Ich hab‘ ein bisschen History mit den Shout Out Louds. Andererseits – wer, der hierzulande Indiepop mag, hat das nicht? Wir alle haben zu „Please Please Please“ einer/m Ex nachgeweint, wir wippten zu „Impossible“ durch den Britwoch, haben uns zu „Walking In Your Footsteps“ gefreut, wie weit sie gekommen sind. Vier Jahre nach „Optica“ erscheint heute das neue Album „Ease My Mind“. Genau: Let’s call this a comeback.
Ein Gespräch mit Adam und Bebban an einem Sommernachmittag auf der Terrasse ihres Münchner Hotels am Tag vor ihrer Show beim Puls-Festival.
Es ist für mich gar nicht mehr so leicht, Fragen auszudenken. Weil wir uns jetzt ja doch schon kennen.
Bebban, Adam: Stimmt.
Wenn ich eine Band noch gar nicht gesprochen habe, kann ich Sachen fragen wie: „Wie habt ihr euch denn kennen gelernt?“ Aber selbst wenn es um Fragen geht wie „Was wollt ihr mit diesem Song aussagen?“ ist es oft so, dass ich ja schon quasi weiss, wo ihr her kommt. Na, aber ich hab’ mir trotzdem Mühe gegeben.
Bebban: Na, das ist gut. Danke für den Versuch.
Adam: Dafür weisst du insgesamt ein bisschen mehr.
Ja, ich kann den Text ein bisschen ausmalen. Und mir Antworten selbst ausdenken!
Bebban: Ja, haha!
Jedenfalls: Vier Jahre Pause. Ich schätze mal, in diesen vier Jahren ist eine Menge passiert, und dass das vielleicht auch auf die Platte gefunden hat?
Bebban: Stimmt. Viel ist passiert. Einige Nebenprojekte und … Babies. Das war so die Hauptsache.
Babies? Gleich mehrere?
Bebban: Ich nicht. Aber alle anderen haben mehrere Babies.
Adam: Zwei sind’s bei mir. Also, bei unserem letzten Album „Optica“ hatten wir eine abschließende Tour von 18 Shows an 18 aufeinander folgenden Tagen. Danach war jeder erstmal durch. Wenige Monate später kam mein Sohn. Wir reisten viel. Ted ging nach Hawaii und lebte da für sechs Monate, ich lebte ein paar Monate in Melbourne und ein paar Monate in Los Angeles. Ich arbeitete, aber ich hatte auch einige freie Zeit. Das war so etwa ein Jahr. Naja, Bebban machte dann ihre Astropol-Geschichte mit Björn Yttling von Peter, Björn and John und mit Nille – wie heisst seine Band noch mal? Vega?
Bebban: Er war in Vega, mit Björn. Aber abgesehen davon ist er vor allem ein Songwriter.
Adam: Ich habe eine Solo-EP gemacht – ich dachte, zwischen den Alben ist es eine gute Gelegenheit, mal ein Soloding einzubauen. Also habe ich das gemacht. Ja, es hat schon ein bisschen gedauert, bis wir dieses Album ins Laufen kriegten. Wir mussten erst mal die Inspiration und die Energie dafür aufbringen.
Ich schätze mal, man muss ja auch erst mal ein bisschen das Leben leben, damit man das Leben in der Kunst reflektieren kann.
Adam: Aber es war dafür sehr inspirierend, die ganze Gruppe wieder beisammen zu haben. Ich habe in letzter Zeit nämlich auch Songs für andere Sänger geschrieben. Da war es richtig gut, mal wieder ein gemeinsames Ziel zu haben, auf das man hinarbeiten konnte.
Für wen hast du denn so geschrieben?
Adam: Da gibt es einen schwedischen Künstler namens 1987…
Das ist sozusagen der neue The 1975, was?
