Britpop lebt, und zwar wie! The Magic Gang aus Brighton erinnern uns an gleich mehrere Lieblingsbands der 90s wie Teenage Fanclub, Dodgy oder Supergrass. Ihr Debütalbum ist eine prima Platte. (HIER noch mal mein Text dazu)
Neulich spielten die Südengländer erstmals in München, im Vorprogramm der Wombats. Ich nutzte die Gelegenheit, um die vier zum Interview zu treffen – dafür bot sich mal wieder der Fragebogen unseres Heftes an.
Okay, also es geht hier um den Fragebogen namens „Bloß nichts über Musik“. Denn das ist die Gelegenheit für mich, euch im Heft unter zu bringen.
Jack Kaye (Gesang): Cool!
De erste Frage lautet: Was ist euer Drink?
Kristian Smith (Gitarre): Möchtest du drei verschiedene Antworten oder eine gemeinsame?
Ich nehme nur Antworten, die in Harmonie gesungen wurden!
K: Haha, ich mag jedenfalls Heineken!
Angus Taylor (Bass): Und ich nehme Kronenburg.
J: Guinness.
Alles Bier. Diese Band ist eine Biertrinkerband?
J: Genau, ja.
Nächste Frage: Womit kuriert ihr den Kater?
J: Meine neue Kur ist: Eine Sauna finden! Das geht natürlich nur, wenn man etwas Geld bei sich hat. Oder wenn man im Hotel ist.
K: Angeblich hat eine chinesische Uni eine Studie gemacht. Aus Hunderten von Drinks soll Sprite in der Tat am meisten helfen.
Hmmm. Gab es auch eine Begründung?
K: Das weiss ich nicht. Gelesen habe ich die Studie nicht, haha.
Als nächstes die Frage: Gibt es eine Speise, die ihr verabscheut?
Paeris Giles (Drummer): Tut mir leid, aber ich muss es sagen: Sauerkraut.
A: Oh ja! Das gehört zum Schlimmsten, was ich je gegessen habe!
Hey, ich als Kraut nehme das natürlich jetzt persönlich!
P: Oh Sorry!
J: Na das ist ja eine tolle Art, uns bei den Deutschen vorzustellen.
Quatsch. Ehrlich gesagt, ich glaube, ich hab’ das selbst noch nie gegessen. Sauerkraut ist heute nicht mehr gängig wie früher.
P: Oh, echt?
Meine Eltern jedenfalls haben es schon nur ganz selten gemacht und ich selbst koche mir überhaupt nie welches.
J: Dann können wir’s ja doch nehmen. Sorry an alle anderen!
Die nächste Frage lautet: Wofür gebt ihr am meisten Geld aus?
K: Tabak. Der ist verdammt teuer in England. Schallplatten, Vinyl.
J: Ich würde sagen: Essen.
Weil du einer dieser „Foodies“ bist, oder grundsätzlich?
A: Naja, wenn man auf Tour ist, dann gibt man mehr Geld fürs Essen aus, als wenn man normal zu Hause isst.
J: Manchmal ist es auch auf Tour einfach langweilig zwischen den Konzerten. Dann geht man essen, und man isst und isst.
K: Currywurst an der Raststätte…
Was ist denn die überflüssigste Sache, für die ihr Geld ausgegeben habt?
K: Tabak!
P: Ich denke Bier.
J: Und Schallplatten!
A: Ich würde auch sagen: Bier.
K: Ich habe mal 40£ für eine einzige Schallplatte ausgegeben.
War sie’s wert?
K: Absolut!
A: Welche Platte war das?
K: Ach, nur so eine Reggae-7“. Aber ich musste sie haben.
Als nächstes kommt die Frage nach dem Haustier. Was war der Name von eurem ersten Haustier, und gibt es eine lustige Geschichte dazu?
K: Ich habe eine! Mein erster Hund hieß Oscar, und er war ein Boxer. Also, ein mal, da saßen wir an einem Tisch, Paeris und ich und ein paar Freunde, und er kam rein ins Zimmer – und er pisste einfach überall hin! Da war er schon recht alt. Naja, Schweigen erfüllte den Raum. Erinnerst du dich?
P: Ja, er rannte rein, pisste, und rannte wieder raus! Und alle so: „Was war DAS gerade?“
A: Der Arme. War er schon alt?
K: War er, ja. Sieben oder acht? Für Boxer ist das alt.
