Gold Class – „Drum“
Eine der Eigenschaften, die ich bei Bands nicht schätze: Humorlosigkeit. Es ist ja nicht so, dass ich Künstler will, die witzisch-witzisch-hahaha-Musik machen – aber eine gewisse Selbstdistanz, Verspieltheit und Selbstironie schadet niemandem, finde ich. Bierernstigkeit dagegen kann sehr verkrampfend wirken. Es ist wohl ein Indiz dafür, was Gold Class für eine verdammt gute Band sein müssen, dass ich sie echt großartig finde, obwohl ihnen jegliche Leichtigkeit und jeder Witz abgeht.
Wenn Adam Curley lesen würde, dass ich ausgerechnet die Leichtfüßigkeit und das Grinsen beim zweiten Album seiner Band vermisse, würde er sich wahrscheinlich wortlos umdrehen und gehen. Dies sind Dinge, die in der Welt des Sängers und Texters von Gold Class nicht vorkommen. Dieser junge Mann hat Pommes auf seiner Schulter, um eine englische Redewendung absichtlich falsch zu übersetzen. Mehr als das – Curley trägt noch viel schwereres Gewicht auf seinem Rücken.
Zitieren wir ausnahmsweise den Pressezettel: “The week we started to write Drum, my relationship ended and I was left alone in a draughty old house, which belonged to a friend of a friend. In the house, I sat around with my notebook, the quiet hours cut with news from friends and the TV: the suicides of musicians and writers I’d known and queer kids I hadn’t; the systematic abuse of vulnerable people, the constant mockery of anyone on the outs.“
Es geht weiter: „I wanted it to be a record of defiance, a resistance to the idea of scrambling for a place at a table that wasn’t set for you. A sort of a love letter to anyone who not only can’t meet the standard but doesn’t want to. I wanted it to be a record of rage and ecstasy and endless nights and sex and dumb fun and ventures in solidarity. Not just an album of urgency and longing, but one of abandon and a reclaiming of a self beyond boundaries. […] Maybe I was trying to come to some peace with the past and to stand up and find some agency in the present. I suppose it was the most defiant thing I could think to do: not to write as some act of catharsis but in an attempt simply to document and claim my existence; that I am here.“
Wir lesen daraus: Melbourne, das wir von der anderen Seite des Planeten immer so als Idyll der Lässigkeit und der Kreativität verklären, kann auch anders. Gerade als Mitglied der Gay Community fühlt man sich in dieser Stadt als an den Rand gedrängter Außenseiter. Und dieses Gefühl, nicht dazu zu gehören, ausgeschlossen zu sein, das muss auch und gerade in einer sonnigen Stadt der Surferdudes und der Hipster-Kaffeekultur umso frustrierender und demoralisierender sein. Ergo klingt Adams Band dann auch nicht nach nach der Sonne Victorias, sondern nach tristem grauem Manchester-Regen.
Die Band, an die ich bei Gold Class immer denken muss, das ist Joy Division. Auch eine freudlose Band. Auch Ian Curtis war jemand, zu dem man nicht sagte: „Hey, grins doch mal!“ Und auch Joy Division brauten aus Kälte, Distanz, Dissenz und Dissonanz zuckenden, knallenden Postpunkpop.
Das ist das, was wir auf „Drum“ vor uns haben: 10 Songs, unterkühlt aber innerlich brodelnd, kantig aber einnehmend. Lieder, die so viel innere Reibung aufbauen, dass sie sich blitzend entladen, wenn man mit dem Finger dran kommt. Im Idealfall ballt sich all diese Friktion zu unwiderstehlichen Pop-Bomben: Meine Favoriten „We Were Never Too Much“, „Twist In The Dark“ und „Lux“ sind rasante, schnittige, intelligente Gitarrennummern, die einen am Kragen packen, so dass man mitbeben muss.
Ein Sonderlob dabei an alle Bandmitglieder: An Gitarrist Evan James Purdy, der seine Saiten singen, klagen und kreischen lassen kann und der damit Adams Dringlichkeit ideal unterstreicht und anschiebt. Auch die Rhythmus-Sektion aus Bassist John Shub und Drummer Mark Hewitt findet den richtigen Weg, das Gesamtbild nicht nur zu begleiten, sondern satt und komplex zu pushen, ohne sich nach vorne zu drängen. Das ergibt schon eine ziemlich ideale Kombi.
Wenn Gold Class Tempo aufnehmen, mag ich sie am liebsten. Klar aber, dass sie auch ab und zu abbremsen. So ehrlich muss ich sein: Während z.B. die brilliante Midtempo-Nummer „Thinking Of Strangers“ mich immer noch packt, läuft das zähe „Mercurian“ eher an mir vorbei.
Noch ein kleiner Kritikpunkt: Melodien. Klar, Melodien sind nicht das, worum es bei Gold Class geht. Melodien ergeben sich bei Gold Class eher zufällig, aus dem Rhythmus und Adam Curleys sprachlichen Duktus heraus – und das macht Sinn für sie. Aber es gibt die Fälle, die Vorab-Single „Rose Blind“ ist einer, da wird ein möglicher zehn-Punkte-Song (die Bridge ist super!) durch einen unnötig monotonen Refrain abgewertet.
Naja, aber das sind echt Nebensächlichkeiten. Das wichtige ist doch: Wir haben hier eine Band vor uns, die echt was zu artikulieren hat und die dies auf denkbar stimmige Weise tut. Bei all dem gelingt es Gold Class auch noch, eine enorme Reibungsenergie auf den Hörer zu übertragen. „Drum“ ist ein Spitzenalbum.
Deswegen noch mal nach oben, zu Adam Curleys Zitat. Er beschließt es mit den Worten, diese Platte sei „an attempt simply to document and claim my existence; that I am here.“ Da sage ich: Mission accomplished, Adam. Prägnanter kann man seinen Claim nicht abstecken.