Adam: Haha, genau. Nein, er hat mehr so einen R’n’B-Touch. Ach, da gibt es noch so einige Sachen, die erst noch erscheinen werden, dieses oder nächstes Jahr. So einiges Pop-Zeug. Am Anfang hat es mir richtig Spaß gemacht, so was zu schreiben, aber irgendwann hatte ich auch wieder genug davon. Als wir mit unserem Album angefangen haben, musste ich damit aufhören, weil es sich einfach nicht gut angefühlt hat, beides parallel zu machen.
Aber interessant zu erfahren, dass du das machst. Also, ich erinnere mich, dass du schon einen Song für Tove Styrke geschrieben hattest…
Adam: Also, das Lied habe ich damals eigentlich für Lykke Li geschrieben, für ihr erstes Album. Lykke und ich schrieben den Song fertig und er sollte eigentlich auf die Platte, aber am Ende passte er vom Style her dann doch nicht drauf. Aber Tove mochte ihn, also hat sie ihn aufgenommen. Naja, bisher sind es nur so drei, vier Songs von mir, die tatsächlich da draußen herumschwirren. So viel müssen wir darüber auch gar nicht reden. Es ist schon eine schräge Sache, für jemand zu arbeiten, den man kaum kennt, den man sieben, acht Stunden getroffen hat – aber man soll etwas kreieren, das persönlich ist. Man soll sofort eine Synergie finden – und das hat mir eines Tages auch irgendwie gereicht. Die Arbeit selbst macht dabei Spaß, aber hinterher kann man sich richtig ausgelaugt fühlen. Weswegen man aber umso motivierter ist, alles in die eigene Band zu legen.
Aber ich finde das interessant. Wenn du für jemand anderen schreibst, löst du dich von dir selbst und betreibst Songwriting quasi als Kunsthandwerk – aber mit den Shout Out Louds ist es persönliche Expression, korrekt?
Adam: Auf jeden Fall. Für Ersteres braucht man quasi bestimmte technische Fähigkeiten – da muss man auch mal schnell sein. Das macht Spaß, es immer mal wieder zu tun, ich habe nichts dagegen. Aber es muss ein Projekt sein, an dem ich Spaß habe.
Andererseits, diese Fähigkeiten kannst du dann ja sicher auch bei den Shout Out Louds anwenden. Das ist was, das ich mir für meine Fragen notiert habe: Mir kommt es vor, als hättet ihr mit jedem Album, das ihr macht, klarere Kontrolle über das Ergebnis.
Bebban: Glaube ich auch.
Wenn man „Howl Howl Gaff Gaff“ neben „Ease My Mind“ hört, klingt die Platte wie ein glücklicher Zufall. Die Neue klingt so, als macht ihr genau das, was ihr euch vorgestellt habt.
Bebban: Ja, ich denke, das kommt hin.
Adam: Wie du gestern schon jemals erzählt hast: „Howl Howl Gaff Gaff“, das waren damals einfach alle Songs, die wir zu dem Zeitpunkt überhaupt hatten.
Bebban: Alles, was wir hatten!
Adam: Beim nächsten Album war es schon reflektierter, da hatten wir mehrere Songs, aus denen wir auswählen konnten. Heute ist es so, dass wir Songs weglassen können, wenn sie nicht aufs Album passen oder Ideen erst mal beiseite legen. Trotzdem entstehen immer noch viele Ideen als glückliche Zufälle.
Bebban: Total, ja!
Adam: Das gibt’s immer noch, diese Momente: „Hey, dieses kleine Ding gefällt uns, lass uns da einen Song drumrum bauen.“ Aber wir wissen genauer, was wir nicht tun sollen und nach was wir suchen müssen.
Von Graham Coxon gibt es das Zitat, dass er ab und zu versucht, die Gitarre zu verlernen. Weil es spannender war für ihn, als er nicht immer wusste, was als nächstes passiert.
Bebban: Ja, das kann ich nachvollziehen.
