports Team z.B. unlängst live gesehen und er meinte: „Der Sänger war mir zu viel.“

Kein Wunder jedenfalls, dass das Sports Team schon wiederholt mit Blur verglichen wurde. Der junge Damon Albarn, der von „Popscene“ oder „Sunday Sunday“, der strahlte ja genau das Gleiche aus wie Alex Rice. Überdrehtes Selbstbewusstsein, Energie, clevere Rotznäsigkeit. Kein Wunder auch, dass Sports Team auf der Insel schon immer größer werdende Hallen füllen. Dies ist eine Band, die in einigen Monaten mit ihrem Debütalbum das tun kann, was die Blossoms getan haben: Auf UK-Platz 1 einsteigen – und der Rest von Europa fragt sich: „Wo kamen DIE jetzt her?“

Aber noch ist es nicht so weit. Noch müssen Sports Team den Boden für diese Zukunft bestellen. Und das tut man heutzutage mit? Richtig, mit EPs. Alex & Co haben fünf neue Songs auf der Extended Play Single „Keep Walking!“ zusammen gefasst.

Los geht’s mit „M5“, dem Song, den das Sports Team uns schon vor in paar Wochen als Single präsentiert hat. Es ist in Lied, bei dem die Blur-Vergleiche einmal mehr ins Zentrum treffen. Denn „M5“ behandelt ein Stück urbritischen Lifestyles: Der Motorway 5 zieht sich von Birmingham nach Exeter an der englische Südwestküste. Wer in Devon, Cornwall, Somerset oder Dorset Urlaub machen will (und das hat jeder Brite schon mehrfach), der muss die M5 entlang. So, wie man hierzulande mit dem Brenner nicht nur das Tor nach Italien, sondern auch ein Gefühl der Vorfreude beschreibt, bedeutet M5 auf der Insel = Urlaubsstimmung, Kindheitserinnerung, Ausbruch aus dem Alltag. 

Entsprechend drückt unser Fahrer im Song auf die Tube: Der Lufterfrischer (Geruchsnote: Jellybean) pendelt vor der Windschutzscheibe und wer sich ans Tempolimit (70 mph) hält, wird überholt. Leider übersieht der Gute daher den Kreisverkehr nahe Aldershot. Das letzte, was unser Fahrer bemerkt, als er den Mittelstreifen überfliegt, sind seine offenen Schnürsenkel. „It’s funny the things you notice.“ 

Keine Frage, das ist ein Hit. „M5“ spiegelt quasi Blurs „Parklife“ als Vignette aus dem Leben eines britischen Trottels. Blurs Protagonist war ein schlurfiger Tagedieb, der von Sports Team ist ein übermütiger Autobahnraser – im Geiste sind sie durchaus verwandt.

Und wenn „M5“ = „Parklife“ ist, dann ist Track Nr 2, „Get Along“ = „Tracy Jacks“. Erstens eine schön im Midtempo daher wippende Nörgelpopnummer, zweitens das Lied über einen scheiternden Einzelgänger. Blur besangen auf „Tracy Jacks“, wenn ihr euch erinnert, einen Typen, der nach ereignislosem Leben die Midlife Crisis kriegt. Eines Tages fährt er statt in die Arbeit ans Meer und rennt nackig über den Strand, bis ihn die Polizei fängt und wieder heim eskortiert. Der Protagonist von „Get Along“ ist quasi der geiche Typ, nur noch en paar Jahre entfernt von der Eskalation. Vorerst ist ebenso einsam und sein Leben ist ebenso ereignislos. Er konzentriert sich auf den beruflichen Aufstieg, träumt von der Yacht an der Cote d’Azur, kommt im derweil stattfinden realen Leben aber einfach nicht mit den Mitmenschen klar.  „I guess he can’t get along.“

Gehts’ der Hauptfigur aus „Ski Lifts“ ähnlich? Diese Figur spricht von „Ski Lifts in St. Moritz“, die ihr aber dann doch zu riskant sind. Auch sie scheint sich im geregelten Arbeitsalltag wohler zu fühlen als in der Freiheit: „Weekends don’t make no sense“.

Wir bemerken ein Muster. Denn auch Song 4 („Casper“) behandelt einen unausgefüllten Menschen. Schon am Morgen wacht er genervt auf, mit seinen Nachbarn führt er einen Kleinkrieg. „He traced the borders of the hedge, but his own place was such a mess.“  

Den Abschluss bildet „Georgie“. Hier ist Alex Rice entwurzelt und rastlos. „Home, for me, is a constant sense that time is wasted. There’s no need for sleep.“ 

Was Sports Team also etwas porträtieren, so sind es Figuren aus dem modernen England. Gemeinsam ist diesen Figuren, dass sie unzufrieden sind und einen Sinn suchen, ob bewusst oder unbewusst. Der eine bricht aus auf der „M5“, der andere träumt vom Aufstieg („Get Along“) oder unerreichbaren Reisezielen („Ski Lifts“), lässt seine Wut am Umfeld aus („Casper“) oder findet in seiner Ruhelosigkeit keine Erdung („Georgie“).  

Es ist eine schlaue und interessante Weise, so seinen Kommentar auf die Zeit und die Mitglieder der Gesellschaft abzugeben. Und es spiegelt – Sorry, Sports Team, dass jetzt zum x-ten Mal der Vergleich kommt – ziemlich genau das, was Blur auf ihren Alben „Modern Life is Rubbish“ und „Park Life“ getan haben: Dies waren bewusste Zustandsbericht über England, zusammengesetzt aus Einzelstories. 25 Jahre nach „Modern Life Is Rubbish“ ist es auch sicher nicht verkehrt, mal wieder ein neues solches Bild gemalt zu bekommen. Weil im heutigen England ja ganz andere Dinge eine Rolle spielen: Brexit, Social Media, Austerity und und und.

Sind Sports Team also „die neuen Blur“? Diese Frage stelle ich absichtlich an den Schluss, um Sports Team dies nicht aufzubürden. Denn, das muss klar sein, Sports Team sind ihre eigene Band, Alex Rice ist sein ganz eigener Typ. 

Sie wirklich 1:1 an Blur zu messen, wäre unfair – da müsste man dann ja auch hergehen und feststellen, dass Graham Coxon halt schon ein ganz spezieller, meisterlicher Gitarrist ist, den die beiden Sechssaiter des Sports Team (Rob Knaggs und Henry Young) zu zweit (noch) nicht aufwiegen können. Man müsste ebenso festhalten, dass Blur absolute Meister der „tunes“ waren und zahllose ewige Ohrwürmer geschrieben haben – auch auf diesem Level ist das Sports Team noch nicht angekommen.

Die super Sache ist aber, dass sich so viele INHALTLICHE Parallelen aufdrängen: Dass auch Sports Team diese arch-Cleverness besitzen. Dass sie einen wurligen Frontmann und ein Songwriterteam (Rice/Knaggs) haben, das den englischen Charakter durchschauen und abbilden kann. 

Tja, jetzt habe ich eine Wunschvorstellung: Nämlich, dass das Sports Team, wenn sie dann beim Album angekommen sind – ich rechne aber nicht vor 2020 damit – uns das spitzbübische und hinterfotzige „Modern Life Is Rubbish“-Update für die Generation Brexit liefern wird. Jaja, oben sagte ich, ich wolle ihnen NICHT aufbürden, die neuen Blur zu sein. Wenn sie was ganz anderes machen wollen, ist es deshalb natürlich auch okay. Der Punkt ist: Ich traue ihnen das zu. 

(Bandfoto: Sports Team Facebook, Lauren Maccabee)

  

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