Interview: Jake Bugg

Es gibt Musiker, die sind echte Labertaschen. Die muss man nur anstupsen und sie erzählen und erzählen, kommen vom Hundersten ins Tausendste. Aber es gibt auch Musiker, die bleiben verschlossen. Jake Bugg gehört eher in die zweite Kategorie. Nicht, dass er überhaupt nichts sagt im Interview – aber er hält sich halt doch immer ein bisschen bedeckt. Trotzdem: Als Interviews für sein heute (01.09.) erscheinendes viertes Album „Hearts That Strain“ anstanden, habe ich mich natürlich um eins bemüht. Die Platte ist nämlich wirklich gelungen. Alles Weitere dazu in unserem Gespräch:

Hello there?

… Hello.

Hey, alles klar? Du klingst müde, ehrlich gesagt!

Ja, das bin ich auch. (auf deutsch) Wie geht`s?

(ebenfalls auf deutsch) Oh, es geht mir ziemlich gut! (zurück auf englisch) Hast du das verstanden?

Ja, dir geht’s gut..

(und wieder auf deutsch) Und wie geht’s dir?

Tschuldigung, das habe ich jetzt nicht verstanden. So gut ist mein Deutsch dann auch wieder nicht.

Ach, ich fragte nur „How are you?“

Ach so. Ganz okay. Ein bisschen müde bin ich, wie gesagt. Ich habe viel zu tun zur Zeit.

Was hast du denn so Anstrengendes getan heute?

Hmm, was habe ich getan? Mein Haus geputzt… nicht sehr Rock’n’Roll. Ansonsten habe ich gechillt und ein bisschen Gitarre gespielt.

Alles klar. So, dein viertes Album steht an. Und es ist sozusagen dein Nashville-Album, richtig?

Ja, das kommt hin. Da habe ich aufgenommen dieses Jahr. Ich liebe Nashville, und es war cool, sich da mal länger aufzuhalten.

Ich war noch nicht in Nashville – und so geht es sicher einigen unserer Leser. Deswegen die Frage: Was ist denn für jemanden, der von außen kommt, das Besondere an Nashville? Holt die Stadt etwas aus einem raus, das ein anderer Ort nicht bringt? Oder ist, wenn man erst im Studio ist, die Außenwelt letztlich egal? 

Naja, was natürlich etwas ausmacht, ist, WIE VIEL Musik es dort einfach gibt. Und die enorme Qualität dieser Musik – die Fähigkeiten der Musiker. Das ist in einer anderen Stadt schon schwer zu finden, einfach dieser Level an Qualität, der ist einfach höher, verglichen mit quasi jedem anderen Ort der Welt. Für einen Musiker und für jemanden, der Musik liebt, ist es ein unglaublicher Ort.

Hast du es auch auf einen bestimmten Nashville-Sound angelegt, oder passiert das quasi als Nebeneffekt, wenn man dort aufnimmt?

Ich denke, das ist schon so. Die Musiker, mit denen man aufnimmt aus Tennessee und Umgebung, die bringen das einfach ein. Ich schreibe die Songs – ich hab’ sie zu Hause geschrieben und zu Hause klangen sie ganz nach mir. Aber wenn man die Songs diesen Musiker in die Hände gibt, kriegen sie schon ein anderes Gefühl, eine andere Atmosphäre. Aber das ist etwas, das die Songs nach vorne bringt.

Das heisst, die Urversionen der Songs hatten weniger diesen Country-Twang?

Ja – also ein paar von ihnen hatten schon durchaus was Country-mäßiges. Ich habe ja früher schon Songs mit Country-Einfluss geschrieben und diesen Einfluss werde ich immer behalten. Aber wenn man die Lieder dann auch noch mit dieser Band einspielt, mit der ich im Studio war, dann wird das natürlich noch mal betont.

Ja, da stehen ein paar große Namen in der Teilnehmerliste. Zuallererst mal der Produzent Dave Ferguson, der zuletzt mit Sturgill Simpson arbeitete. Auch das Tyler Childers – Album hat er betreut, das mich sehr begeistert. Klar hat Ferguson früher bereits viel mehr gemacht, nicht zuletzt Johnny Cash – aber Sturgill Simpson ist nun mal mein Zugang zu Dave Ferguson. Deswegen die Frage: Hast du zuletzt Sturgills Musik gehört, diese Art Americana?  

Also, ich bin kein Kenner, was modernen Country angeht. Aber die Sturgill Simpson-Platten habe ich gehört und die finde ich ganz schön gut. Er ist auch einer von denen, der klassische, althergebrachte Musik mit moderner Musik verbindet. Das ist auch das, was Dave Ferguson auszeichnet. Er schafft eine gute Atmosphäre im Studio, so dass man sich wohl fühlt, und er hat eine Gruppe guter Typen um sich geschart, prima Musiker.

