The Babe Rainbow (AUS) – „The Babe Rainbow“
Noch jeder, dem ich das Youtube-Video zu „Peace Blossom Boogie“ zeigte, war begeistert. Retro-Bands gibt’s zwar viele auf der Welt, aber die drei Australier aus dem Örtchen Rainbow Bay an der Gold Coast lösen trotzdem was aus. Sie haben sich in diesem Clip auf eine spezifische, sympathische Mikro-Ära gestürzt, die jedem ein Lächeln aufs Gesicht zaubert. Keine Ahnung, wie sie den Londoner Doppeldecker-Bus nach Australien gekriegt haben – aber wie sie und ihre Freunde so in Sixties-Klamotten vom Speicher durchs Grüne fahren, da leben Hippie-Ideale und kommen die Vibes von Mungo Jerry’s „In The Summertime“ auf. Da wünscht man sich, man könnte zusteigen.
Die Frage war nun: Können die Jungs das auch ein ganzes Album lang durchziehen, ohne dass es von seinem Reiz verliert? Darauf würde ich antworten: Im Großen und Ganzen kriegen sie das hin, auch wenn (oder vielleicht sogar: weil?) das Ganze manchmal ein bisschen ausfranst und den Fokus verliert.
Tja, und das war’s auch schon. Rezension vorbei.
Nee, natürlich doch noch nicht. Ein bisschen konkreter will ich das doch noch aufdröseln.
Zuerst mal: The Babe Rainbow werden jetzt mit dem Kürzel (AUS) versehen, weil es schon andere Acts mit dem Namen auf der Welt gibt und gab. Ursprünglich ist „Babe Rainbow“ ein Gemälde des britischen PopArt-Künstlers Peter Blake (Ja, genau der, der z.B. auch das Cover von „Sergeant Pepper“ der Beatles gestaltet hat), Indie-Nerds kennen das Bild vom Cover des 1991er Albums von The House Of Love. Das hieß zwar nie offiziell „Babe Rainbow“, aber weil die Worte auf dem Cover zu lesen waren und weil The House Of Love mit ihrer Angewohnheit, ihren Alben keine Namen zu geben, alle verwirrten, wird es vielfach so bezeichnet.
Aber zurück zu The Babe Rainbow, der Band. Die besteht aus zwei Australiern (Angus und Jack) und einem Venezuelaner (Lulu), den sie in Paris kennen lernten. 2014 machten sie auf sich aufmerksam mit einer Handvoll feiner, sixties-esker Singles. Die erschienen auf dem Label Flightless – und da werden manche aufhorchen, denn Flightless ist schließlich die Plattenfirma, auf der auch King Gizzard & The Lizard Wizard veröffentlichen. Auch nicht uninteressant: Durch die USA sind The Babe Rainbow bereits getourt, im Vorprogramm der Allah-Las – was ja auch gut zusammen passt.
Klar, dass auch ihre ersten Singles schon diesen Psychedelia-Pop-Charme hatten. Auf „Aloe Vera“ beispielsweise hören wir eine Sitar, WahWah-Gitarren und eine Bassline, die Wendeltreppen auf- und ab zu laufen scheint, gar herrlich ist’s. Auch „Love Forever“ oder „Secret Enchanted Broccoli Forest“ sind so pittoresk sixties-mäßig, dass es fast schon Austin Powers-Pesiflage-Ausmaße annimmt. Liebevoll gemeint, natürlich. Aber halt schon auch beinahe plakativ.
Das ist die Sache, die „The Babe Rainbow“, das Album, den früheren Singles voraus hat. Die früheren Singles haben zwar die Ohrwurm-Refrains, aber auf dem Album graben sich die Aussies mehr die eigene Furche. Da gehen sie vom reinen Sixties-Anhimmeln weg und entwickeln ihre eigenen Vibes. Man kann’s sogar am Cover erkennen: Die Singles machten auf drolligen Sixties-Style mit ihren Farben und Fonts. Das Albumcover (siehe oben – in meinen Augen ist es das bisher schönste dieses Jahres) ist an die Sixties angelehnte KUNST.
Diese Tendenz zum eigenen Sixties-Weg geht schon mit dem akustischen Opener „Losing Something Is Finding Something Else“ los. Gut, vielleicht gibt es für den Song sein originales Sound-Pendant aus der Vergangenheit – aber wenn dem so ist, kenne ich es nicht.
Es folgt die angesprochene Single „Peace Blossom Boogie“. Die entgeht ebenfalls der Sixties-Kopismus-Falle, indem sie verschiedene Flavours kombiniert, anstatt einen bestimmten 1:1 nachzubauen.
Track 3 heisst „Monky Disco“ und bietet eine neue Farbe auf der Palette. Ja, in der Tat, Disco-Beats und Disco-Bass kommen ins Bild. In den Sixties selbst gab’s das ja noch gar nicht. So ist die Kombi aus handgemachter Surf-Psychedelia und tanzbarem Rhythmus richtig was Neues. Auf dem mit Bongo-Trommeln angetriebenen „Johnny Says Stay Cool“ und „Sunflower Sutra“ nehmen The Babe Rainbow diesen Faden gleich noch mal auf.
„Fall In Love“ fährt das Tempo runter, bleibt aber groovy. Damit erinnert es vom Rhythmus fast an das, was die Happy Mondays machten / Jagwar Ma heute machen – um zur Mitte des Songs den Beat rauszunehmen und in eine verspielte, psychedelische Nebengeräusch-Minute abzudriften. An diesem Moment erinnert man sich dann wieder daran, dass TBR nun mal Labelmates von King Gizzard & The Lizard Wizard sind. Die machten ja schon mal ein fröhliches, Alice-im-Wunderland-mäßiges Akustikalbum namens „Paper Mâché Dream Balloon“ – es sind ähnliche Vibes, die wir bei The Babe Rainbow hören.
Nun will ich jetzt nicht jeden einzelnen Song des Albums bis zum Schluss beschreiben. So viel sei gesagt: Die drei Aussies finden von Lied zu Lied Wege, ihrem Vibe treu zu bleiben, aber die Musik variabel zu gestalten. Es bleibt verträumt, laid-back und schwurbelig. Es ist Hängemattenmusik für den Sommer – ich hoffe, der kommt noch mal zurück, damit ich mir diese Platte vorm Herbst noch mal im entsprechenden Ambiente zu Gemüte führen kann.
Das ist alles fein und dandy – eine Sache, die die Singles hatten, fehlt mir aber vielleicht doch: Das Hitpotential. Also, klar ist es echt prima, dass The Babe Rainbow hier ein so einen konsistenten Vibe zaubern (wie oft will ich in diesem Text eigentlich noch das Wort „Vibe“ verwenden? Aber ich denke, es sagt wohl was über die Platte aus, dass ich immer wieder darauf zurück komme). Andererseits: Ich traue der Band halt echt zu, mehr als nur ein obskurer Geheimtipp zu sein. Angenommen, sie hätten auf dem Album tatsächlich ein oder zwei Bringer, die tatsächlich nicht nur die Atmosphäre, sondern auch den knackigen Ohrwurmfaktor von „In The Summertime“ mitnähmen, einen Song, der auch auf den Indiediskos der Welt zieht – dann könnte echt mehr gehen für diese Band. Denn wie gesagt: Ich habe noch niemand erlebt, der das Feeling, das The Babe Rainbow im „Peace Blossom Boogie“ Video rüber bringen, nicht super fand.