Interview: Wanda

Schon komisch, mal ein Interview zu transkribieren, das man auf deutsch geführt hat. Da fällt einem dann auf: Durch das Übersetzen biegt man es normalerweise hin, dass wörtliche Rede ja auch aus abgebrochenen halben Sätzen und Unterbrechungen besteht. Oder dass solche Gespräche voll sind mit undeutlichen Formulierungen, die der Gegenüber vielleicht anhand der Betonung versteht, die aber auf Papier bzw Display missverständlich bleiben.

Und dann auch noch Wanda, bei denen die Frage besteht: Die Wiener Sprache mitnehmen? Wann kommt es gönnerhaft bis peinlich rüber, wenn man versucht, diesen herrlichen Slang (ich finde ihn herrlich) lautsprachlich wieder zu geben? Aber in nicht-Hochdeutschen Momenten ein Hochdeutsch einzusetzen, das wäre ja noch doofer.

Ach Gottchen. Am Ende hilft nur: Auf Start drücken, Abtippen und so wenig wie möglich verfälschen. So wenig wie möglich verfälschen – darum geht’s ja auch bei Wanda, oder? Ich traf Marco Wanda und Manuel Poppe fürs piranha, als sie Interviews zu „Niente“ in München gaben. Die Szenerie: Der Teil vom Cord Café, der abends Maxe Belle Spitz heisst. Ich warte am Tischchen, Manu stößt als erster hinzu, nach der Begrüßung schalte ich das Aufnahmegerät an.

Manu: Mir ist gerad vorhin aufg’fallen: Die ham’ hier so schön Kerzen anzunden! Ist des nicht urschön?

Kannst mal sehen. Extra für euch!

Ich war noch nie hier – warst du schon mal hier?

Ja. Aktuell ist dies sogar einer von den Läden, wo ich abends öfter lande.

Und sind immer Kerzen an den Tischen?

Da habe ich nie drauf geachtet. Aber ich glaube nicht, oder?

Da ham’s sich was einfallen lassen!

Alright. Ich hab’ gehört, ihr habt heute noch voll die Horror-Schedule?

Ah, es geht.

Es geht? Sechs Uhr musstet ihr aufstehen hab’ ich gehört…

Sechs Uhr aufstehn? Sagen wir’s so: Sieben Uhr Abfahrt. Also aufgestanden bin ich an ’nem anderen Tag. Ist okay eigentlich. Ich glaube so um vier etwa geht’s hier weiter. Könnt’ schlimmer sein also.

Ich seh’ hier Tabletten liegen…

Ja, der Herbst ist jetzt da.

Aber man beschwert sich nicht, weil es ist ja ein gutes Zeichen, wenn alle was von einem wollen. 

Man wird ja wohl auch einmal acht Stunden am Tag arbeiten können, wie alle anderen Menschen.

Aber ich glaub’, heute werden’s eher sechzehn? Flo von der Plattenfirma hat erzählt, ihr habt heute Nacht noch Bandprobe in Berlin. 

Verteilt auf’s Jahr sind’s zehn Minuten eigentlich. Kann man sich nicht beschweren.

Fair enough. Gut. Soll ich einfach schon mal loslegen?

Gerne – der Marco müsst gleich da sein. Wenns’d an Einstieg hast, gerne. Wenn ich dir helfen kann… ich sitz’ eigentlich nur rum und besauf mich…

(In dem Moment kommt auch Marco in den Raum.)

Marco: Hallo, ich bin Marco, freut mich. 

Hallo, ich bin Henning. Freut mich auch sehr! Wir sind hier schon quasi mitten dabei! 

Marco: Super, mach mal. Wunderbar.

Die Frage: Drittes Album – ganz einfach: Habt ihr euch ein Ziel gesetzt, wo’s hingehen soll? Oder sagt man: Die Songs, die wir schreiben, beinhalten ja schon von sich aus die Entwicklung, die wir machen?