Adam: Ich liebe es, neue Gitarren zu kaufen. Jede neue Gitarre ist ein kleiner Neuanfang – auf einer neuen Gitarre schreibe ich immer sehr schnell was Neues. Aber um aufs Thema Fähigkeiten zurück zu kommen: Am Anfang hatten wir noch sehr wenige. Da war für uns die Hauptsache, in einer Band zu sein. Da lag der Fokus noch überhaupt nicht darauf, etwas zu können, darauf, „Musiker“ zu sein. Damals waren wir mehr wie ein Wolfsrudel oder eine Gang. Aber es ist gar nicht schlecht, ein paar Dinge zu können. Es kann sehr hilfreich sein manchmal, die Sache im Griff zu haben, die man macht.
Ich muss sagen, ich finde die Platte sehr schön, beautiful. Im genauen Sinn dieses Wortes: Full of beauty, es ist voll Schönheit. Dazu die Frage: War das etwas, auf das ihr es angelegt habt? Etwas zu schaffen, dass einfach den Sinnen schmeichelt?
Bebban: Ich finde, das trifft ziemlich genau den Punkt. Zumindest was mich angeht. Manchmal glaube ich, die Leute haben fast Angst davor, sich der Schönheit hinzugeben. Der Frage: Was ist das Angenehmste fürs Ohr? Manchmal fühlt man sich fast dem Zwang ausgesetzt, einen schönen Moment zu verkomplizieren, nur damit es intellektueller rüber kommt und keiner sagen kann “Das ist zu zugänglich!“ Wir als Band sind immer schon von bestimmten Leuten abgelehnt worden. Wir seien zu süß, zu nett. Das stimmt ja auch so weit, nur dem „zu“ möchte ich widersprechen. Wir mögen Dinge, die nett sind und die hübsch sind und wir mögen schöne Musik.
Adam: Ich finde auch, dass dies eine sehr warm klingende Platte ist. Wir haben die Instrumente entsprechend ausgesucht, Das waren Entscheidungen, die wir bewusst getroffen haben. Wir haben das Mellotron viel eingesetzt und bestimmte Orgeln. Fredrik Swahn, der die meisten Songs des Albums produziert hat, kommt von der Seventies-Produktion. Diese Kombination aus klassischer Produktion und Elementen des modernen Pop, die funktionierte sehr gut, finde ich.
Da muss ich mal eben das Video zu „Oh Oh“ erwähnen, die Sonne, die Hügel – das waren genau die Bilder, die mein inneres Auge gebildet hat, noch bevor ich das Video überhaupt sah.
Bebban: Ach, echt?
Adam: Toll!
Musik ist ja etwas, das einen auf mehreren Ebenen erreicht… wie heisst das noch mal, wenn jemand seine Sinne als Kombination wahrnimmt? Wenn er sagten kann „Das schmeckt blau?“
Bebban: Ah genau, ich weiss was du meinst. Wenn man Musik in Farben sehen kann, und so?
Der Musiker Blood Orange, er hat es zum Beispiel.
Bebban: Wir haben da neulich erst drüber geredet, nicht wahr, Adam?
Jedenfalls – ich glaube, dass es vielleicht viele von uns haben, aber in einem mehr unterbewussten Level?
Adam: Gut möglich. Wahrscheinlich.
Bebban: Wir haben da neulich drüber geredet. Darüber, dass die verschiedenen Wochentage für uns verschiedene Farben haben.
Ist der Montag blau, wie New Order sagten?
Bebban: Das ist er!
Adam: Montag ist gelb.
Montag ist gelb?
Bebban: Dienstag ist für mich blau.
Adam: Dienstag ist ein dunkles Blau. Mittwoch ist rot. Samstag aber auch.
Bebban: Samstag ist auch rot, genau. Samstag hat auch eine zylindrische Form. Sonntag ist auch gelb. Drei der Tage sind gelb.
Adam: Ich sehe auch ein Jahr wie einen Kreis. Von oben, aus einem Winkel. Wir sind jetzt ungefähr hier: Sommer.
