Interview: Cut Worms

Tja. Es gibt Interviews, da kann man seinen Gesprächspartner kaum bremsen, Aber es gibt auch Interviews, da kriegt man nichts wirklich Spannendes raus gekitzelt aus seinem Gegenüber.
Der Amerikaner Max Clarke hat unter dem Namen Cut Worms ein wunderbares 60s-Songwriting-Debütalbum namens „Hollow Ground“ hingelegt. Ich liebe die Platte! Aber ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass wir neulich nicht zwischendurch auch ein bisschen aneinander vorbei geredet hätten. Trotzdem, prima Musik. Ich hoffe, ein bisschen was erfahren wir trotzdem in dem folgenden Interview. Ich telefonierte mit Max am Nachmittag vor seinem ersten Deutschlandkonzert in Berlin.

…Hallo?

Hallo! Wie geht’s!?

Gut – und dir?

Mir auch! Wie läuft’s in Berlin? Zum ersten Mal dort?

Ja, mein erstes Mal. Naja, wir haben noch nicht viel gesehen, haben die meiste Zeit in unserer Unterkunft verbracht. Aber es war nett so weit. Wir haben gut gegessen.

Alright! Heute spielst du eine Liveshow – aber wenn ich das richtig verstanden habe, hast du bis jetzt vor allem in Alleinarbeit an deiner Musik getüftelt. Heisst das, du bist noch gar nicht so bühnenerfahren? 

Ach, eigentlich schon. Meine eigene Musik habe ich vor allem im Alleingang gemacht, das stimmt. Aber in Bands spiele ich seit etwa sechs Jahren. Ich habe eine ganz angemessene Live-Erfahrung. 

Verstehe. Warst du in den anderen Bands auch der Songwriter, oder „nur“ Gitarrist?

Doch, Songwriting ist mein Ding, finde ich.

Okay. Aber wenn du schon eine Band hattest, was brachte dich dazu, mit dem Alles-alleine-Machen anzufangen?

Naja, in den anderen Bands, da habe ich nur Gitarre gespielt. Da habe ich nicht die Songs geschrieben. Als ich dann angefangen habe, mich auf mein eigenes Songwriting zu fokussieren, da fing ich dann an, das Ganze alleine zu machen. Einfach, damit alles so klang, wie ich es mir vorstellte.

Was ich ganz interessant fand zu lesen: Als du noch keinen Vertrag hattest und die Songs schriebst, aus denen dann deine erste EP wurde („Alien Sunset“, 2017) – da hast du dir jeden Tag eine Stunde fürs Musikmachen frei gehalten. Aber kann man so einfach den Schalter umlegen? Sich befehlen: „So, jetzt bin ich eine Stunde kreativ!“

Doch, das geht. Ich finde sogar, dass es helfen kann, sich ein paar Einschränkungen aufzuerlegen. Das zwingt einen dann auch, konkret zu arbeiten. Das war auch der Gedanke dahinter. Denn wenn man jeden Tag nur vor sich hin wurschtelt, dann kriegt man nichts fertig.

Es gibt ja auch einige Leute, die so nach der Uhr arbeiten. Von Damon Albarn (Blur, Gorillaz) ist das bekannt. Er geht zu normalen Arbeitszeiten ins Studio und kreiert Musik von neun bis fünf, damit er sich den Rest der Zeit seiner Familie widmen kann. Ich schätze mal, da entsteht auch viel Ausschuss, aber Ausschuss muss wahrscheinlich anfallen, um an einen bestimmten Punkt zu kommen. Erlebst du das auch so?

Auf jeden Fall ja. Ich habe schon so einigen Mist geschrieben und tue das noch. Man versucht, besser zu werden. Aber auf dem Weg zum besseren Zeug kommt man nicht daran vorbei, erst was Mieses zu produzieren.

Okay, ein paar der Songs der Homerecordings-EP sind nun auch in neuen Aufnahmen auf dem „richtigen“ Album vertreten. 

Ja, wir wollten den Songs halt ein bisschen mehr auf einen HiFi-Level bringen. So dass man auch alle Instrumente hört. Gleichzeitig wollten wir der Ästhetik der Demos treu bleiben.

Auf was habt ihr da besonders geachtet, bei den neuen Versionen?

Ähm. Vor allem ging es darum, das Ganze rhythmisch ein bisschen zu glätten. Ich bin einfach kein Drummer. Und ich hatte keinen Drummer bis zu den neuen Aufnahmen. Aber ein solider Rhythmus, der ist schon wichtig, damit der normale Hörer Gefallen an etwas findet. Nicht dieser holprige Halb-Rhythmus, den ich alleine hinkriege.

