Review: QTY

QTY – „QTY“

Immer mal wieder kommt’s vor, dass eine US-Band ihren Hype zuerst in Großbritannien kriegt, lange bevor die USA selbst bemerken, was sich zuhause tut. Manchmal dauert’s Jahre, bis sich der Erfolg der Band auch in den Staaten einstellt, oft erreicht er nicht annähernd den Level wie auf der Insel. Dafür zeigen die Briten oft eine echte Trüffelnase: Namen wie REM, Pixies, The Strokes, Black Rebel Motorcycle Club und Kings of Leon sind Beispiele für Karrieren, die über den Umweg London in die Gänge kamen.

Insofern sind QTY natürlich in bester Gesellschaft. Zuhause in New York sind Gitarristin Alex Niemitz und Sänger Dan Lardner lange nicht in die Gänge gekommen. Mehrere Jahre waren sie Mitglieder eines Quartetts namens Grand Rapids, das ein paar EPs machte und mehrere gefragte Bands als Vorband begleiten durfte. Weil die Grand Rapids aber irgendwie nie den nächsten Schritt schafften, trennten sie sich und Dan und Alex fingen als Duo neu an. Ihre Demos landeten in England, dort jubelte man auf. Sofort konnten die zwei einen Vertrag beim Label Dirty Hit (der Heimat u.a. von Wolf Alice und The 1975) unterschreiben, man flog sie nach London und hier durften die New Yorker ihr erstes Album mit Ex-Suede-Gitarrist und Libertines-Producer Bernard Butler aufnehmen.

Kurz der Hintergrund zu Dan und Alex: Die zwei stammen aus der gleichen Gegend in Brooklyn, lernten sich so mit 17, 18 zufällig auf der Straße kennen, kamen ins Gespräch über Musik und sind seitdem die allerbesten Freunde, regelrecht unzertrennlich. Aber, die Frage stellt man sich ja an dieser Stelle, ein Paar sind sie nicht. Alex ist lesbisch, also spielt auch eine unterschwellige Sexualität oder Romantik keine Rolle in der Symbiose der beiden. (Anders als zum Beispiel bei The Kills – die sind ja auch nicht zusammen, aber man hat schon immer das Gefühl, dass sie sich am liebsten ineinander verbeissen würden, oder?)
Dan schreibt den Großteil der Texte für QTY, Alex sorgt dafür für meistens die Melodien und die Musik. So viel zur Dynamik innerhalb des Duos.

Kommen wir zurück aufs Thema US-Bands, die in England ihre Karriere starten. Viele dieser Gruppen vereint eine Eigenschaft: Sie sind plakativ amerikanisch, fast schon auf ein Klischee runter reduzierbar. The Strokes entsprachen so sehr dem Stereotyp der über-stylischen, beinah snobistischen New Yorker, dass man sie in den USA selbst heute noch mit einer argwöhnischen Distanz beobachtet. Die frühen Kings of Leon erst! „Wenn deine Band aussieht wie Komparsen aus dem Film ‚Almost Famous‘, kann ich sie einfach nicht ernst nehmen“ sagte Dave Grohl über die Followill-Familie, als ganz England über „Youth And Young Manhood“ ausflippte. Bevor sie mit „Use Somebody“ auch im US-Mainstream ankamen, sah man die Kings of Leon in der Heimat als schräges Kuriosum. Als das image-fixierte Comic-Abziehbild einer Südstaaten-Band, auf das nur Briten reinfallen konnten.