Marco: Na, immer mit dem Ziel ins Studio gehen: So gut wie möglich sein. Besser als seine Idole. Ja, und daran denken dass das hoffentlich auch noch Leute bewegt lange nach unserem Ableben. Es ist schon Rock’n’Roll mit Welteroberungsanspruch, im Sinne von… irgendwas beitragen zum kollektiven Unbewusstsein der ganzen Menschheit. Irgendwas Positives, irgendwas zeigen von sich, das Bedeutung hat einfach, ja? Sich nicht verstecken, weil alles was unterdrückt wird, endet im Faschismus, eigentlich.

Das sind ordentliche Ambitionen, Menschenskind.

Marco: Ja, wir geben auch unser halbes Leben auf dafür grad.

Was habt ihr nach dem ersten und zweiten Album gelernt fürs dritte Album?

Marco: Hmm. Das ist eine gute Frage.

Manu: Also ich hab’ Gitarre spielen gelernt.

(beide lachen)

Marco: Ja, ich weiss nicht. Ob’s so viel zu lernen gab, weiss ich nicht. Ich glaub’ es ging mehr darum, sich irgendwie noch sicherer zu werden, als jetzt seinen Horizont zu erweitern oder so. Ich mein’, jetzt sind wir auch schon Ende 20, Anfang 30 und ham’ auch schon viel gesehen, irgendwie.

Na gut, aber der Erfolg, der da ist, und die Bewunderung, die da ist, gibt euch doch wahrscheinlich das Feedback, dass ihr sagt: Okay, wir scheinen auf dem richtigen Weg zu sein!

Marco: Bewunderung möchte ich eher ablehnen. Ich seh’ mich mehr als Dienstleister. Ich hoffe, dass ich eine Rolle in dieser Gesellschaft bekleide, die jemandem etwas bringt, so irgendwie. Wenn ich davon meine Miete zahlen kann, dann ist das irgendwie ein sehr fairer Austausch, finde ich.

Du hast gerade gesagt: Besser sein als die Idole. In welchen Disziplinen?

Marco: Äm. Naja, in ihrer eigenen Disziplin. Musik.

Manu: Überleben.

Marco: Und Überleben!

Manu: Älter werden!

Marco: Älter werden als die Idole. Länger zusammen bleiben. Genau, ja. I mein, gegen die Amerikaner ham’mer kei Chance.

Manu: Im Beis’l oder in der Kneipe streiten – aber nicht vor Gericht.

(beide kichern)

Ist das jetzt ein In-Joke?

Manu: Na, so wie unsere Idole sich schon gestritten haben, da woll’mer nicht hin!

Marco: Kein Liam und Noel Gallagher werden, außer in ihren wundervollen Seiten.

Okay, jetzt fange ich an, psychologisch zu werden: 0043. Das ist ja die Vorwahl von Österreich. Die man nur dann wählen muss, wenn man von außen nach Österreich rein wählt.

Manu: Genau, ja.

Insofern frage ich mich: Ist 0043 der Blick auf Österreich von außen? Weil ihr jetzt ja viel unterwegs wart’s.

Marco: Sicher, in gewisser Weise. Aber auch als Analogie natürlich. Zum Blick in sich selbst hinein. Oder zu seiner Identität. Also mich haben viele Fragen umgetrieben, wie ich das geschrieben hab. Ich war im Ausland, ich war in Triest, in einem Hotelzimmer. und ja, ich hatte so eine Epiphanie nach der anderen. Was bin ich? Was ist das Land, in dem ich lebe? Wo hat das seine Zukunft? und: Kann ich dazu wirklich durchdringen? Komme ich in diesen Diskurs eigentlich jemals rein? Und gleichzeitig, wenn ich mich entziehe, wem überlasse ich diesen Diskurs? Will ich das der Politik überlassen oder möchte ich das in der Speaker’s Corner haben oder im Beis’l oder auf der Straße? Und ja, irgendwie drückt das Lied für mich eine gewisse Unmöglichkeit aus. Eine Unmöglichkeit, in einen Diskurs einzusteigen oder seine eigene Identität zu finden. Zweiebenig, so.