J: Ich bin mit meinem Hund Daisy mal durch den Park spazieren gegangen. Da kamen wir an einer Gruppe Typen vorbei. So bullige, einschüchternde Kerle, die Fußball spielten. Die hatten Cannabis bei sich und es wohl neben dem Feld in Alufolie abgelegt. Mein Hund lief rüber und wollte das Paket fressen. Ich weiss gar nicht, ob Daisy das Ding nun gefuttert hat oder nicht. Jedenfalls haben mir die Typen fast den Schädel eingeschlagen.
K: Als Geschichte ist das besser als meine.
Was war euer miesester Job?
J: Ich habe mal in einem Vergnügungspark gearbeitet, da habe ich so ein Karussell bedient. Ich stand den ganzen Tag in der Mitte und um mich herum drehte sich dieses Karussell. Das war echt übel.
Waren die Kinder so schlimm?
J: Na, es war mehr die Gesamtsituation. Wenn ich abends heimkam, war mir ganz schwindelig, weil sich den ganzen Tag alles drehte. Ich hatte auch den Rest des Tages diese Jahrmarktmusik im Ohr. Vor allem war es unglaublich schlecht bezahlt – das ist eigentlich der Hauptgrund, warum es mein miesester Job bisher war.
K: Ich denke mal, da hatte keiner von uns was, das das toppt.
Okay. Was ist euer Talent in der Küche?
J: Rührei.
A: Ich bin echt nicht besonders gut. Überbackene Nudeln, das geht. Das ist aber auch echt einfach.
Die nächste Frage ist: Was war der sonderbarste Ort, wo ihr je wart?
P: Ich finde Leicester ziemlich strange.
A: Oder Stoke.
J: Zur Erklärung: Es gibt im Norden von England ein paar Orte, die einen ziemlich schrägen Vibe haben. Leicester ist einer davon, Stoke auch.
K: Stoke finde ich sogar noch sonderbarer.
A: Es ist wie eine Geisterstadt.
J: Es ist aber nicht so, dass wir da dauernd sind. Ab und an hat man ein Konzert in einer dieser Städte, und es fühlt sich einfach ein bisschen unheimlich an dort.
P: Stoke ist eine dieser Städte, die eigentlich nur zwei große Hauptstraßen hat Und kennst du das, wenn du in ein Stadtzentrum gehst und alle Läden haben noch die Logos aus den 80ern? Als wäre man irgendwo, wo die Zeit stehen geblieben ist?
Die nächste Frage ist: Stellt euch vor, ihr seid Godzilla. Was macht ihr als erstes kaputt?
K: Den verdammten Buckingham Palast, Kumpel!
A: Ja, das ist eine gute Wahl.
J: Da schließen wir uns an.
Und die nächste Frage ist: Wenn ihr jemandem ein Denkmal setzen könntet, wer wäre das?
K: Paeris, beantworte du das. Das ist doch eine Frage für dich.
P: Ein Denkmal für irgendjemanden… Brian Wilson?
K: Brian Wilson, das ist eine gute Wahl.
J: Aber wir würden es in Brighton aufstellen.
K: Und zwar in dem Stil von dieser unglaublich hässlichen Büste von Cristiano Ronaldo!
P: Habt ihr davon gelesen? Der Künstler, der dieses Ronaldo-Ding gemacht hat, will es noch mal neu machen. Er sagt, dass sein Leben zur Hölle geworden ist nach dem misslungenen ersten Versuch. Dass seine Familie sich für ihn schämt.
Als nächstes: Schon mal was geklaut?
A: Ich habe eine Sonnenbrille geklaut, die 50£ gekostet hat, von American Apparel. Und jetzt sind sie pleite. Das war wohl meine Schuld, schätze ich. Naja, was soll ich sagen? Ich habe sie aufgesetzt und ich habe sie gemocht. Es war kein Preisschild dran. Da kriegte ich irgendwie diesen Rappel und bin einfach mit der Brille auf der Nase rausgegangen.
J: Es gibt jetzt in England auch überall im Supermarkt die Kassen mit Self-Service, habt ihr die auch? Da „spare“ ich manchmal ein bisschen.
A: Das geht so: Sagen wir, du hast ein echt schönes Stück Kuchen eingepackt. Aber du tippst es ein als normale Semmel. Da kann man die Hälfte vom Preis sparen.