Ich finde das aber interessant, weil ich glaube, dass solche Dinge auch irgendwie auf Platten finden. Auch wenn es schwer wird, darüber zu schreiben. Aber ich denke, dass Songwriting auch eine Kunst ist, in der man sich dem Unterbewusstsein öffnet und der Hörer entsprechend einiges mit dem Unterbewusstsein wahrnimmt.
Adam: Stimmt, bei den Texten ist es auch oft so.
Bebban: Synästhesie! So heisst’s!
Genau! Synästhesie!
Bebban: Sorry, ich wollte nicht unterbrechen,
Adam: Alles gut. Ja.
Das Album trägt den Namen „Ease My Mind“. Ist das auch euer Ziel mit der Platte? Gedanken zu besänftigen? Oder waren es eure Gedanken, die besänftigt werden mussten?
Bebban: Beides.
Adam: Zuerst mal, auf einem persönlichen Level – die Welt ist zur Zeit chaotisch und fragil, man steht unter Druck, ob es jetzt die Arbeit am neuen Album ist oder einfach das Erwachsenwerden. Man sucht einfach seinen Frieden. Das war das, was in den letzten vier Jahren bei mir auf jeden Fall ganz oben auf dem Zettel stand: Frieden und Ruhe zu finden. Mit der Band zu arbeiten, das ist für mich auch ein Weg, all dem zu entfliehen, das gerade in der Welt passiert. Es hilft uns auch. Die Leute suchen nach etwas. Manche wenden sich der Religion zu oder Drogen. Naja, der Titel hat auch gut zu den Songs gepasst. Ach, die Songs sollten sich so anfühlen, als wenn man friedlich in einen Pool eintaucht. Jedenfalls die mehr gechillten Songs auf dem Album.
Bebban: Das ist etwas, worüber wir gesprochen haben: Es geht eine zeitweise Erlösung von all dem Druck in der Welt. Gerade für euch Jungs, die ihr Kinder habt.
Adam: Absolut.
Bebban: Der Zustand der Welt ist so, dass das einen auch überwältigen kann. Man hat das Gefühl, dass es keine Lösung für all die Probleme gibt, dass wir den Tag nicht erleben, an dem wir sie überwunden haben. So fühlt es sich oft an, und deswegen ist es okay, die Momente zu suchen, die einem Erleichterung verschaffen, auch wenn sie die Probleme nicht lösen. Klar, das bedeutet, die eigenen Erwartungen zu senken, was die Dinge angeht, durch die man sich gut fühlt. Oder zumindest, neu zu definieren, was für den Moment helfen kann. Das kann bedeuten: Ein Painkiller, eine Schlaftablette, ein One-Night-Stand.
Adam: Oder nur eine Berührung, eine Hand auf der Schulter. Kleine Momente. Kleine Hilferufe. Kommt auf den Zustand an, in dem man gerade ist.
Die Frage hatte ich mir in der Tat notiert. Bei dem Weg, den die Welt gerade zu nehmen scheint, mit Leuten wie Trump am Ruder – ist es da das Richtige, die Erleichterung zu geben, oder sollten Musiker nicht gerade jetzt Musik machen, die die Leute aufrüttelt?
Bebban: Zweifellos benötigen wir wird beides. Ich finde es ist sehr wichtig, dass wir als Gemeinschaft und als Individuen für die richtige Sache einstehen und dass wir sehr deutlich unsere Meinung sagen, für Menschenrechte und all die Dinge, die uns selbstverständlich scheinen in unseren Ländern, in denen Frieden herrscht. Aber so wichtig es ist, hier für die Sache zu stehen, so wichtig ist es doch auch, einen Ruhepol zu finden, um die die Energie wieder aufzutanken, um das durchzuziehen.
Adam: Genau, einen Schutzraum im Sturm.
