This Is J-Indie

Vor wenigen Tagen schrieb ich hier: „Ich sollte echt mehr über japanischen Indie Bescheid wissen.“

Denn erstens ist es schon manchmal frustrierend, mit anzusehen, wie sehr z.B. die britische Szene stagniert oder wie wenig in Schweden passiert, wenn man das mal mit früher vergleicht.
Gleichzeitig sind mir zuletzt vereinzelt mal Bands aus Japan aufgefallen – und quasi jedes Mal haben sie was bei mir ausgelöst. Mal ist es Begeisterung, mal Befremdung, mal liegt es irgendwo dazwischen. Ab und zu ist es beides gleichzeitig. 

Also habe ich mir vorgenommen, mich mal in die Szene rein zu hören. Ich dachte, das würde viel Recherche bedeuten und ich müsste mich durch unleserliche Websiten mit mir fremden Schriftzeichen kämpfen. Aber es ging viel leichter, als ich dachte. Man muss das ja tatsächlich nur googeln und landet schnell auf zahlreichen Sites, die ganze Listen führen, auch auf englisch. Sucht man sich dann Videos einer Band raus, deren Beschreibung vielversprechend war, bietet youtube in seiner Leiste rechts auch schon zahlreiche weitere Kandidaten an. Plötzlich hat man 30, 40 Bands durchgeklickt. Einige sind vernachlässigbar, einige haben mit Indie wenig zu tun. Aber die Quote der Bands, die ich auf irgendeine Weise spannend fand, die war enorm. 

Nach dem Break gibt es eine kommentierte Liste, in der ich Namen zusammen gestellt habe. Bands, die aktuell aktiv sind und die bei mir am meisten Eindruck hinterlassen haben.

Zum Start aber erst mal mein Lieblingslied von The fin. (Bild oben) Wer auf meinem Blog öfter mal landet, kann an diesem Namen nicht vorbei gekommen sein.

Es ist nämlich so: Japaner scheinen an die Sache Indie oft von ganz anderen Ansatzpunkten heran zu gehen als die westlichen Bands.

Was mich zum Beispiel an The fin. so fasziniert: Die arbeiten in einem ähnlichen Klanggefühl wie Bands wie Phoenix, aber ihr Songaufbau ist komplett anders. Es geht nicht um Strophen und Refrains, es geht um das Hinzufügen und das Wegnehmen von Soundschichten und Rhythmen und um die Dynamik, die sich daraus ergibt. (HIER mein Text zu ihrem letzten Album)

Schon auch stylisch und schick, oder? Diese Slickness fußt auch in einem Stil, den ich bisher nicht kannte: City Pop. 

City Pop, das ist ein ganz konkretes Genre. So nennt man in Japan einen Sound, den man hierzulande am ehesten noch mit Yacht Rock bezeichnen würde. Superglatte Softrock-Songs, beinahe schon Easy Listening. Aber: Das Ganze ist in seiner japanischen Version musikalisch sehr ausgefuchst. Extrem präzises Spiel, komplexe Breaks, Akkorde aus dem Jazz, die man in westlichen Pop selten hört. Das hat schon ein enorm hohes musikalisches Niveau, das man einfach schätzen muss, auch dann, wenn der Sound an sich einem zu glanzlackiert klingt.

Hier mal ein Beispiel dafür: Die wirklich blitzeblanke City Pop Band Awesome City Club.

Ziemlich beeindruckender Look, oder? Dieses Video ist mit einem Aufwand gedreht, den man sonst von J-Pop und K-Pop kennt. Wir werden hier heute noch öfter sehen: Die Videos japanischer Indie-Bands setzen auf ähnliche Effekte wie die J-Pop-Clips. Knallige Farben, akkurate Choreographien. 

Hier nun Beispiele für Bands, die sich irgendwo zwischen Indie und City Pop bewegen: Erstens mitsume, zweitens die Yogee New Waves, drittens Mono No Aware. Ich kann leider noch zu keiner der Bands viel sagen. Sind sie neu oder schon länger dabei? Kommen sie aus Tokyo oder einer anderen Stadt? Naja, Hauptsache ich habe diese Namen jetzt im Auge und wenn sie weiter gute Musik machen, kümmere ich mich auch um sowas.

Wir gehen immer mehr Richtung Gitarrenpop und kommen zu frederic. Dies ist quasi Japans Beitrag zum Thema „Hi-NRG-Indie in der Geschwindigkeit der frühen Two Door Cinema Club“.

All die europäischen und australischen Bands, die sowas machen, regen mich längst auf. Aber frederic machen mir dann doch wieder Spaß, aufgrund der japanischen Tugenden: Das Comichafte (die Single „Oddloop“ könnte auch der Titeltrack einer Zeichentrickserie sein), das Einsprenkseln unorthodoxer Akkorde, wurliger Bassläufe und versteckter Komplikationen (1:05 – 1:07 zum Beispiel) macht diesen Knallbonbon-Popsong tausendmal spannender als alles von … (hier den Namen einer von zigtausend westlichen Indiebands einsetzen)

Jetzt mal eine Runde Indie-Dance von Avengers in Sci-Fi. Auch diese Nummer bringt mich einfach zum Grinsen.