Du bist jetzt 23, richtig?

23, genau.

Das heisst, du bist heute ein anderer Songwriter als mit 18. Einfach, weil du jetzt ein paar Jahre mehr Lebenserfahrung hast. Mit 23 sind einem einfach mehr Dinge passiert, als einem mit 18 passiert sind. Und ich meine dabei gar nicht spezifische Erfahrungen mit dem Musikbiz oder auf Tour – sondern Erfahrungen einfach als Mensch. Meine Frage: Welche Dinge sind im letzten Jahr in deinem Leben passiert, außerhalb der Musik, die sich auf dieses Album niederschlagen?  

Naja, das ist schwer zu beschreiben, denke ich mal. Was formt einen? Vielleicht bestimmte Leute, die man trifft und mit denen man arbeitet? Einfach dieser Umgang mit bestimmten Leuten kann einem etwas beibringen, auf was es wirklich ankommt in der Musikwelt. So lange ich weiter Leute kennenlerne, werde ich weiter reifen, denke ich.

Das sind aber Erfahrungen in der Musikwelt. Ich zielte mehr auf das Leben außerhalb ab. Man macht Trennungen durch oder erlebt, dass ein Mensch stirbt, den man kannte. Sowas prägt einen ja. Gab es da tief gehende Erfahrungen, die dich verändert haben? 

Ja, klar. Aber so ist das Leben. Sowas erlebt jeder Mensch. Darauf reagieren die einen stärker als die Anderen. Ich sehe das als Dinge an, die einfach passieren. Dinge, die aber ja auch passiert wären, wenn ich kein Musiker wäre. Wahrscheinlich verändert’s einen. Ich kann aber nicht sagen, wie stark das einen geistig prägt, da bin ich mir nicht so sicher. Also, das gilt für mich.

Was mir aufgefallen ist: Das Album hat fast ausschließlich Balladen. Warst du beim Schreiben irgendwie auf Balladen gepolt, war das gerade deine Inspiration? Oder hat sich das aus anderen Gründen so ergeben? 

Also, ich habe so etwa 20 Songs geschrieben. Wir haben dann die besten für das Album gepickt – oder sagen wir’s so: Die, die am besten zusammen gepasst haben. Ich hatte noch ein paar schnellere Beat-Songs, bei denen es aber schwierig gewesen wäre, sie fürs Album passend zu machen. Es war dann schon wichtig, einen Zusammenhang zu bewahren. Eine Platte aus einem Guss zu machen, dass keine Lieder drauf sind, die klingen, als gehörten sie auf ein anderes Album.

Dann hast du noch einen Stapel schnellerer Songs auf Halde, richtig? Dann kann dein nächstes Album ja die Punkrock-Platte werden!

Ich weiß nicht – aber ich würde schon gerne ein schnelles Rockalbum machen, das würde mir schon gefallen. Vielleicht aber nicht sofort.

Dan Auerbach und sogar Mitglieder der Memphis Boys, die noch mit Elvis himself aufgenommen haben, gehörten in Nashville zu deiner Band. Was bedeutet dir das? Bedeutet es überhaupt was, wenn die Studiotür zu ist – oder arbeitet man dann einfach nur fokussiert?

Das ist schon unglaublich. Also, wenn die Studiotüren zu sind – dann denkt man in der Tat nicht weiter drüber nach. Da will man nur das Beste aus den Songs raus holen und gut spielen. Aber wenn man nach Hause kommt und einen die Leute dazu befragen, so we du jetzt – dann ist das natürlich schon eine echt coole Sache. Dann bin ich sehr froh, dass ich das machen konnte. Es war eine große Freude, mit diesen Leuten zu arbeiten. Ich glaube, das sind einfach echt gute Musiker. Sie machen einen besser, wenn man mit ihnen spielt.

Erzählen diese Musiker dann Geschichten von Elvis oder Neil Diamond oder Dusty Springfield, mit denen sie ja auch aufgenommen haben? Hast du nach Anekdoten gefragt?

Ja, sie haben ihre Geschichten. Ich habe sie nie spezifisch danach gefragt, aber sie hatten immer irgendwelche Geschichten auf Lager – so viele, dass man sich gar nicht so leicht daran erinnern kann. Ich könnte jetzt keine erzählen.  Aber sie hatten lustige Geschichten und wir hatten eine prima Atmosphäre. Es wurde viel gelacht.