Was ist der österreichische Diskurs? Für uns als Nicht-Österreicher.

Marco: Ich glaube, es ist grad’ voll im Trend, sich zu fragen: Ja… welche Menschengruppe schließen wir aus? Mir kommt vor, als ist alle alles sehr exklusiv grad. Ja, das ist mein Gefühl.

Muss man sich zum Beispiel in Österreich gegen die FPÖ positionieren, so wie man’s hier gegen die AfD tut? Ich meine, einerseits ist es ja ne Selbstverständlichkeit, dass man gegen die AfD ist. Andererseits ist es ja schon weird, irgendwie, dass solche Gedanken überhaupt wieder Raum finden.

Marco: Ich glaube, dass das ALLES dazu gehört. Also, natürlich ja. Natürlich kann man sich auch reflexartig gegen so etwas wehren – und man wird genauso Recht haben, wie wenn man sagt; Ich geb’ dem ein Bisserl Zeit und lasse mich jetzt nicht gleich auf diese Angstmacherei ein oder sehe das nicht so ernst, oder je nach dem – das ist ein schwieriger Diskurs und ich möchte hier auch gar keine Empfehlung abgeben, Also es ist so: Wir alle leiden einfach unter der Geschichte – das hat irgendein Berater von Helmut Kohl mal gesagt, glaube ich – und der Politiker leidet noch am meisten. Und em, ja. Für alles weitere muss man immer den Hugo Portisch anrufen. Der kann einem des glaube ich am besten erklären.

Manu: Das ist quasi der Geschichtelehrer von Österreich, der Geschichtelehrer der Nation. Journalisten-Legende.

Okay. Google ich dann. 

(Marco grinst.)

Ja, ich hab’ gehört, du benutzt gar kein Internet. Habe ich in ’nem Interview gelesen.

Marco: Trotzdem umgibt’s mich natürlich. Trotzdem bin ich natürlich auf bizarre Weise Teil des Internets. Ganz spannend irgendwie.

Kann ich mir gar nicht mehr vorstellen.

Marco: Na, wenn ich irgendwas schauen will, habe ich natürlich immer die Möglichkeit, es gibt ja überall a Handy, hat ja jeder irgendwie.

Aber du hast es nicht, um nicht abgelenkt zu werden – habe ich gelesen. 

Marco: Das stimmt sicher auch, voll. Natürlich, einerseits möchte ich nicht abgelenkt werden. Ich hab’ so ein enormes Suchtpotential. Wenn ich mal in irgendwas rein komm, dann häng’ ich mich auf und bleib’ da drin, so. Das ist natürlich keine gute Voraussetzung, um gesund mit Internet umzugehen. Aber wer das kann, soll das machen.

Okay… noch mal zu 0043: Rückblick auf die traurigschöne Kindheit. Das ist ja was, was uns alle irgendwie umtreibt. Es geht dann quasi um einen Verlust von Unschuld? Der Verlust dieses Gefühls, das man als Kind hat, wenn man glaubt, die ganze Welt steht einem offen – und wenn man dann lernt: Nein, sie steht einem eben doch nicht offen?

Manu: Ja. Man muss mehr als eine Sache am Tag erledigen, wenn man nicht mehr Kind ist.

Marco: Und.. es ist vor allem… jetzt hab ich den Faden verloren.

Ich hab’s jedenfalls notiert, weil’s als roter Faden auf dem Album immer wieder auftaucht: „Förmlichkeit ist das Ende der Kindheit“. Auch in „0043“ singst du über Ende der Kindheit. Inwieweit ist zum Beispiel dein Österreich der Kindheit ein anderes als jetzt?