Bebban: Mann braucht mal eine Pause, und die darf man sich erlauben, ohne sich gleich schuldig zu fühlen. So ist es für mich. Der Zustand der Welt, dass so viele Menschen leiden, das wird einem jeden Tag vor Augen geführt. Das ist fast alles, womit man gefüttert wird. Deswegen ist es für mich superwichtig, mich nicht schuldig zu fühlen, wenn ich mal was machen möchte, das nur gut für mich ist. Damit will ich nicht die Leute ermutigen, selbstsüchtig zu sein, aber man muss etwas Schönes und Gutes darin finden dürfen, zumindest für Momente dem Ganzen zu entfliehen. Dewegen kann man trotzdem noch gleichzeitig für die gute Sache kämpfen.
Adam: Musik und Kunst ist auch eine Flucht aus der Wirklichkeit. Trotzdem gibt es immer noch politische Musik, aber die erreicht auch nicht jeden. Letztlich ist alles, was irgendwie hilft, gut.
Glaubt ihr, dass die Musik in der näheren Zukunft insgesamt politischer wird? Die Leute scheinen sich insgesamt wieder für das zu interessieren, was um sie herum stattfindet. Während es davor eine Phase gab, da war alles sehr selbstzentriert.
Adam: Auch darüber haben wir uns neulich erst in der Band unterhalten. Als wir die Band gründeten, war Politik nicht so ein Thema. Klar, man war gegen Bush. Aber dies ist was anderes. Heute laufen Dinge ab, die sind heavier. Was auf jeden Fall stimmt, ist dass die Leute mehr drüber reden.
Bebban: Aber was die Musik betrifft – Zumindest in Schweden ist Indie momentan nicht besonders gefragt. Was umso mehr pulsiert, ist die schwedische HipHop-Szene. Denn dort drücken sich Menschen aus, die einen härteren Hintergrund haben, die vielleicht selbst Flüchtlinge sind oder deren Eltern Flüchtlinge waren – und man nimmt wahr, dass ihre Perspektive gehört werden muss. Das ist echt wichtig. Das ist eben die Frage, ob wir als weisse Kinder der Mittelklasse diejenigen sind, die politische Musik machen sollen – weisst du, was ich meine? Sowas muss manchmal von jemandem kommen, der auch tiefer drin steckt, sonst kommt es nur gönnerhaft und gutmenschelnd rüber.
Es wäre so wie das, was man „Blacksplaining“ nennt.
Bebban: Ja, genau. Gleichzeitig fällt mir auf, dass viele weibliche Musikerinnen eine sehr feministische Haltung annehmen, dass es viel um weibliche Unabhängigkeit und um weibliche Selbständigkeit geht. Das, finde ich, macht viel Sinn. Ich weiss aber nicht, welche Rolle wir uns als weisse Indieband anmaßen sollen. Trotzdem sind wir jetzt viel politischer.
Adam: Das stimmt.
Bebban: Nicht in unserer Musik, aber in unserem Leben, unseren Unterhaltungen.
Adam: Und auch in unseren Kanälen, sozusagen. In den sozialen Medien posten wir über Themen, die uns wichtig sind. Das ist das, worauf wir uns als Band fokussieren können, um unseren Beitrag zu leisten. Benefiz-Shows, für so etwas sind wir immer zu haben. Aber eben nicht unbedingt im Songwriting.
Bebban: Ich glaube, in unserer Musik analytisch und politisch zu sein, das könnten wir auch nicht. Weil wir so als Band nicht schreiben. Ich glaube auch, dass ein Song politisch sein kann, ohne ein Thema spezifisch anzusprechen. Interessante Frage aber. Ich weiss nicht, in welche Richtung das gehen wird. Politische Musik kann aber eine sehr wichtige Rolle spielen, vor allem für junge Leute. Als wir jung waren, hörten wie nicht viel politische Musik, oder es war uns jedenfalls nicht bewusst, wenn etwas politisch war. Wir sind in den 80ern groß geworden, da gab es Madonna und Michael Jackson, das war nicht politisch, das war Musik, die Spaß machen sollte.
Ändern wir mal das Thema. Was habt ihr auf dieser Platte Neues und Anderes gemacht, als ihr es den anderen Platten davor gemacht habt?