Okay. Es ist ja bekannt, dass deine Karriere begann, als du noch sehr jung warst. Am Anfang fokussierten sich die Medien auch speziell auf deine Jugend. Beim dritten Album war die Jugend dann kein Thema mehr, dafür schien es, als seist du jetzt zum Abschuss freigegeben. Dein drittes Album hat einige ziemlich übertriebene Kritik einstecken müssen. Hast du das auch so erlebt?  

Das weiss ich gar nicht, ehrlich gesagt achte ich echt nicht auf das, was geschrieben wird. Ich schreibe nur die Songs, und wenn Leute sie mögen, mögen sie sie – und wenn nicht, dann halt nicht. Ich kann ja nicht erwarten, dass es allen gefällt. Also versuche ich auch nicht, es allen Recht zu machen.

Das letzte Album hast du auch quasi ganz im Alleingang eingespielt, aufgenommen und produziert. Jetzt arbeitest du also wieder mit einem Team. 

Da ging es um die Lernerfahrung. Es war gut, alleine im Studio zu sein und zu experimentieren, zu versuchen, mich zu verbessern. Vielleicht hat’s ja funktioniert? Ich habe jetzt diese vierte Platte, und vielleicht hätte ich sie nicht, wenn ich die dritte nicht vorher gemacht hätte.

Das wäre meine Frage gewesen: Was hast du beim dritten Album gelernt, das du jetzt fürs Vierte verwenden konntest?

Ich denke, weil ich ein paar der Songs produziert habe habe ich diese Perspektive auf die Musik kennengelernt. Außerdem habe ich neue Instrumente gelernt, ich kann jetzt ein bisschen Schlagzeug und ein bisschen Klavier. Einige der Songs auf der neuen Platte habe ich am Klavier geschrieben. Das gab mir also die Möglichkeit, Neues zu lernen und zu kreieren.

Wenn man jemand anderem den Job gibt, zu produzieren, ist es ja auch eine Erleichterung der Arbeit, oder? Etwas, um das man sich nicht kümmern muss.

Auch das ist wieder eine neue Möglichkeit, etwas zu lernen. Man guckt sich natürlich die Arbeitsweise des neuen Kollegen genau an. Und wenn man dann das nächste Mal selbst produziert, hat man ein paar Asse mehr im Ärmel!

Zu den neuen Songs. Du bist jetzt 23 – aber einer der Songs heisst „In The Event Of My Demise“. Warum denkt denn ein 23jähriger schon an den Tod?

Naja, der Tod ist immer um uns, oder? Der Song erzählt ja außerdem auch eine Geschichte. Man hört diese Stories von Leuten, die auf einmal auftauchen, wenn jemand auf dem Totenbett liegt. Leute, die darauf warten, dass andere sterben, um daraus Nutzen zu ziehen. Auf einer solchen Story basiert das Lied. Ziemlich düstere Geschichte, aber auch ein bisschen witzig.

Ein anderes Lied, das ich als Thema gepickt habe, ist „The Man On Stage“. Hattest du ein bestimmtes Vorbild im Kopf, oder geht es da mehr um den Sänger an sich? Quasi jeder, der auf eine Bühne geht und für die Kunst sein Herz ausschüttet?

Eigentlich geht es mehr um die Leute, die einen Künstler bewundern. Ich hatte das große Glück, dass ich viele Leute kennenlernen durfte, die ich bewundere. Dabei bin ich aber auch enttäuscht worden und das nicht selten. So geht es sicher vielen Fans. Es geht letztlich darum, dass das Bild, das man sich als Bewunderer macht, oft nicht mit der Person übereinstimmt, die auf der Bühne steht und singt.

Was ist dein Gefühl – was ist es, das deine Bewunderer von dir erwarten?

Ich denke, ich bin zum Beispiel viel alberner, als sich die Leute mich vorstellen. Ich mache gerne Witze. Nicht, dass ich jetzt der größte Clown der Welt wäre, aber ich bin auf jeden Fall nicht so ernst, wie viele Leute sich das vorstellen.

Eins meiner Lieblingslieder der Platte ist „Southern Rain“. Was gibt es zu dem Song zu erzählen?

Das war der letzte Song, den ich für die Platte geschrieben habe. Zu dem Zeitpunkt brauchte ich noch einen echt starken Song, der auch in die Stimmung der Platte passte. Dann schrieb ich die Melodie, aber ich hatte keine Zeit, den Text fertig zu kriegen. Ich war schon auf dem Weg zum Flughafen, als ich den Text schrieb. Und vom Flughafen ging’s direkt ins Studio, wo wir das Lied aufnahmen. Es ist sowas wie ein Liebeslied. Alles läuft eigentlich gut, aber irgendwie ist man sich vielleicht zu ähnlich. Naja, darum geht’s. Das letzte Lied, das noch auf die Platte kam.

