Dhani Harrison. Ein Brite, der viel in LA lebt. Er leitete die ideenreiche Band thenewno2 und veröffentlicht inzwischen vor allem Soundtracks. Nun hat er sein erstes Soloalbum fertig gestellt: „In/Parallel“ ist eine sehr spannende Platte: Electronica, Indie-Songwriting, düstere Soundscapes, durchdachte Texte. Zu diesem Werk hat der überaus sympathische Musiker mir email-Fragen beantwortet.
War sonst noch was? Okay, ja. Die Gene. Dhani hat einen berühmten Vater: George.
George Harrison. Genau, der Beatle. Menschenskind!
Klar aber, dass Dhani darauf nicht reduziert werden will.
Seit beinahe zwei Jahrzehnten bist du als Musiker aktiv, doch dies ist dein erstes Soloalbum unter dem offiziellen Namen Dhani Harrison. Was war der Auslöser, warum war jetzt die Zeit dafür gekommen?
Ich habe früher gezögert, unter meinem eigenen Namen zu veröffentlichen, einfach wegen all der Dinge, die das mit sich bringt. Ich wollte eine Chance, mich als Künstler zu entwickeln. Nach drei Alben mit thenewno2 und weil ich jetzt seit vier Jahren unter meinem Namen komponiere, fand ich, jetzt bin ich so weit, auch meinen Namen auf die Platte zu schreiben. Außerdem hat außer mir praktisch niemand an der Platte gearbeitet, erst in den letzten Zügen kamen andere an Bord. Es war also nicht wirklich eine Kollaboration. Und als ich meinen Freunden die Musik vorspielte, sagten sie alle, das sei eine „Dhani Harrison“ – Platte. Also machte es einfach Sinn.
Ich habe thenewno2 mal in der Show von Conan O’Brien gesehen – und gemocht. (Ich habe sogar nach eurer Musik auf itunes gesucht, aber den Namen falsch eingegeben. Ich muss nach „The New Number 2“ oder so gesucht haben) Erst später kriegte ich mit, dass du Mitglied dieser Band warst. Ich schließe daraus, dass du und deine Bandmitglieder vermeiden wollten, dass man sich auf den Namen Harrison fokussiert? So, wie David Bowies Sohn seine Filme als Duncan Jones dreht? War das so – und musste du auch eine innere Schwelle überwinden, deinen eigenen Namen zu verwenden?
Love that. Genau darum ging es bei thenewno2. Denn offensichtlich kriegt man nicht die Chance, unvoreingenommen gesehen zu werden, wenn die Leute sich auf den Namen Harrison stürzen. Deswegen zeigten wir thenewno2 quasi als gesichtslose Einheit – damit die Leute sich auf die Musik konzentrieren. Das scheint ja funktioniert zu haben. Bei dem Namen Harrison haben die Leute einfach sofort ein Urteil gefällt, noch bevor sie die Musik hören und es ist unmöglich, das zurück zu nehmen.
Diese Musik ist ja sehr atmosphärisch. Was nicht überrascht, wenn man deinen Hintergrund als Soundtrackmusiker kennt. Was waren deine Ziele bei dem Album, sowohl klanglich als auch von der Botschaft her?
Ich wollte nur widerspiegeln. Wir leben in einer bizarren Zeit, in einer Übergangsphase. Die Welt war noch nie vorher so, wie sie es in den letzten Zeit war. Smartphones, wi-fi, Internet, Cloud Computing – das sind ja alles Dinge, die es niemals zuvor gab. Sie alle haben sehr sonderbare Auswirkungen auf unsere Gesellschaft. Das wiederum muss dokumentiert werden. Ich denke, dass gute Kunst immer ihre Zeit widerspiegelt, idealerweise kann man diese Platte also als Statement sehen. Eine selbstreflexive Beobachtung unserer Zeit. Eine Selbst-Reflexion des Bewusstseins. Was Klänge angeht: Man lernt so einige Tricks als Soundtrack-Komponist, Dinge, die man technisch und technologisch einfach gut verwenden kann, richtige „Komponisten-Tricks“. Diese Tricks wollte ich mal auf einem Album statt in einem Filmscore einsetzen.