Marco: Das sind alles Dinge, die im Idealfall der Zuhörer für sich entscheidet, glaube ich. Rock’n’Roll stellt sich in den Dienst, etwas zu formulieren, das Bezugspunkte hat zu einem Leben, wie es auf einer seelischen Basis funktioniert hat. Und eben nicht auf einer politischen. Das Fundament der Politik ist die Seele, das Fundament des Staates ist die Seele und das Fundament der Wirklichkeit ist die Seele. Ja – ich tun’ nix anderes, als Angebote machen, so. Wenn ich über die Kindheit sing’, dann auch wertfrei, dann auch ohne eine konkrete Anekdote, oder irgendein Ziel. Ich möchte, dass jeder für sich entscheidet, was er darunter versteht. Und ich kann’s nur vorschlagen, so. Und bevor wir hier überall in Werbungen und kapitalistischen Angeboten versinken, finde ich es eigentlich sehr wichtig, dass es immer noch seelische Angebote gibt.

Ich sage immer: Sowohl die Kunst Rock’n’Roll als auch das Empfangen, das Rezipieren, ist etwas, das letztlich auf einer unterbewussten Ebene stattfindet. Weswegen vielleicht nicht immer jeder das rezipiert, was gemeint ist, weswegen es für mich nicht immer leicht ist, die Fragen zu formulieren… 

Marco: Ja, aber auch der Zuhörer, der ist auch Rock’n’Roll. Und Kunst. Und viel komplexer, in Wahrheit. Es ist überhaupt absurd zu glauben, dass ein Kunstwerk komplexer wäre als der Rezipient. Das komplexe Wesen ist immer noch der Mensch, der das Lied hört.

Manu: Bestenfalls erzählt das Lied die Geschichte des Zuhörers – als die des Verfassers.

Mo: Ja. Das mögen wir.

Da schweife ich jetzt mal ab – und bringe Taylor Swift ins Spiel. Von der bin ich natürlich eh kein Fan, aber was mich an ihrer neuen Single total nervt, ist dass es wirklich nur um SIE geht, um ihr ganz spezifisches Erlebnis. Sie sollte es wenn dann so singen, dass der Hörer ihr Erlebnis auch auf sich anwenden kann. Nicht wie sie: „Kanye hat über mich das gesagt!“

Marco: Naja, aber andererseits – ich frag mich dann manchmal: Was ist der Unterschied zwischen Figuren in der Hochkultur, in einem Roman – und den Figuren von Taylor Swift? Der Hemingway beleidigt in „Fiesta“ und schimpft auch über einen Freund, so, einen bekannten – und beide sind auch nicht der Rede wert. Auch hier kann der Betrachter für sich entscheiden, wie er das nutzt. Also ich sehe sowieso ja die ganze Wirklichkeit nur als Angebot, sie zu nutzen. Und ich glaube nicht… naja, ich habe fertig, sagte Giovanni Trappatoni.

Ihr habt einen Song, da reimt ihr tatsächlich „Herz“ und „Schmerz“ – bzw umgekehrt. 

Marco: Ja?

Ich glaube, oder? Oder ist es „Scherz“?

Marco: Scherz! „Es ist das meiste Scherz, nur nie dein kleines Herz.“

Tja, dann habe ich mich tatsächlich beim im-Büro-Mithören verhört.

Marco: Das ist tatsächlich die wichtigste Textzeile auf der Platte eigentlich (kichert)

Tja, und ich dachte, ich könnte jetzt eine Frage stellen dazu, weil „Herz / Schmerz“ ja so ein bisschen als der verbotene Reim gilt in der deutschen Sprache, weil er zu oft gemacht wurde.

Marco: Also ich hab ihn noch nie gemacht!

Ja, eben! Drum hätte ich es jetzt gerade geil gefunden, wenn du’s getan hättest, so nach dem Motto: Wir machen das einfach!  

Marco: Wenn ich’s getan hätte, wär’s genial.

Manu: Jetzt kann man’s wieder machen!