Auch QTY kann man auf ein Klischee runter reduzieren: Wie die Strokes sind sie eine New York City-Band aus dem Bilderbuch. Erstens in Sachen Look und Style, noch mehr aber betreffs des Sounds und der Stimmung. Die Gitarren von QTY lehnen sich an den 70s-New Wave von Blondie und Television an – und damit automatisch auch die Strokes, die ja aus den gleichen Quellen schöpften. Auch die kühle, trockene Lässigkeit, die leicht abgehobene Ironie, mit der Dan Gardner singt, kennt man so von den Julian Casablancas. Noch klarer erkennt man darin aber Lou Reed wieder. Denn wie Reed bevorzugt auch Dan Lardner einen Sprechgesang, der selbst eingängige Refrain-Melodien mehr beiläufig erzählt, als dass er sie singt. Insgesamt bedeutet das: Wenn man einen Londoner fragen würde, wie DIE typische New York Band auszusehen und zu klingen hat, dann kämen QTY dabei heraus.

Was wiederum sowohl das Beste als auch die Schwächen von QTYs Album aufzeigt. Positiv: Die Songs sind auf den Punkt und hittig. Knackigere NYC-Gitarrenriff-Indiepopsongs als „Rodeo“ oder „Cold Nights“ kann man schier nicht schreiben. Diese Nummern hört man und fragt sich, ob man sie nicht schon von „Is This It?“ kennt. Auch wenn QTY das Tempo variieren, bleiben ihre Songs fein: Die Boy/Girl-Gesang-Ballade „New Beginnings“ könnte vom ersten Mazzy Star-Album kommen, während die Vorab-Single „World Breaker“ (die sich allerdings nicht auf dem Album findet) quasi eine Brooklyn-Version von Pavements „Major Leagues“ ist. (Beides keine New York Bands, aber das tut in dem Fall nichts zur Sache.)

Genau darin liegt aber auch die Crux. The Strokes, Lou Reed, Mazzy Star, Pavement… für quasi alles, was QTY machen, gibt es bereits ein Pendant. Sie gehen nur dahin, wo andere schon vor ihnen waren. Was ihr Debütalbum letztlich zu einer zwar wirklich guten, aber auch keiner unverzichtbaren Platte macht.

Womit vergleiche ich das eben? Sagen wir’s mit Sci-Fi-Filmen. Es gibt in diesem Genre eine Handvoll Streifen, die man auch kennt und schätzt, wenn man ganz normaler Kinogänger ist. „Star Wars“ als Blockbuster, „Independence Day“ als Popcorn-Kino, „Alien“ als Horror-Klassiker, „2001“ als visuell bahnbrechende Pionierarbeit. Dann aber gibt’s auch zahlreiche Filme, die gar nicht mal schlecht sein müssen, die aber nur unter Sci-Fi-Fans und Sammlern ein Begriff bleiben. Filme, die sich minutiös an die Regeln des Genres halten und von dessen Anhängern dafür geliebt werden. Aber die Produktionen, die die breite Masse der Leute erreichen, tun mehr. Sie stellen die Regeln, was ein Science Fiction Film sein kann, überhaupt erst auf, sie schreiben sie um oder sie brechen sie bewusst.

Was ich sagen will: Wäre das Album „QTY“ ein Sci-Fi-Movie, es wäre so was wie Duncan Jones’ „Moon“. Wirklich gut gemacht, unter Kennern voll Anerkennung bedacht als durchdachtes Genrestück, als starker Beitrag zur Anthologie. Aber letztlich halt ein Liebhaber-Ding und nix für den Welterfolg.

Womit ich nicht sagen will, dass man mit NYC-Post-New Wave-Rock verheiratet sein muss, um das Debüt von QTY zu schätzen. Nein, dies sind zehn peppige Gitarrensongs, an denen niemand wirklich was auszusetzen haben kann und der eine oder andere Titel wird bestimmt in den nächsten Monaten safe auf den Indiedancefloors der Welt zu hören sein. Aber abgesehen davon wird dies wohl keine Platte sein, die tiefere Spuren hinterlässt. Die neuen Strokes, Kings of Leon oder Pixies sind QTY nicht – was man ja hätte erhoffen können in Anbetracht der Aufmerksamkeit in Grossbritannien. Aber eine schöne Genreplatte hat ja auch was für sich.

 

 

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