Interessant aber, dass du mal eben so auf dem Weg zum Flieger einen Text herzaubern kannst. Nicht jeder kann mit Deadlines so gut umgehen, manche Leute würden in dem Moment erst recht hängen bleiben.

Mir hilft Druck sogar immer ein bisschen. Wenn man zum Beispiel ein Publikum vor sich hat, das sich ein bisschen schwieriger zeigt und das ich erst überzeugen muss, dann spiele ich bessere Shows, als wenn die Leute mich eh bejubeln. Und wenn eine Deadline vor mir liegt, dann arbeite ich fokussierter.

Na das dürfen deine Fans aber nicht erfahren, sonst machen sie dir künftig auf den Konzerten das Leben absichtlich schwer, um eine bessere Show zu kriegen.

Na, das könnte doch was Gutes sein?

Okay. Jetzt ein anderes Thema. Es gibt auf der Insel einen neuen jungen Songwriter, der ebenfalls als Teenager früh hoch gejubelt und von den Labels gejagt wurde, nämlich Declan McKenna.

Mm-Hmm.

Ihr schreibt ziemlich unterschiedliche Songs. Trotzdem die Frage: Habt ihr euch schon kennen gelernt und wenn du Declan Tipps geben solltest, als jemand, der seine Situation bereits erlebt hat, welche Ratschläge wären das?

Also, wir haben uns noch nicht getroffen, und ich kenne bis jetzt nur eins seiner Lieder. Was würde ich ihm raten? Naja, dass er einfach fleißig weiter Songs schreiben soll  und das ist auch schon alles. Wenn du die entsprechenden Songs schreibst, wird es auch mit der Karriere funktionieren. Wenn die Songs gut sind. Wobei ich jetzt nicht hochnäsig rüber kommen will, ich würde mir normal ja nicht anmaßen, ihm zu sagen, was er zu tun hat.

Jetzt folgende Frage: Die politische Situation ist zur Zeit ja sehr sonderbar. Trump, Brexit – das sind Dinge, die jeden beschäftigen. Bisher gingen deine Texte zumeist über dein Innenleben. Kannst du dir vorstellen, dass es künftig auch politische Songs von dir geben wird? 

Also, in meinem täglichen Leben sind das natürlich Dinge, mit denen ich mich befasse. Aber Musik ist für mich ja genau das, womit ich von den Problemen der Welt mal abschalte. Man macht den Fernseher an oder liest eine Zeitung und sieht so viel Schmerz und Ungerechtigkeit in der Welt – wenn ich Musik spiele, will ich da nicht dran denken und möchte nicht darüber singen. Es bereitet mir Schmerzen, es laugt mich aus, und die Leute werden schon genug damit konfrontiert – sie brauchen mal etwas Erlösung davon. So sehe ich das für mich persönlich. Es gibt Songwriter, die das können, die gute politische Kommentare abgeben können. Ich aber schalte davon ab, wenn ich eine Gitarre in die Hand nehme. Jetzt wird es Leute geben, die sagen, dass ich meine Augen verschließe, aber das tue ich nicht. Trotzdem tue ich nur das, was mich für selbst  das Richtige ist, und es ist mir egal, wenn das egoistisch ist.

Die Frage ist dir nicht das erste Mal gestellt worden, was? Die Antwort klang jetzt ein bisschen so, als hättest du sie schon öfter gegeben. 

Ich hab’s einfach immer schon so gesehen. Ich meine, ich komme nicht aus der besten Gegend. Klar, es gibt noch viel schlimmere Orte. Aber es war nicht schön dort. Doch immer, wenn ich eine Gitarre in die Hand nahm, war es, als wäre ich nicht mehr dort. Die Gitarre war meine Waffe, mit der ich ausbrechen konnte.

(…die Lady der Plattenfirma kommt in die Leitung. „Eine Minute noch!“)

Alles klar! Wir sind in der Tat praktisch fertig. Haben wir noch was vergessen, Jake?

Hmmm… also ich glaube, wir haben alles abgedeckt, oder? Ich kann vielleicht noch sagen, dass eine Show in Berlin ansteht, im November. Ich freue mich immer, wenn’s nach Deutschland geht zum Spielen – und euer Bier mag ich auch. Also bin ich schon ganz aufgekratzt,

Na das hören wir gerne! Na dann viel Erfolg mit der neuen Platte und Danke fürs Interview

(auf deutsch) Dankeschön!

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