Ja, jetzt erst recht! Und in dem Zusammenhang die Frage: Gibt es Sachen, bei denen Wanda sagt: Das geht net für uns!

Marco: Hmm. Natürlich vieles auch. Naja. Nicht – nicht andere Menschen verletzten, oder so. Da sin’mer streng miteinander, so. Da war aber auch nie Gefahr, oder so. Alle in dieser Band sind glaube ich bemüht, niemandem weh zu tun – außer sich selber, höhö.

Manu: Keine kurzen Hosen auf der Bühne.

Marco: Keine kurzen Hosen, genau.

Das ist eine SEHR gute Regel. 

Marco: Wenn’s geht, keine Markendinge. Keine Werbeflächen, mit Sponsorings mit Klamottendingen, sowas machen wir nicht.

Manu: Keine Muschelketten! Außer ihm taugt’s halt wirklich, eh?

Marco: Keine allzu langen Haare, muss man auch sagen.

Manu: Da könnt man noch drüber reden..

Marco: Aber Hauptsache es geht um die Musik und um die Sache so. Also, wir verschreiben uns dieser Sache und sonst nix.

Ich habe unter dem Video zu „Colombo“ zwei Kommentare ausgeguckt, was ihr dazu sagt. Der eine Kollege hat geschrieben: „Mir persönlich zu poplastig! Wanda war mal ein Geheimtipp. Jetzt hört man sie sogar auf Ö3!“

Marco: Starker Meinungsverdacht!

Manu: Der wird ziemlich viel Ö3 hören, die zwei Mal, wo’s uns spielen! (Beide lachen)

Marco: Also, einer Band Ausverkauf zu unterstellen, die eigentlich von allen großen Radiosendern boykottiert wird seit drei Jahren, obwohl sie vierfach Platin hat, des ist net schwoch! Also, der Kollege hat in dem Fall eine sehr spezielle Meinung.

Dafür hat jemand anders gesagt; „Rauch net so vü!“

Marco: Das find ich nett. Das nehm’ ich an.

Okay. Eine Zeile, die mir sehr gefällt. „Lieb sein ist anstrengend.“ Das habe ich jetzt mal nur aufgeschrieben, um es in den Raum zu stellen und euch diskutieren zu lassen.

Marco: Ja – Lieb sein IST anstrengend. Lieb sein ist komplex und hat viel damit zu tun: Wo setze ich mir in meiner Selbstverwirklichung Grenzen?  Wo lass ich jemand anderen sich mir gegenüber verwirklichen? Am Ende führen wir alle Beziehungen zu Freunden, Partnern, Partnerinnen, zu Gott von mir aus, keine Ahnung… ja, und das ist manchmal sehr anstrengend.

Was macht eurer Meinung nach ein Lied zu einem guten Lied?

Manu: Es muss an guten Rhythmus haben.

Marco. Ein guten Rhythmus! Es muss eine Melodie haben, die, obwohl sie komplex ist, trotzdem im Ohr bleibt, find ich. Ich steh’ darauf, wenn ich eine gewisse Raffinesse spür – und ich muss eigentlich, um ein Lied gut zu finden, vielen spüren. Etwas Eindimensionales kann ich nicht so genießen wie etwas, das mir Möglichkeiten offen lässt, Das gilt für die Arrangierung, das Musikalische, aber auch für den Text. Jo.

Manu: Wenn man’s zwanzig mal hört und am nächsten Tag aufwacht – und es schon wieder hören muss. Oder wenn es einfach ein Ohrwurm ist, wie Captain Jack ohne dass es einen quält. Sondern so, dass man einfach nicht satt wird.

Marco: Und ich muss spüren: Es wurde auch für mich geschrieben, obwohl ich ein unbedeutender Typ auf dieser Erde bin. Ich muss fühlen: Die Band hat das auch für jemanden wie mich gemacht. Der das auch hören will.

Fällt dir da ein Beispiel ein?