Adam: Also, das Studio, in dem wir aufnahmen, war sehr klein. Dadurch hatten wir sehr viel Zeit für die Aufnahmen. Okay, für „Optica“ hatten wir auch Zeit. Trotzdem, der enge Raum – wir hatten mehr Parties im Studio. Es gab die Momente, wo wir nach dem Aufnehmen noch Party gemacht haben, im Studio blieben und später wieder aufnahmen. Wir hatten also eine wirklich spaßige Zeit. Es hat uns einfach Spaß gemacht, im Studio abzuhängen, obwohl es da nicht gerade gemütlich war.
Bebban: Echt nicht.
Adam: Aber dadurch haben wir sehr viele Ideen sehr spät in der Nacht aufgenommen. Es gab sehr viel mehr Late-Night-Sessions als früher. Und wir haben uns einfach sehr locker und frei gefühlt in dem Studio. Zum Teil vielleicht, weil Alkohol im Spiel war, zum Teil aber auch einfach, weil wir uns zu Hause gefühlt haben in diesem Studio. Das hat auf jeden Fall einen Unterschied ausgemacht. Ansonsten haben wir wieder viel live eingespielt, wie auf die ersten zwei Alben. Erst geprobt und dann live aufgenommen, anstatt alles hinterher zusammen zu fügen.
Bebban: Wir haben auch die Vocals meistens gemeinsam aufgenommen, wenn alle gemeinsam im Studio waren. Was nicht so klingt, als wäre es was Besonderes, aber für uns ist es das schon. Denn Vocals, da waren wir immer echt empfindlich, da achtet man ganz genau auf die Pegel, man hat einfach großen Respekt vor den Gesangsaufnahmen.
Adam: Ich habe es nie gemocht, die Vocals aufzunehmen. Das haben wir immer bis zum Schluss heraus gezögert.
Bebban: Diesmal war’s plötzlich so: Adam, ich und Carl sind gemeinsam in die Kabine gegangen, und wir haben einfach drauflos gesungen. Dann sagte Fredrik: „Das passt so!“ und wir, „Gute Idee, dann singen wir’s jetzt noch mal richtig!“ Und er so: „Das WAR der richtige Take!“
Adam: Fredrik ist ein echt guter Producer in der Hinsicht. Er drückt einem einfach ein Mikro in die Hand und sagt: „Los, sing! Ihr anderen seid eben leise!“ Und diese Takes hat er auch verwendet. Er hatte diesen Respekt nicht, ihm ging es mehr um die Vibes, und wenn der Sound stimmte, war es das.
Es gibt eine sehr grundsätzliche Frage, die ich in Interviews öfter mal stelle. Ich weiss gar nicht, ob ich euch je gefragt habe. Und zwar: Was macht für euch einen guten Song aus?
Adam: … also, was mich angeht: Ich liebe gute Texte. Trotzdem kommt für mich die Melodie immer an erster Stelle fürs Gesamtbild eines Songs. Gute Lyrics stehen da an eine späteren Stelle, die bemerke ich immer erst später, wenn ich einen Song für mich entdeckt habe. Ich kann es auch nicht beschreiben, aber es gibt so bestimmte Kurven in einer Melodie, da kriegt man Gänsehaut. Oder man kriegt weiche Knie, denn die Melodie ist so gut. Die Melodie ist mir am wichtigsten, ihre Reichweite, sie kommt wie eine Welle, ach es ist schwer zu beschreiben.
Hast du selbst einen Trick, um auf diese Welle zu kommen, die du ansprichst? Der Killer-Tonartwechsel, oder sowas?
Adam: Ach… man hört Musik. Naja, vielleicht nicht bei den ersten beiden Platten, aber danach, seitdem kann ich größere Schritte machen oder kleine Sprünge. Eine Melodie in eine unerwartete Richtung zu pushen, das glaube ich, ist einfacher, wenn man schon mehrere Songs geschrieben hat.
