The Embassy – „White Lake“
„Even a stopped clock gives the right time twice a day.“
Den Spruch kennt ihr ja. Ich muss immer dran denken, wenn ich The Embassy höre. Fredrik Lindson und Torbjörn Håkansson sind stehen geblieben wie ein Uhrzeiger. Und sie bewegen sich keinen Zentimeter mehr. Mit konsequentem Trotz (be)harren sie auf ihrem Fleck.
Die Trends in der Musik wiederum sind zyklisch. Das heisst also, alle paar Jährchen wird die Mode immer mal wieder bei The Embassy vorbei schauen. Dann werden die zwei also wieder eine Weile ihrer Zeit voraus klingen – um in einer anderen Phase nur retro zu fremdeln.
Okay, hundertpro korrekt ist das nicht. Denn die musikalische Uhr namens The Embassy, die blieb sogar zu einem Zeitpunkt stehen, den es auf anderen Zifferblättern nicht gibt. Hier ist es immer Gölf Uhr 90.
Das setzt sich zusammen aus Göteborg und aus 1990, falls ihr euch fragt.
The Embassy sagen von sich selbst, sie seien „weder zeitgenössisch noch zeitlos“.
Seit 2005 liegen sie vor Anker. Das Debüt „Futile Crimes“, 2002, klammere ich noch aus – so richtig gelten The Embassy seit ihrem Meisterwerk „Tacking“. Seit dieser Platte ziehen die zwei Schweden eisern ihre Kreise um den gleichen Sound, mit dem gleichen Stolz. der gleichen Dickköpfigkeit.
Die wichtigsten Elemente ihres Sounds waren da schon 15 Jahre alt. Es sind Töne, die wir aus dem Manchester von 1990 kennen: Der schlurfige Beat der Happy Mondays, der lineare Stampf von New Order. Die Percussion der New Fads. Die Gitarren von – echt jetzt – The Farm. Das House-Klavier und die Trippiness von „Screamadelica“.
Man könnte mit diese Bausteinen hoffnungslos retro klingen. Es liegt dann letztendlich an der Überzeugung, mit der man’s durchzieht, ob man andere mit überzeugen kann. Und Holla, sind The Embassy von ihrer Mission überzeugt. Sie sind politische Aktivisten, eifernde Ideologen, nicht nur in Sachen Musik, auch darüber hinaus: Unbeirrbare Antifaschisten, Veganer, Umweltschützer, Weltbürger.
Was bei der ganzen Sache noch erwähnt werden muss, das ist das Göteborgsche. MItte der 2000er war die Stadt ja tatsächlich die Geburtsstätte dessen, was später im Rest der Welt zu Chillwave werden sollte und nur wenige kriegten’s mit (Pitchfork widmete der Sache immerhin nachträglich seine Würdigung). Die Labels Service und Sincerely Yours, Acts wie The Tough Alliance, The Studio, jj, Air France und natürlich The Embassy selbst klangen damals wie die Zukunft – der Trendzeiger tickte mal eben kurz hinter ihnen. Aber sie sollten ja Recht behalten.
(von „Tacking“, 2005)
Anyway. The Embassy stehen also immer noch felsenfest dort, wo sie 2005 standen. Oder wo sie 2013 standen. Denn erst acht Jahre nach „Tacking“ erschien „Sweet Sensation“, aber es klang keine Minute älter. Oder jünger. Zeit ist nicht relevant in der Welt von The Embassy, das wissen wir jetzt ja inzwischen.
(von „Sweet Sensation“)
Für „White Lake“ gilt nun nichts anderes. Die Aufnahmen hätte auch den „Tacking“-Sessions entnommen sein können.
Dafür teilen sie auch deren Genialität. Einige der Tracks hier gehören zum besten, was The Embassy je gemacht haben. Meine drei Favoriten sind:
- Der Opener „Sometimes“. Einfach, weil mir die Akkorde und die Gitarrensounds in ihrer Kombi einen eiskalten Schauer über den Rücken jagen.
- „Bad Vibes“, weil es meine persönliche Nr.1-Tanznummer auf dieser Platte ist (der Titel könnte aber auch an „Nowhere“ gehen, das kennen wir aber schon von der EP letztes Jahr. Außerdem hat „Bad Vibes“ eine (Synth-?) Flöte.
- Das Instrumental „Let’s Not“, für seinen so insistierenden, aber auch federnd elastischen Groove.
Aber pickt euch eure eigenen Favoriten. Hauptsache The Embassy. Hauptsache, diese zwei Schweden pflügen unablässig weiter in ihrer Furche. Fernab von allem anderen, was beobachtet wird und so besessen wie ein Savant Künstler, der in einer Scheune unbemerkt von den Menschen seine Weltmaschine baut.