Marco: Tausende! Die Welt ist bis 1994 voller guter Songs gewesen eigentlich. „A Day In The Life“ von den Beatles. Die ganze Winterreise von Schubert. Das Requiem von Mozart. Da wirst wahnsinnig, das geht ja unendlich lang.

Aber: Nach 1994 keine gute Musik mehr?

Marco: Nicht dass ich wüsste! Gibt’s sicher vereinzelt so, aber… nicht in einer breiten Strömung.

Und in deiner Plattensammlung auch nicht?

Manu: In meiner schon, in seiner nicht. Da sim’mer verschieden.

Marco: Ja, da sim’mer auf jeden Fall verschieden, jo.

Manu: Ich überleg’ grad: Welches Lied wurde für mich geschrieben nach 1994: „Feelgood Hit Of The Summer“ von Queens Of The Stone Age.

So, Diskussion. Am Anfang, als der Hype los ging in Deutschland, da wart ihr für sehr viele Leute die neue Lieblingsband. Was dann immer das Ergebnis ist, ist dass irgendwann ein paar Leute davon zu viel kriegen. Zum zweiten Album kamen dann die Stimmen auf, die sagten: „Ja Wanda, da geht’s ums Saufen und da geht’s um Fraueng’schichten! Das ist alles a bisserl primitiv!“ Habt ihr diese Diskussion wahrgenommen, wie ist die bei euch aufgenommen worden? 

Marco: Es ist nur ein Angebot, was wir tun. Es muss nicht angenommen werden. Wir sind Gottseidank keine telekinetische Verkaufsmaschine, so. Wir zwingen niemanden. Und ich glaube, etwas zu hassen, ist genau so gut, wie etwas zu lieben. Dafür halt’ ich auch gern her, das ist irgendwie mein Job auch. Das muss ich aushalten, so. Weil wer das nicht aushält, ist weg. Der ist nicht lange in diesem Geschäft.

Manu: Jeder, dem’s hilft, durch Ablehnung oder Zustimmung zu uns sein Weltbild ein bisschen weiter auszuformulieren, der hat was Wichtiges irgendwie mitbekommen.

Marco: Jo. Wir können uns ja nicht mir jedem einzelnen Menschen auf dieser Welt hinsetzen und so erklären, wer wir sind und was wir wollen und was der Grund für alles ist. Das soll sich alles entscheiden. Ich find’ das auch wichtig, das muss so sein.

Manu: Solange uns nicht irgendjemand mit einem Messer von hinten in die Leber sticht, soll er uns hassen.

Habt ihr euch denn gewundert, dass ihr vor allem von den Feuilletons so umarmt worden seid? Weil letztlich seid’s ihr ja sehr Rock’n’Roll – es ist ja alles sehr instinktiv, bzw, wir haben von der unterbewussten Ebene gesprochen, die man versucht, anzuzapfen. 

Marco: Ich hab’ das alles nicht so wahrgenommen die letzten drei Jahre, Ich hab mich nie hingesetzt und überlegt: Wer versteht mich oder wer mag mich? Wir können nur das tun, was wir tun – und am Ende können wir’s auch nur für die Leute tun, die’s lieben. Ja.

Ok. Was macht eurer Meinung nach ein Konzert zu einem guten Konzert?

Manu: Wenn so ein gewisser Rausch entsteht, voll. Wenn Gemeinsamkeit herrscht. Ich hab’ mir vor kurzem mit heller Freude ein mit Handykamera gefilmtes youtube-Fanvideo angeschaut, wo dann so unser letztes Lied vorbei ist und wir stolpern so von der Bühne halt – und dann fällt so im ganzen Publikum so die Spannung – und wer immer das gefilmt hat, hat so gefilmt, was danach passiert. Und da haben sich so Leute umarmt teilweise, oder sie waren noch so: „JAAAAAA!“ – Also das ist echt geil. Das ist irgendwie ein cooles Konzert.

