Review: City Calm Down

City Calm Down – „Echoes In Blue“

Ach schade. 

Okay, ich würde über City Calm Downs zweites Album gerne folgendes schreiben: Dass die Jungs aus Melbourne all die Versprechen erfüllen, die sie mit ihren frühen Singles gegeben haben. Die, die sie mit dem ersten Album schon fast, nur knapp noch nicht einhielten. Dass die Band, die man der Einfachheit halber immer als „Australiens Interpol/Editors“ bezeichnete, sich von diesen Einflüssen freigeschwommen hat und jetzt souverän und selbstbewusst ihre Runden auf der ganz eigenen Umlaufbahn dreht. Als mitreissende Gitarrenband, die spielerisch mächtig dräuende Atmosphären herauf beschwört und deren packende Songs dennoch ins Ohr gehen. Ja, die manchmal sogar regelrecht auf den Indie-Dancefloor zerren!

Tja. Würde ich gerne schreiben. Denn so habe ich mir City Calm Down immer ausgemalt. Seit ihrer 2012er-EP „Movements“, da wurde ich erstmals auf sie aufmerksam, allerdings waren sie da schon ein paar Jahre aktiv, noch als Schülerband hatten sie angefangen. Auf der EP fanden sich sechs Songs, denen noch ein bisschen der rote Faden fehlte, die aber in mir als Indie-Nerd trotzdem fast Euphorie auslösten. So muss sich ein Fußball-Scout fühlen, wenn er einen 15jährigen auf dem Platz sieht, der noch erkennbar jugendlich spielt, aber so ein paar magische Ansätze hat, die man nicht lernen kann. Die Art Teenager, bei der der Talent-Scout jubelt: „Der Junge kann Nationalspieler werden!“ 

Tja. Aber nicht jedes Talent spielt wirklich später um die Titel. Manche kommen vom Weg ab.

Nun haben City Calm Down bisher ja sehr wohl einen guten Weg genommen und sind dafür auch belohnt worden. Sie sind in Australien heute ne große Nummer. Sie spielen seit dem letzten Album schon regelmäßig in Europa, Ende Mai kommen auch endlich die ersten Deutschlandshows. Ihr erstes Album war nicht makellos, aber es war wirklich gut.

Aber ich sehe hier trotzdem eine Entwicklung, die mir nicht gefällt.

Okay, ich bin nicht CCDs Talentförderer. Ich habe da nix zu sagen. Die sollen sich in die Richtung entfalten, die sie für die richtige halten. Aber dies ist mein Blog – und hier schreibe ich nun mal, was mir an Alben zusagt und was nicht. Und ich habe folgendes Problem: Fucken hell, City Calm Down nehmen sich so bierernst!

In meiner Rezension zum ersten Album „In A Restless House“ habe ich ein paar Dinge schon angesprochen: Die Tendenz von Sänger Jack Bourke, seine Stimme unnatürlich tief runter zu pressen, als gäbe ihm das Nick Cave’sche Gravitas. Die inzwischen manchmal sklavische Hingabe ans Vorbild The National, in Sachen Texturen und Rhythmik. City Calm Down, das ist mein Eindruck, möchten unbedingt als Band mit großer Bedeutungsschwere wahrgenommen werden. Dabei sind ihre Vorstellungen, was eine solche Tiefe ausmacht, sehr althergebracht, geradezu banal. Und je mehr sie sich in diesen Pathos hinein versteigen, desto weniger Spaß machen sie, desto prätentiöser werden ihr Entscheidungen.

Mal ein Musterbeispiel: Als zweite Single im Vorlauf des Albums pickten sie „Blame“. Ein Song quasi ganz ohne Drums! Eine dröge Nummer, die ewig vor sich hin stagniert und dann zwar gegen Ende hin in eine Noisewand aufbaut – aber selbst die wirkt gewollt, sie ist keine zwangsweise Entwicklung aus dem Song raus. Vielleicht wollten CCD hier ihr „Spanish Sahara“ abliefern? Dann haben sie einfach völlig die Dynamik vergessen, die der (übrigens ebenfalls saftig prätentiöse) Foals-Klassiker hatte. Und das dann als Single? Singles sollen doch knackige Nummern sein, zu denen man mit dem Arsch wackeln kann! Klar, man kann auch absichtlich den Einschlaf-Song picken und sich auf die Schulter klopfen, weil man so geil mit den Konventionen der Musikindustrie gebrochen hat. Ist halt nur auch alberne Themaverfehlung. Wenn kein Sender deinen Song auf Rotation nimmt, wem hilft das?

„Distraction Losing Sleep“ oder „Kingdom“ dagegen – DAS wären Singles gewesen! Da geht der Rhythmus vorwärts! In flotter, linearer Krautrock-Motorik! Dazu geben die Gitarren klingende Struktur! Das ist funktionierender, rauschender Indierock! Schaut, City Calm Down, ihr KÖNNT das doch! So, wie ihr’s schon gezeigt habt mit Nummern wie „Border On Control“, „Your Fix“ oder „Pleasure & Consequence“! 

Noch eine der Vorabsingles von „Echoes In Blue“ hatte diesen Wumms und diesen Pop-Crunch, den eine Single haben soll, „Blood“ nämlich. Aber sogar diesen rasanten Fetzer schwächen die Aussies erst mal mit einem todlangweiligen Bombast-Intro, als wäre es ihnen peinlich, dass sie später so auf die 12 gehen. Fast eine Minute ploddern sie da vor sich hin, ohne Fast Forward-Taste ist das schwer zu überstehen.

Immerhin, „In This Modern Land“, das war eine Vorab-Single, wie sie sein soll.

Tja. Klar, es ist immer ne Geschmackssache. Ich habe und will keine Verfügungsgewalt über die Band, ich kann nicht ihre Entscheidungen treffen. Aber meine Meinung ist: Den Jungs ist offenbar nicht klar, was ihre Stärken und was ihre Schwächen sind – und so haben sie nach dem letzten Album genau die falsche Seite betont. Auf „In A Restless House“, da waren sie eine eigentlich schnittige Gitarrenband, der man allerdings nachsehen musste, dass sie manchmal zu hohlem Pathos neigte. Genau dieser Neigung nun haben City Calm Down auf „Echos In Blue“ nachgegeben, anstatt ihr entgegen zu wirken. So weit gleich, dass ich es auf diesem Album bei allem guten Willen nicht ignorieren kann. Fünf Songs dieser Platte gehen in die richtige Richtung, fünf in die meiner Meinung nach falsche. Da muss ich dann schon drüber mosern.

Tja. Oben schon gesagt, Geschmäcker sind verschieden. Kann ja sein, dass Jack Bourke und seine Jungs auf diese Vorstellung stehen, eine dieser gewaltigen Bands mit übermenschlicher Tragweite zu sein. Ich für meinen Teil denke halt, dass die Jungs ihre wahren Stärken damit nicht ausreizen. 

Ich glaube wirklich, dass sie mehr drauf haben. Und diese Sätze oben vom Anfang dieses Textes, nach dem Motto „die Band löst erstens endlich all die frühen Versprechungen ein und hat zweitens ihren eigenen, famosen Groove gefunden“, die will ich noch eines Tages schreiben über City Calm Down. Vielleicht auf Album drei oder vier? Hier leider nicht.

(p.s. Das Tracklisting beinhaltet auch zwei kurze Instrumentals, die nicht in die Track Ratio einfließen.)

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