Review: Bad Sounds

Bad Sounds – „Get Better“

Mann, da haben sie uns aber lange hingehalten! 

Stichwort „Avalanche“. Schon im Sommer 2016 erschien diese umwerfende Single, mit der die Bad Sounds in unser Leben traten. Was für ein Hit! Wir führten in der Küche den Kranichtanz auf und warten seitdem gespannt. ob die fünf Briten aus Bath diesen Level wohl auf Albumlänge werden halten können.

Fleißig waren sie ja seitdem. Singles haben sie zur Genüge abgeliefert, zwei EPs damit gefüllt. Aber ein Debütalbum, das ist halt doch immer noch mal was anderes. Seit Freitag ist es da.

Und weil ein Debütalbum der Punkt ist, an dem bei einer Band viele neue Fans an Bord kommen, fange ich auch noch mal bei Null an. Also: Wer oder was sind die Bad Sounds? 

Die Bad Sounds, das sind fünf Kids aus Bath in Südengland. Es gibt zwei Hauptpersonen: Die beiden Brüder Ewan und Callum Merrett. Ich stehe auf die Band, weil sie mich an so viel Lieblingsmusik aus den 90ern erinnert. Das kommt nicht von ungefähr. Denn schon der Vater der zwei war ein riesiger Musikfan. Im Hause Merrett lief immer Musik. In einem frühen Interview erzählten die Brüder, die Lieblingsplatte ihres Dads sei quasi auf Dauerschleife gelaufen und habe sie so geprägt wie keine andere: „Odelay“ von Beck.

Ihr kennt „Odelay“. Es ist ein Klassiker. Es ist das Album, auf dem „Where It’s At“, „The New Pollution“, „Devil’s Haircut“ und „Jack-Ass“ drauf sind. Ein absoluter Kritikerliebling. Zu seinem Erscheinen als bahnbrechend gefeiert, weil es Songwriting und groovy HipHop-Beats so lockerlässig und innovativ miteinander verschmolz.

Es ist nun nicht so, dass die Bad Sounds „Odelay“ nachäffen. Aber wenn man weiss, dass dies DIE Grundlage ihres Musikverständnisses ist, dann erkennt man vieles wieder. Man hört den Sprechgesang, der nicht richtig Rap ist, aber rhythmisch, in den Strophen. Man hört die satten, aber laidback schuggernden Beats. Man hört den Mix aus real gespielten Instrumenten und freigeistig von überall her zusammen geklaubten Samples, die das Gerüst aus Beats und Bass bunt tapezieren.

„Odelay“ erschien 1996. Man kann sich also ausrechnen, was Papa Merrett in den 90ern wohl noch so gehört hat. Ich rate mal: The Chemical Brothers, The Charlatans, Blur, Jamiroquai, Finley Quaye, die Happy Mondays. Denn auch Elemente aus der Baggy Madchester Ära, aus Britpop, Popsoul und früher Electronica, all das bilde ich mir ein, aus der Musik der Bad Sounds heraus zu hören. 

Soviel also zur Musik. Zusammenfassung: Es groovt. Das Feeling sagt trotzdem Gitarrenpop.

Auch die Texte dieser Band haben was. Dazu ein Interview-Zitat von Ewan Merrett: „Noel Gallagher sagt, er schreibt über die universellen Wahrheiten“, so Ewan. „Ich mache das Gegenteil. Ich schreibe über kleine privaten Geheimnisse. Stories, die nur ich kenne.“

Was bedeutet: Ewan singt Notizen und Pointen aus seinen Freundeskreis. Er gibt scheinbar nebensächlicher Ereignisse wieder, bemerkt kleine Spleens, kramt Anekdoten hervor. Ich picke mal ein Beispiel aus „Avalanche“:

Julie went to town with earplugs for the band and
talked about a man who died wearing an anorak.
Didn’t know him well but once when we were twelve she
lent him 50p and never got her money back.

Klingt erst mal weird, oder? Warum erzählt uns Ewan von dieser Julie und darüber, dass sie einem Typen, der inzwischen gestorben ist (in einem Anorak), nachträgt, dass er ihr noch 50 Pence schuldet? Warum finde ich das so lässig?

Erstens: Sowas macht ja sonst niemand. Das ist originell, das hat Wiedererkennungswert. Es hat auch einen sympathischen Witz.

Zweitens: Die Welt ist fraktal, richtig? Wenn Noel Gallagher über die großen universellen Weisheiten singt, singt Ewan Merrett über das Gleiche – nur andersrum.  Will sagen: Der eine singt über das Grundsätzliche, und wir können es auf unsere persönliche Situation anwenden. Der Andere singt über die persönliche Situation, und wir können’s aufs Große und Ganze spiegeln. Ist es nicht so? 

Wenn Ewan über seine Bekannte Julie singt, die von einem Toten gerne noch ihre 50p zurück hätte, sagt er damit nicht eigentlich: „Menschen sind kleinlich und konzentrieren sich oft aufs Falsche“? Das ist jedenfalls das, was ich aus dem Ganzen heraus ziehe.

Jedenfalls: Ewan nimmt den Umweg übers Detail, aber er versteht es auf diesem Weg dennoch, auf der Platte eine Menge Dinge anzusprechen. Manchmal bringt einen das zum Grinsen: In „Wages“ geht’s um das ungute Gefühl, sich mit zwielichtigen Leuten eingelassen zu haben, in „Evil Powers“ um Aberglauben. Aber Ewan kann auch größere Themen in Angriff nehmen:. In „No Luck“ geht’s um Teenager-Schwangerschaften. „Thomas Is A Killer“ behandelt einen Kumpel, der gegen den Krebs kämpft.

Fazit also: Die Texte sind originell. Es mag so aussehen, als singe Ewan über Kleinigkeiten und Nebensächlichkeiten aus seinem persönlichen Umfeld, aber auch hier kann man sich drin wieder finden.

So, was gibt’s noch zu erzählen über die fünf? Sie haben ein Farbschema! Alle Plattencover der Bad Sounds spielen im Farbspektrum von hellgelb über Orange ins Tiefrot. (Weiß und schwarz sind auch noch erlaubt, aber das sind bekanntlich keine Farben.) Auch die Bad Sounds- Bandfotos und Klamotten folgen diesem Colour-Code. Klar, das hat mit den Klängen auf der Platte nichts zu tun. Aber es sagt uns, dass diese Band sich über den Tellerrand raus Gedanken macht, in diesem Fall über ihre Präsentation, über ihre Inszenierung. Ich find’s smart und schick.

Erfüllt die Platte nun die Hoffnungen, die wir nach den Singles in sie gesetzt haben? Ich würde sagen: Zu 85% ja. Die frühen, bereits bekannten Nummern „Wages“ und „Avalanche“ bleiben zwar auch die besten Tracks auf dem Album, aber die anderen Titel sind nicht weit weg. Dass fast alle Songs ein ähnliches Tempo haben, kann man vielleicht ein bisschen gleichförmig finden. Man kann’s aber auch so sehen, dass die Platte dadurch in sich geschlossen stimmig bleibt. Auf alle Fälle ist dies ein starkes Debüt, groovy und gewitzt. 

  

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