P: Man muss halt darauf achten, dass man etwas nimmt, das das gleiche Gewicht hat.
Diese Kassen gibt’s jetzt auch langsam in Deutschland. Und ich finde es richtig, was ihr macht – denn ich bin total gegen die Self-Service-Kassen! Da geht es nur darum, noch mehr Arbeitsplätze einzusparen. Da werden Kosten weiter gesenkt und Gewinne maximiert, aber letztlich geht das alles auf Kosten der Gesellschaft. Deswegen muss man’s verhindern!
Okay, habt ihr irgendwelche Phobien?
P: Die Böden von Schwimmbädern. In England sind die Hygienebestimmungen nicht so wie bei euch in Europa. Da gehen die Leute mit ihren Straßenschuhen ins Schwimmbad und dann liegt da eine Matsche um die Becken rum, da möchtest du barfuß nicht durch laufen. Das ist also nicht unbedingt eine Phobie, aber es ist was, das mich anekelt.
A: Unsere Phobien sind abstrakter. Nicht einfach nur Spinnen! Meins wäre die Angst, nicht geliebt zu werden. Oder die Angst, alleine zu sterben.
J: Sehr rationale Ängste also.
Okay. Was war die letzte Sache, die ihr kaputt gemacht habt?
J: Oh, uns gehen auf Tour dauernd irgendwelche Dinge kaputt, Und auf dem Weg zum Konzert ist uns das Auto kaputt gegangen, wir haben es nur auf den allerletzten Drücker geschafft.
Und was war die letzte Sache, die euch zum Lachen gebracht hat?
J: Angus hat mich vorhin auf der Bühne zum Lachen gebracht. Weil das Licht am Anfang noch so komisch war, hat er einen Witz gemacht, der echt gut war.
A: Aber echt! Unsere ersten zwei Songs hat einfach kein Mensch Licht gemacht! Wir standen da in der Dunkelheit, und das Publikum war hell erleuchtet!
Ich weiss, ich war ja da!
J: Naja, als er den Witz gemacht hatte, musste ich lachen, obwohl ich eigentlich singen sollte.
Alles klar, damit bin ich durch mit dem Fragebogen.
Aber ich habe jetzt doch noch ein paar Fragen zu eurer Band, einfach, weil es mich interessiert. Und meine erste Frage ist: Was bei euch auffällt, ist: Ihr habt keine Synthies und Keyboards. Das ist heute unüblich. So unüblich, dass es schon fast wie ein Statement rüber kommt. Ist es als solches gedacht?
J: Es war nicht als Statement gedacht, als wir angefangen haben. Inzwischen aber ist es schon so, dass wir Wert darauf legen, diese Synthie-Elemente bei uns nicht einzuführen. Denn mittlerweile ist es fast zu etwas wie einem Alleinstellungsmerkmal von uns geworden, dass alles, was man bei einer Show von uns hört, auch wirklich so auf der Bühne gespielt wird. Wir möchten unsere Songs nicht überladen mit Elementen, die man dann von einem Band oder einem Computer spielen muss.
K: So viele Bands spielen heute mit Halbplayback!
J: Genau! Am Anfang war es nicht als Statement gemeint, aber inzwischen wird es zu einem.
Man hat sich so daran gewöhnt, dass eine heutige Indieband quasi obligatorisch immer auch einen Keyboarder als Mitglied hat, dass es wirklich auffällt, dass ihr auf diese Sounds verzichtet.
J: Viele Bands glauben einfach, sie müssen das machen, um relevant und trendy zu bleiben.
A: Ich glaube, uns liegt wirklich daran, dass wir auf der Bühne wirklich genau das nachspielen können, wie du’s auf der Platte hörst, zu viert, unter uns. Dass wir da keine Extra-Mitglieder oder Tricks einsetzen wollen.
Es gab ja auch eine Zeit in der britischen Musik, da gab es quasi keine Keyboards und Synthies in den Bands – da galten die nämlich als seit zehn Jahren out. Ich rede von den 90s, von der Ära des Britpop.
A: Stimmt.
Das Wort „Britpop“ lese ich nie, wenn ich englische Artikel über euch lese. Ist das Wort immer noch verboten?
J: Ich glaube, die Sache mit England und Britpop ist, dass man damit heute quasi nur noch drei, vier Bands verbindet und zwei davon sind Blur und Oasis. Und wenn das Wort Britpop fällt, dann assoziiert man damit nicht britische Gitarrenmusik im Allgemeinen, sondern diese spezifischen zwei Bands.