Ein Adjektiv, das mir zu der Platte einfällt, ist „dystopisch“. Würdest du dieser Einschätzung zustimmen?
Leider ja. Wie schon gesagt, wenn man den richtigen Ton trifft, dann spiegelt gute Kunst ihre Zeit wieder – und wir leben in einer seh, sehr dystopischen Zeit. Alles, was ich tue, ist dass ich einen Scheinwerfer auf das richte, was um uns passiert. Wenn du denkst, das ist düster – dann schau erst mal die Nachrichten!
Das Album ist 59 Minuten lang, fast eine Stunde. Was bedeutet: Deine Songs sind im Durchschnitt sechs Minuten lang. Entweder, du gibst ihnen den Raum, sich zu entfalten – oder du tust dir schwer beim Editieren ;). Kannst du das kommentieren?
Sowohl als auch! Als Jeff Lynne die Platte hörte, sagte er, das ginge schon in die Richtung moderner klassischer Musik. Ich sehe Musik als Bewegungen und Suiten, also ja, viele dieser Songs haben Bewegung in sich. Es ist eine dynamische Platte. Es gibt Ups und Downs. Man kann ja nicht jede Geschichte schnell erzählen – man könnte „Game Of Thrones“ ja auch nicht in einer Season erzählen. Außerdem – wer hat entschieden, dass Songs dreieinhalb Minuten lang zu sein haben? Warum sollen wir unsere Kunst so eingrenzen und einkürzen?
Ich kann nicht genau sagen warum, weil deine Texte mir eher voll Anspielungen zu sein scheinen und nicht in-your-face – aber wenn ich zum Beispiel den Song „#waronfalse“ höre, dann muss ich an sensationsgeile Nachrichtensendungen und „Fake News“ denken. Geht’s darum? Was kannst du zu dem Lied erzählen?
In diesem Song geht es um Leute, die für Nichts stehen. Der Ausdruck „Fake News“ war noch nicht so gebräuchlich, als ich den Song schrieb, das kam danach als zusätzliche Bedeutung dazu. All die Leute, die jetzt im weißen Haus sitzen, waren noch nicht mal in seiner Nähe, als ich den Song schrieb. Ich dachte mehr an Modeblogger und all den sinnlosen, sinnlosen Materialismus, den sie propagieren. Diese Leute kriegen eine extremen Level an Prominenz und wofür setzen sie das ein? Nicht für was Gutes!
Und wo wir von „Fake News“ und Sensationsgeilheit sprechen – in vielerlei Hinsicht mag die Lage nicht so schlimm sein wie wir alle glauben (Ich glaube an die Lehren von Steven Pinker und die Ideen von Ray Kurzweil), trotzdem wirkt die aktuelle politische Situation beängstigend. Die Politik scheint sich vielfach von Ängsten und dem Ausschluss von Leuten leiten zu lassen.
Die Ideale deines Vaters von Peace and Love, Offenheit und Positivismus sind bedroht – Was können wir tun, um diese Werte zurück zu bringen?
Meditiert! Lernt euch kennen! Meditiert, meditiert, meditiert! Hört denen nicht zu, die euch sensationsgeilen Müll andrehen wollen! Meditiert, repariert euch! Damit der Wald grün sein kann, muss jeder Baum grün sein – also entgiftet euch! Entgiftet euer Wasser, euer Essen. Bringt euch auf eine gute Frequenz und das wird ausschwingen und andere beeinflussen. Vor allem: Seid gut zueinander!
Die Single “All About Waiting“ ist auf dem Album am ehesten der klassische „Song“. Von den Harmonien her erinnerte er mich sogar an Lieder, die dein Vater mit Jeff Lynne aufnahm. Andererseits, vielleicht projiziere ich das nur in den Song rein, weil dein Name nun mal Harrison ist? Was meinst du – hat dein Vater dir vielleicht doch auch eine bestimmten musikalischen Sinn weiter vererbt?