Marco: Ich muss nicht von einem Konzert nach Hause kommen und beginnen, Physik zu studieren oder so. Sondern ich muss ein kräftiges, positives Gefühl mitnehmen.

Manu: Ein Abend, an dem man’s nicht erwarten kann, endlich auf die Bühne zu gehen, und nach dem letzten Lied nicht von der Bühne runter will. Dass es so beginnt und aufhört – das ist ein Anzeichen für ein gutes Konzert.

Marco: Letztenendes entscheidet das aber auch wieder jeder für sich. Das ist alles nicht so über einen Kamm zu scheren.

Jetzt hattest du ja dieses Erlebnis mit dem Stromschlag auf der Bühne.

Marco: Bzzzzzrrrzz!

Was ja gefährlich ist. Es ist ja tatsächlich vor drei Wochen etwa eine französische Sängerin bei einem Stromschlag auf der Bühne gestorben.

Manu: Ach du Scheisse!

Marco: Awww, mein tiefstes Mitgefühl! Hätt‘ mir auch passieren können, in dem Moment.

Deswegen meine Frage: Wenn jemand zum Beispiel einen Motorradunfall hat – für viele ist das dann so ein Break.

Marco: Ja, ein Trauma.

So ein Moment, in dem einem seine Endlichkeit bewusst wird.

Marco: Also, ich wusste schon vorher über meine Endlichkeit Bescheid. Es ist nicht so – ein Stromschlag bringt mir nicht die großen Lektionen bei, die ich nicht schon längst gelernt hätte. Am nächsten Tag war dann wieder Soundcheck, das war München – und es gab ja keine Wahl. 7.000 Leute, ausverkauft. Ich musste natürlich dieses Trauma in einer Sekunde überwinden, eigentlich. Ja, und von daher…

Es ist auch nichts geblieben, in dem Sinne.

Marco: Naa. Was ham’mer da für elektronische Geräte? Ich hab kaane Probleme. Hätt‘ ich gemerkt.

Ihr habt eine italienische Version von „Auseinandergehn ist schwer“ aufgenommen – wie ihr ja überhaupt immer mal italienische Titel habt, jetzt ja auch das neue Album. Da ist also eine Affinität da… wie ist denn die Reaktion aus Italien, ist da was gekommen?

Marco: Affinität find’ ich schwierig. Das liegt ein bissl so in der österreichischen Kultur begründet. Wir sind alle als Kinder früher in Italien in den Urlaub gefahren. Ja, dann beginnt man dort in den Straßencafés diese Popmusik zu hören. Und in Italien ist das immer noch heilig, so die Liedermacher aus den Siebzigern: Lucio Battisti, wie sie alle heißen, Lucio Dalla, etc. Das ist schon ein bisschen etwas, wo man was mitnimmt. Das, glaube ich, teilen wir mit vielen Österreichern. Was war denn die Frage, Tschuldigung?

Ach, der eine Teil der Frage wäre tatsächlich gewesen, ob diese klassischen italienischen Songwriter ein Einfluss sind – auch wenn man die Frage nach dem Einfluss immer versucht zu vermeiden.

Marco: Es ist ganz vieles ein Einfluss – und die gehören sicher dazu! Ich find’, die Italiener haben in den Siebzigern sehr schön dieses englische Rock’n’Roll-Idiom mit ihrem Ding verbunden irgendwie.