A: Ja, man verbindet das nur noch mit diesen zwei Bands, die heute auch anders wahrgenommen werden als damals.
Ich meine, zum Britpop der 90s gehörten zum Beispiel auch Supergrass…
alle: Oh JA!
… oder Teenage Fanclub…
J: Mit Teenage Fanclub werden wir oft verglichen!
… oder es gab die Bluetones, die sehr feingeistige Musik machten, oder Dodgy, die tolle Melodien hatten.
J: Tja, in England ist die Definition des Wortes Britpop heute nun mal sehr eingeengt auf Blur und Oasis. Vielleicht seht ihr in Europa das mit einer offeneren Perspektive.
K: Denn wenn man’s so sieht: Wir spielen Gitarren, Wir haben diese typisch britische Art, Songs zu schreiben. Und eine Popband sind wir auch. Damit denke ich, sind wir letztlich schon Britpop.
P: Ist das genauso mit Deutschland und Krautrock?
Da lief es anders. Der Ausdruck Krautrock wurde in England geprägt, um deutsche Bands unter einen Hut zu bringen, die man hierzulande gar nicht unbedingt miteinander verbunden hatte. Erst über den Umweg England wurde Krautrock hier zum Begriff.
J: Ich glaube, es gibt heute viel mehr englische Bands, die sich auf Krautrock berufen, als deutsche.
Stimmt, mir fallen gleich ein paar aktuelle britische Bands ein, die sich auf Krautrock berufen, wie The Horrors oder Toy. Aber eine deutsche könnte ich euch jetzt nicht nennen.
Aber noch mal zu euch: Kurz vor dem Album habt ihr den Song „Take Care“ als Single gepickt, und diese Wahl fand ich interessant, weil’s die Ballade ist.
A: Das war so: Wir hatten ja kurz zuvor erst „Getting Along“ ausgekoppelt. Auf diesem Song lag der Fokus. Dann stand das Album an und kurz vor der Veröffentlichung wollten wir noch mal betonen, dass wir vier Songwriter in der Band sind und dass auch andere Mitglieder singen. Gleichzeitig war „Take Care“ als Ballade quasi das Gegenstück zu „Getting Along“. Ich denke, der Gedanke war, das Album daher in seiner ganzen Bandbreite zu repräsentieren. Aber auch, die Leute ein bisschen im Unklaren zu lassen, was sie denn konkret erwartet.
Jetzt hast du erwähnt, dass ihr alle vier Lieder schreibt. Heisst das, jeder bringt einzelne, fertige Songs ein, oder heisst es, dass an den einzelnen Songs jeder seinen Anteil hat?
K: Mal so, mal so, es ist eine Mischung.
Denn als eine andere Band mit mehreren Songwritern fiele mir Teenage Fanclub ein. Als Fan erkennt man sofort: Dieser Song ist von Norman, dieser von Gerard, dieser von Raymond. Können eure Fans auch schon erkennen, von wem welcher Song stammt?
J: Ich denke, bei uns ist es verschwommener. Weil unsere Songs oft quasi Stück für Stück im Proberaum gemeinsam entstehen. So trägt letztlich jeder zu jedem Song irgendeinen Teil bei.
K: Ja, das kommt hin.
J: Ich glaube, es gibt nur sehr wenige Lieder auf dem Album, bei denen man sagen könnte: Der klingt mehr nach dem einen Autoren und der mehr nach dem anderen. Denn letztlich drückt jeder von uns jedem Lied auch seinen Stempel auf.
A: Auch ein Lied wie „Take Care“, das du eben angesprochen hast: Das Lied haben wir auseinander genommen, neu zusammen gefügt, haben das Arrangement hin und her verändert, verschiedene Instrumenten und Strukturen ausprobiert. Da hatte jeder seine Hand im Spiel, auch wenn ich in dem Fall die Lead Vocals singe. So ist es aber auch bei den Songs, die Jack oder Kristian singen.
Okay, damit bin ich mit meinen Fragen durch! Vielen Dank – ich hoffe, man sieht euch hier bald als Headliner?
J: Danke! Ja, im Oktober kommen wir wieder!
THE MAGIC GANG live in D:
13.10. Köln, Artheater
14.10. Berlin, Privatclub
15.10. München, Kranhalle