Was waren für dich sonst die Hauptunterschiede? Ich habe noch keine Info, wer produziert hat, und wo ihr aufgenommen habt… ich schätze mal, man hat dir einen erfahrenen Mann zur Seite gestellt?

Ja. Ich habe mit mehreren verschiedenen Leuten gearbeitet. Zum Teil waren wir in LA, da arbeitete ich mit Jonathan Rado von der Band Foxygen. Zum Teil waren wir in New York.

Ich frage auch immer gerne: Was hast du gelernt bei den Aufnahmen?

(Irgendetwas blubbert in der Leitung) Sorry, ich habe die Frage vergessen…

Die Frage war: Was hast du gelernt bei den Aufnahmen?

Ah ja. Ich glaube, ich habe alleine durchs Beobachten gelernt, dass mein Endziel sein wird, auch das Aufnehmen eines Tages ganz alleine machen zu können. Aber so, dass es dann trotzdem gut klingt. Eigentlich bin ich nicht so technisch beschlagen, so als Sound Engineer. Aber jetzt habe ich den Prozess mitgemacht und gesehen, wie eine Platte entsteht. Ich weiss jetzt, was man in welcher Reihenfolge macht, solche Dinge.

Ganz schlecht kannst du ja vorher nicht gewesen sein, denn die erste EP hat dir gleich einen Vertrag beschert und das Label hat es unverändert veröffentlicht.

Yeah.

Hat dich das überrascht, dass das Feedback so gut war?

Ja, das war ich. Klar wollte ich immer gesignt werden, aber ich hätte nie gedacht, dass es wirklich passiert. Das war ziemlich spannend.

Du hast kürzlich eine Single veröffentlicht, „Till Tomorrow Goes Away“. Die erinnert mich an ein Lied, mit dem ich nicht gerechnet habe: Die Titelmelodie von „Der dritte Mann“ nämlich. War das Lied eine Inspiration?

Die Melodie von „Der Dritte Mann?“

Ja, von dem Film.

Oha. Ich weiss nicht, ob ich den je gesehen habe.

Ein weltberühmter Film aus den 40ern! Die Titelmelodie wird auf der Zither gespielt.

Also, diese Ära und ihre Musik, aus der beziehe ich definitiv Inspiration. Meine Idee war, so in die Richtung Django Reinhardt zu gehen. Wenn auch natürlich viel weniger virtuos. 

Tja, da musst du dir die Titelmelodie mal anhören, Das war ein Millionenseller damals.

Ja, das muss ich mal auschecken.

Von Orson Welles ist der Film. 

Ja, ich weiss von dem Film, aber gesehen habe ich ihn nicht. 

Also, wenn du die Melodie hörst, wirst du sie sofort erkennen. Das ist eine dieser Melodien, die bereits in unserer kollektiven Psyche eingegraben ist.

Oh, yeah.

Deine Songs sind ja auch sehr klassisch. Man vergleicht dich auch u.a. mit den Everly Brothers. Aber ist das auch, was du privat hörst? Am Ende hast du zuhause eine Metal-Sammlung! Oder totales Fachwissen in East Coast HipHop!

Ach, doch, das ist in der Tat das, was ich am meisten höre. Früher Rock’n’Roll. Ich versuche aber schon, auch andere Sachen zu hören. Ich hatte auch meine Phasen, da hörte ich HipHop, oder Punk, oder 90er Grunge. Aber es zieht mich immer zurück zu den 60s. Das mag ich einfach. Ich mag die Klänge, wie sie in der Zeit so zu hören waren. 

Was bringt dich normalerweise dazu, einen Song zu schreiben und wie läuft das bei dir ab?

Ähm… weiss ich nicht wirklich. Was treibt mich an? Ich habe einfach das Gefühl, dass ich es will. Oder muss. Was den Ablauf angeht, der ist irgendwie jedes Mal anders. Eine Melodie schwirrt dir im Kopf rum, und wenn sie gut ist, merkst du sie dir – und dann baut man von da aus etwas auf.

Hast du da eine bestimmte Technik, oder einen bestimmten Trick? Oder einen Lieblingsakkord, oder eine Akkordfolge?

Hmm – nein. Sowas versuche ich, nicht zu haben. Damit ich mich nicht wiederhole. 

Bevor du dich mit der Musik so vertieft befasst hast, hast du als Grafiker gearbeitet. 

Ja, das tue ich immer noch.

Hast du deine Plattencover selbst kreiert?

Das habe ich, ja. Wenn die Platte jetzt erscheint – das Cover ist von mir.

Ah ja, der kleine Globus. Was war deine Idee dahinter?

Ach, ich weiss gar nicht. Ich habe auch ziemlich lange damit gekämpft. Mir gefällt Stop Motion Animation, deswegen bin ich in die Richtung gegangen. Ich habe ein Modell aus Ton gemacht und es abfotografiert. 