Zweifellos! Aber ich sag’ dir, an wen wen er seine musikalischen Sinn noch weiter gegeben hat: An Jonathan Bates. Als Jonathan und ich an dem Song arbeiteten, da hatten wir zusammen gerade ein paar Gigs gespielt und auch ein paar Covers von George und Jeff gespielt. Wir haben auch die Everly Brothers gecovert und merkten, dass unsere Harmonien echt gut zusammen passten. Wir lieben diese Art Harmonien, aber wir lieben auch Electro. Offensichtlich ist auch, dass ELO eine meiner Lieblingsbands sind. Was auch für Jon Bates gilt. Also ist es schwer für uns, davon nicht beeinflusst zu sein, genau wie von der Musik meines Dads. Auch wenn ich nicht weiss, ob mein Dad oder Jeff da zustimmen würden. Naja, Jeff vielleicht. Ihm hat der Track sehr gefallen.
Als nächstes eine ganz grundsätzliche Frage: Was macht für dich einen guten Song aus?
Ein guter Song gibt dir ein cooles Gefühl. Und wenn ein Song das mit dir macht, dann nimmst du dafür quasi Besitz von der Band, richtig? Wenn du auf ein Konzert gehst, und die Musik sorgt dafür, dass du dich cooler, stärker oder schlauer fühlst als normal, wenn die Musik dir eine gewisse Einsicht in dein Leben gibt, wenn du dich einfach gut fühlst – die Power, die aus der Musik kommt, schafft eine Verbundenheit zwischen dir und der Musik. Ich schätze mal, es geht auch ums Ego. Gute Musik sollte immer dafür sorgen, dass man sich cooler fühlt, denn dann verhält man sich auch cooler, wenn man sie hört.
Noch eine ganz grundsätzliche Frage: Was treibt dich dazu an, Musik zu machen?
Ich spiele einfach gerne. Man braucht doch einen Grund, morgens aufzustehen. Dann doch am besten Musik.
Als nächstes habe ich für dich eine Liste von Bands und Alben, einfach nur, weil sie mir in den Sinn kamen, als ich „In/Parallel“ hörte: Ich musste an Primals Scream‘s „XTRMNTR“ denken (ein Klassiker!). In den atmosphärischeren Momenten dachte ich an Apparatjik. Auch habe ich das Album „Desensitized“ von Black Onassis mal wieder aufgelegt, nachdem ich es länger nicht mehr gehört habe. Vielleicht kannst du mir ja sagen, ob das auch Bands sind, die du kennst und hörst? Und was lag bevorzugt auf deinem Plattenteller während den Aufnahmen?
Zuallererst Big Black Delta. Seine letzte Platte „Terágame Tierra“ vor allem. Die Platte hat mich schwer, schwer beeinflusst und meine Freundschaft zu Jon Bates verfestigt. Auch hörte ich Run the Jewels, all of Aphex Twin, Massive Attack und es gab auch eine neue Portishead Single namens “Chase the Tear”, die war frisch erschienen und ich wünschte, ich hätte sie schon die ganze Zeit davor hören können!
Die Platten, die mich im Leben am meisten beeinflussten sind „In Sides“ by Orbital, das erschien etwa ’95 / ’96. Die zweite meiner ewigen Lieblingsplatten ist Radioheads „In Rainbows“.
Und was steht als nächstes an? Ein neuer Soundtrack, eine Tour mit diesem Album? Falls ja, suchst du schon eine Band und wie stellst du die Mitglieder zusammen?
Zuerst steht ein Live-Konzert dieses Albums an. Danach eine US-Tour zum Album. Hoffentlich schaffen wir es, diese Tour Anfang nächsten Jahres auch nach Europa zu bringen. Außerdem bearbeite ich gerade Musik sowohl fürs Fernsehen als auch fürs Kino. Wir arbeiten an der Musik der Showtime-Show „White Famous“ und schreiben die Musik für die kommende Doku von Shepard Fairey. Auf Halde habe ich auch noch den Soundtrack für einen Film, der dann nicht gedreht wurde. Aber die Musik will ich noch veröffentlichen.