Der andere Teil der Frage ist, weil man ja immer, wenn eine Band innerhalb ihres Bereichs das erreicht hat, was erreichbar ist – letztendlich ist Wanda in ihrem Bereich im Großen und Ganzen noch ne Indie-Band, sagen wir im Herzen oder zumindest im Fach im Plattenladen… 

Marco: Ich glaub’, wir sind eine Rock’n’Roll-Band. Dieses Indie-Ding, das verstehe ich nicht. Indie ist für mich so: „Ich spiel’ mit dem Rücken zum Publikum, ich bin irgendwie cool!“ Aber wir sind ja genau das Gegenteil, wir wollen uns zeigen und wir wollen mit den Menschen auf Augenhöhe spielen. Zum anderen Teil ist für mich Indie immer eine Ausrede, warum man nicht Erfolg hat. Weisst, fuck you einfach. Man muss das hier einfach machen, bis zum Exzess, und dann ist man Rock’n’Roll. Und wenn man das nicht macht, ist man Indie. Also ich mag’s nicht sein, ich mag nicht Indie sein. Ich mag mich nicht so verschließen gegen alles andere.

Worauf ich hinaus wollte, war mehr so – ich kann mich irren, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass es für Wanda im deutschen Sprachraum noch viel größer wird, als ihr seid. Irgendwann müsstet ihr zu Wetten Dass gehen, so quasi. Irgendwann müsstet ihr die Stadien spielen.

Marco: Warum nicht? Da hätte ich nichts dagegen. Wie gesagt, je mehr…

Aber du sagst zum Beispiel, dass Ö3 euch nicht spielt.

Marco: Ja aber wir hätten’s gern, ist ja eh klar. Wir wollen so viele Menschen wie möglich erreichen. Das muss ein Mindset sein, sonst ist man kein Rock’n’Roll-Musiker.

Manu: Es werden immer mehr Stadion-Nummern, eigentlich.

Marco: Eigentlich 36 Stadionnummern.

Manu: Des geht sich voll aus, voll.

Die Frage mit Italien in dem Zusammenhang wäre wieder gewesen: Wenn eine Band, sagen wir mal, die größte Band in Schweden geworden ist, dann singt sie ihre Songs auf Englisch und versucht’s in England. Das wäre einfach lustig, wenn ihr statt dessen sagen würdet: Wir machen statt dessen eine Italien-Tour und singen unsere Songs auf Italienisch. 

Marco: Das müssen wir uns noch überlegen, ob wir uns quasi unser letztes Urlaubsland vernichten wollen, haha. Ob man ausgerechnet dort berühmt sein will, wo man doch so gern anonym durch die Straßen schlendert. Das muss man überlegen.

Manu: Aber es ist noch nicht aus dem Rennen. Es kann sein.

Marco: Es ist auf jeden Fall wahrscheinlicher, als dass wir jetzt irgendein blödes Englisch-Ding machen, glaube ich.

Manu: Wenn wir nach England gehen und in England spielen, dann mit unseren deutschen Texten. Übersetzt wird da nichts auf Englisch.

Marco: Na!

So, jetzt wird der Flo mich gleich endgültig unterbrechen. Zum Schluss mach ich immer die Frage nach der Anekdote und frage immer nach dem schrägsten, lustigsten, sonderbarsten Konzert, das ihr je gespielt habt.

Marco: Ja, das sind wirklich leider alle. Es sind alle wirklich intensiv gewesen. Und dadurch erinnere ich mich an kein einziges!

Manu: Des wär respektlos.

Marco: Es wär’ auch respektlos, gegenüber all den Menschen, die immer dabei waren.

Manu: Es gibt Momente, aber zusammengefasst, in zu vielen und in allen Konzerten gibt’s zu viele Momente, weisst.

Auch nicht aus Anfangszeiten, wo ihr vielleicht vor drei Leuten gespielt habt?

Manu: Haben wir nie!

Marco: Das waren schon vierzig zumindest am Anfang.

Manu: Das erste Konzert, da waren’’s sogar über hundert – und des wenigste waren vielleicht so vierzig.

Marco: Wir hatten schon auf Anhieb, aus irgendeinem Grund, irgendwie mehr Anhänger als die Indie-Bands. Das ist ein Zufall. Und dafür sind wir dankbar.

Ich bedanke mich ebenfalls, das hat mir großen Spaß gemacht.

Marco: Danke fürs Gespräch!

Manu: Danke!

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