Eine Sache, die auffällig viele japanische Popvideos gemeinsam haben: Es kommen bildhübsche Mädchen drin vor, die aber auch superschüchtern tun. Sie verkörpern das, was man in Hollywood Manic Pixie Dream Girl nennt. Die Süße, aber Harmlose, die beschützt werden muss und immer nur lieb ist. 

Das erste Mal, wenn man so eine Hübsche im Video sieht, ist man selbst noch ein bisschen bezaubert, geben wir’s zu. Spätestens beim dritten Girl dieser Art aber findet man’s fragwürdig und wenn man dann merkt, dass in diesen Clips überhaupt niemals Frauen auftauchen, die sich erwachsen benehmen, stört es doch sehr. Das muss man sagen: Das Frauenbild im japanischen Pop (naja, vermutlich mehr noch in der Gesellschaft an sich), es ist rückständig.

So gibt es auch so einige zuckersüße Sängerinnen, die mit piepsiger Stimme aufs Kindchenschema setzen. Näh, das muss ich hier nicht teilen. Zum Glück gibt’s aber auch so einige Girlbands, die dem Ganzen etwas entgegen setzen.  

Da wären zum Beispiel CHAI, die ich hier neulich schon postete, denn ihr aktuelles Album erschien nun auch in Europa. Deren Videos scheinen mir auch als Parodie auf perfekte J-Pop-Girlgroups  gemeint zu sein. 

Sensationell, wirklich sensationell sind tricot. Hier haben wir’s mit eine Gruppe Ladies zu tun, die wirklich extrem komplexe, oft regelrecht sperrige Songs machen. Sie changieren spielerisch zwischen Easy Listening-Harmonie und schepperndem Noise, ihre Rhythmik und Melodien (ob jetzt Gesang, Gitarre oder Bass) sind supertricky. Letztlich ist es Mathrock, aber eben mit dem unverwechselbar japanischen Touch. Hier bin ich völlig baff. Was für eine Band!
Erst mal ihre aktuelle Single:

…und hier eine Nummer aus dem Jahr 2013. Wie sich zeigt, ist tricot eine Band, die länger schon international wahrgenommen wird und die u.a. schon mit den Pixies durch England tourte. Sorry, mir sind sie bisher nicht aufgefallen. Dafür bin ich jetzt mal umso begeisterter. 

… und wo ich gerade bei Girlbands bin: Hier Lucie, Too. Die sind natürlich null so komplex wie tricot, sondrn einfach nur nett. Dafür klingt ihr flotter Indierocksong „Lucky“ so richtig nach Zuckerrausch.

So. Wir haben also bisher festgestellt: Japanische Indiebands haben ihre Eigenheiten. Sie benutzen Akkorde, die Westbands nicht benutzen, sie sprenkeln Breaks ein etc.

Es gibt nun aber auch japanische Bands, die den westlichen Indie sehr genau nachbauen. Ich finde das fast ein bisschen schade. Denn wenn eine japanische Band zu britisch klingt, na, dann fehlt ihr doch der besondere japanische Touch.
Die Videos der beiden folgenden Bands Ykiki Beat und DYGL heben sich durch ihren Look (wie akkurat die Frisuren sitzen! Bei UK-Bands sind Bassist oder Drummer oft voll die Slobs – das wäre bei diesen Boys nicht denkbar!) von westlichen 08/15-Indiebands ab. Das hat schon was, deshalb poste ich sie hier. Die Songs aber sind jetzt nicht wirklich etwas, das man so nicht schon gehört hätte..  

… und hier ein ähnlich gelagerter Fall, aber nicht fürs Thema Britrock, sondern für eine Retro-Sixties-Band.: seuss.

Nun gut. Dies soll’s fürs Erste gewesen sein. 

Diese Liste behauptet nicht, dass sie wichtigen und großen Namen oder die besten Bands beinhaltet. Es sind halt die Namen, die mir aufgefallen sind, nachdem ich mich ein paar Tage durch zig Bands und Videos geklickt habe.

Es geht hier nur darum, zu sagen: Holla, in Japan passiert eine Menge! Da entsteht Musik, von der wir hier sehr wenig mitkriegen – und weil die Musik nicht unbedingt auf unsere Hörgewohnheiten zugeschnitten ist, klingt es für unsere Ohren oft frisch und neu.

Ich versuche künftig also, die Augen und die Ohren auch in Richtung Japan weiter offen zu halten. Ich habe ein paar neue Favoriten auf dem Schirm und mehrere Labels gespeichert, auf deren Output ich achten werde.

Wer selbst japanische Lieblingsbands hat, die ich hier nicht genannt habe, der mag sie gerne in den Kommentaren posten, ich würde mich freuen.

Zum Abschluss ein ewiger Klassiker:

 

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