Okay. Findest du, zwischen den kreativen Disziplinen Graphic Design und Musik gibt es Parallelen?

Auf jeden Fall, ja. Man beginnt mit einer Grundierung, man baut darauf auf, man nimmt etwas weg… aber Graphic Design ist für mich meistens einfach nur Arbeit. Anders, als wenn ich Musik spiele. Das ist in der Tat SPIELEN. Es ist schon auch Arbeit, aber halt doch anders. ich glaube, es ist Arbeit mit einem anderen Teil des Gehirns.  

Also reden wir doch mal über über ein paar Songs. Die Single „When Tomorrow Goes Away“ haben wir ja schon angesprochen. Worum geht’s in dem Lied, und an was musst du denken, wenn du an den Song denkst?

Ähhmmm. Ich weiss nicht. Da fällt mir jetzt nur der Moment ein, in dem ich ihn geschrieben habe. Ich schreibe einen Song, und dann ist er einfach da. Dann spiele ich ihn, und er existiert. Für mich hat er aber keine Bedeutung auf die Art, wie jemand anders vielleicht eine Bedeutung daran hängt. Es ist einfach nur ein Teil meines Schaffens. 

Es geht nicht um eine bestimmte Person, oder etwas das passiert ist, sondern ist eher abstrakt?

Ja, ich glaube, der Großteil meiner Songs ist ziemlich abstrakt. So sehe ich das jedenfalls. 

Auch interessant, weil die meisten Songwriter ja anders arbeiten. Kann man sagen, du öffnest einen Kanal zu deinem Unterbewusstsein?

Ja, das ist tatsächlich, wie ich das sehe. Mich interessiert das Unterbewusstsein sehr. Die Arbeit von Carl Jung, solche Dinge. Ich finde, sein Unterbewusstsein anzuzapfen über den Umweg der Popmusik – das ist interessant. Nicht, dass ich das konkret im Kopf habe, wenn ich so arbeite. Aber es spielt wahrscheinlich mit rein. 

Ist es schon passiert, dass du einen Song geschrieben hast, von dem du selbst nicht wusstest, worum er geht – aber Monate später erkennst du es plötzlich doch?

Ja, das ist schon passiert. Ich kann jetzt aber kein Beispiel nennen. Passiert ist es aber.

Okay… ich bin quasi schon durch mit meinen Fragen. Weil ich, jetzt wo ich weiss, dass du eher unterbewusst schreibst, eine Frage wie „Worum geht es in ‚Cash For Gold‘“ nicht mehr stellen muss.

Ja, das war einfach ein Stream-of-Consciousness Text. Der Text im Speziellen, Das sind aber viele meiner Texte. Wörter aneinander reihen, dann anschauen, welche Gefühle das hervorruft. 

Dann gehe ich jetzt zu meinen Fragen nach Anekdoten. Was war denn die schrägste Show, die du je gespielt hast?

Die schrägste Show… hhmm … wahrscheinlich, als ich in einer Garagenrockband in Chicago gespielt habe. Da haben wir mal in einem College Frat House gespielt. Die feierten eine echte Toga-Party. Also das war ziemlich schräg. Wir spielten auch nur etwa eine Viertelstunde, dann wurde die Party abgebrochen. Aber es gab wahrscheinlich noch andere schräge Shows, da gab es genug.

Du warst also in einer Garagenrockband. Waren all deine früheren Bands anders als das, was du heute machst, oder gab es auch ähnliche?

Nee, die waren alle schneller, lauter Gitarrenrock. Solches Zeug.

Hast du alte Bandmitglieder in deiner neuen Band?

Früher ja, jetzt aber nicht mehr. Da gab es einen ziemlich stetigen Austausch bei meinen Bandmitgliedern. Außerdem bin ich auch umgezogen in eine neue Stadt.

Ach so. Und zwar von wo nach wo?

Ich war vorher in Chicago und lebe jetzt in New York.

Ist New York sozusagen besser geeignet für deine Art Musik?

Naja, ja, es zeigte sich, dass es besser geeignet war, was die Kontakte zu Plattenfirmen angeht. Was die Musikszene angeht, haben beide Städte was für sich. Auch in Chicago geht einiges. 

Okay. Damit wünsch ich dir heute alles Gute für die Show und viel Erfolg für das Album. Denn das gefällt mir sehr gut, wie mir auch schon die EP gefallen hat. Dann hoffe ich mal, dass eine spätere Tour dich auch nach München führen wird!

Ja, das hoffe ich auch!

Na dann noch einen prima Tag!

Danke vielmals, dir auch!

 

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