Bebban: Für mich hat das fast etwas übernatürliches. Ich bin ja eigentlich nicht abergläubisch, aber ich möchte an so etwas glauben wie göttliche Eingebung oder göttliche Inspiration. Vielleicht hast du als Schreiber das ja auch?
Naja, ich bin so extremer Atheist…
Bebban: Nein, ich meine ja nicht, dass es von Gott kommt. Vielleicht ist es einfach ein Glitch in deinem Gehirn, dass ein Gedanke durchrutscht, den man nicht bewusst dort gesucht hat.
Ah ja, das Gefühl kenne ich, das auf einmal so ein Blitz durchs Gehirn zuckt und eine neue Verbindung zustande gekommen ist. Auf einmal sind ein paar Synapsen freigeschaltet worden.
Bebban: Sowas meine ich – nicht immer, aber ich glaube daran, dass es diese magischen Momente gibt. Klingt albern, aber es ist ja so. Ich schreibe etwas, und auf einmal steht da dieser Satz vor mir, dieser perfekte Satz, und ich weiss nicht, wo er herkam. Ich musste mich nicht anstrengen für diesen Satz, plötzlich ist er da. Vielleicht macht das einen guten Song aus, wenn etwas leicht von der Hand geht. Das nehme ich einfach an, weil es mir so geht.
Es ist gar nicht so schräg – das haben mir auch andere Songwriter so erzählt. Dass sie auf einmal einen Geistesblitz empfangen und hinterher nicht wissen, ob sie das wirklich selbst geschrieben haben.
So, die Anzeige auf meinem Handy sagt, dass wir jetzt 28 Minuten sprechen. Das heisst dass ich also noch Zeit für eine letzte Frage habe. Zum Schluss frage ich immer nach einer Anekdote, deswegen eine Frage zu den Aufnahmen. Was war der Moment, der euch am meisten zum Lachen gebracht hat im Studio, fällt euch da was ein?
Bebban: Hmm… Dürfen wir das sagen? Das eine Mal, als wir … (sie sagt Adam irgendwas Schwedisches im Flüsterton)
Das eine Mal, als wir die Prostituierte gefoltert haben?
Bebban: Haha, klar!
Adam: Eine Nacht haben wir eine Menge gekifft.
Bebban: Und wir sind das nicht gewöhnt. Wir sind keine Stoner. Wenn wir ausnahmsweise mal kiffen, dann kichern wir alle die ganze Zeit. Unser Producer Fredrik ist das viel mehr gewohnt. Er meinte so: „Lasst uns was rauchen und sehen, wo uns das hin führt.“ Und wir so: „Okay, machen wir das.“ Aber das Ergebnis war, dass wir zu völlig albernen Idioten wurden.
Adam: Carl hatte ein Gitarrensolo zu spielen, und er brauchte so etwa 25 Takes dafür.
Bebban: Man konnte echt gar nichts mehr mit uns anfangen in dieser Session.
Adam: Es ist das Solo auf „Porcelain“, das wird die Single, die kurz vor dem Album erscheint.
Bebban: Das Solo wurde aber letztlich super, ich liebe das Solo. Nur wie es entstanden ist, das war schräg. An dem Abend lachten wir viel, aber ich weiss nicht mehr, worüber. Das war schon lustig – Fredrik hat uns das Zeug gegeben, damit wir kreativ werden, statt dessen hat er die Idioten in uns geweckt.
Adam: Wir waren jetzt so unbrauchbar – Fredrik hat uns danach nichts mehr zu Rauchen gegeben, denn er ist eigentlich ein sehr arbeitsamer Typ. Aber wir hatten Spaß an dem Abend. Wir waren an dem Abend letztlich sein Publikum. Wir schauten ihm nur bei der Arbeit zu. Wir waren wir gelähmt und beobachteten ihn.
Bebban: Wir waren wie die beiden Alten in der Muppet Show. Nur stoned.
Alles klar! Vielen Dank für heute – hoffentlich auf bald wieder!
Adam, Bebban: Danke, bis bald!