The Preatures – „Girlhood“
Hmm. Das ist jetzt schon ein bisschen schade. Ich LIEBTE das erste Album der Preatures. Ganz doll sehr. Ich verteidigte es vehement gegen alle, die sagten: „Das ist mir zu mainstream“. Weil ich fand, dass die Platte echten Pep hatte. Sie hatte diese Art Songs, bei denen man wie von selbst mitschnipsen musste, allem voran natürlich bei der Single „Is This How You Feel“. Dieser kleine Welthit begeisterte auch mit seinem smarten Arrangement: Das blieb bewusst luftig, da hatten Bassline, Gitarrenlick und Boy/Girl-Vocals alle ihren Raum.
Auch die letztjährige Single „I Know A Girl“ löste bei mir genug aus, dass ich extra einen kompletten Beitrag drüber schrieb.
Aber jetzt ist es da, das zweite Album von Isabella Manfredi und ihren Boys aus Sydney – und die gewohnte Begeisterung will dieses Mal irgendwie nicht aufkommen.
War meine Vorfreude, meine Ansprüche zu hoch? Klar, das ist immer ein Faktor. Wenn man die Latte zu hoch legt, sieht auch ein guter Sprung aus, als sei er drunter durch gegangen.
Die Latte haben The Preatures mit ihrem Debüt aber selbst nun mal sehr hoch gelegt. Vor allem: Sie haben ein paar Regeln aufgestellt, eine Identität geschaffen, mit denen sie auf dem neuen Album brechen. Isabella Manfredi sagte mir mal im Interview, sie legte großen Wert aufs Kürzen: „Du hast ein Intro, das geht über acht Takte – dann stell dir die Frage: ‚Geht das nicht auch in vier Takten?‘. Vielleicht fragst du danach: ‚Warum nicht nur zwei Takte?‘ Das funktioniert! Weil man die Leute mit so etwas kitzelt, sie nicht satt macht. Es hat was, wenn man einen Song kurz und prägnant hinkriegt.“
Auf dem ersten Song des Albums hält Isabella sich an ihre alten Regeln und es funktioniert. „Girlhood“, der Titelsong und die erste Vorab-Single aus dem Album, startet abrupt. „Da-deng, da-deng, da-DENG!“ brezelt die Gitarre rein, und noch bevor sie ausgeschwungen hat, ist Isabella bereits in der ersten Strophe. Der Song verwendet das schwungvolle Tempo von „Is This How You Feel“. Leider ist das Arrangement nicht auf dessen Level, es fehlen die Überraschungen, die der Hit bereit hielt. Dafür schneidet der Text echt ins Fleisch. Denn, wenn ich das richtig verstehe, geht’s um Anorexie. „How do I look now, am I a beauty?“ fragt Isabella. „Whatever makes me a modern girl“ ist sie bereit, zu tun, droppt in der zweites Stophe nebenbei „…and I’m back in the clinic.“ So gesehen ist der Refrain ein echter Killer. „Yeah, that’s me you’ve seen there dancing in denial – and all the boys say: ‚You alright? You’ve been in there a while.’“
Okay, wir müssen also besser auf Isabellas Texte achten. Die können’s in sich haben.
Vielleicht hat daher auch „The First Night“ eine versteckte Bedeutung, die ich nicht erkenne. Auf den ersten Blick scheint’s mir eine Ballade zu sein, in der es um eine Beziehung geht, aus der die Luft raus gegangen ist. Immerhin, die Melodie ist schön. Aber im Großen und Ganzen setzt dieser schläfrige Song das „Die Luft ist raus“-Feeling ein bisschen zu gut um. Das kann nicht ihre Absicht gewesen sein, mit diesem Lied Langeweile und Routine rüber zu bringen. Immerhin, zum Schluss gibt’s einen textlichen Payoff: „Love her like the first night – and it will be the last time“. Das weckt in der Tat persönliche Erinnerungen an eine Ex – unser letztes Mal war damals intensiv wie zuvor lange nicht, als wär’s der Abschiedssex gewesen und wir beide wussten’s. Hmm. Jetzt muss ich noch mal drüber überlegen, ob mich der Song echt kalt lässt.
Was an dieser Stelle aber echt stört: Waren The Preatures nicht die Band, die ihre Songs so kurz wie möglich hielt? Auf „The First Night“ folgt ein fast zweiminütiges einschläferndes Instrumental. Was hat die da geritten? So früh im Album dermaßen die Luft rauszunehmen? Das kann man bei Track #8 machen, wenn man zeigen will, dass man auch atmosphärisch kann. Aber doch nicht zu einem Zeitpunkt, wo wir eigentlich noch voll psyched sind und warten, was noch alles kommt auf dem Album?
Über „Yanada“ habe ich hier letzte Woche geschrieben. Was den Song echt interessant macht, ist sein Refrain in der indigenen Sprache Dharug. Aber einfach nur einen Song darüber zu machen, dass das moderne Australien die Geschichte seiner Ureinwohner vernachlässigt, wäre zu offensichtlich. Also spannt Isabella das Netz weiter, singt darüber, Gefühle zuzulassen, Neues zu erleben und fürs Spirituelle offen zu sein: „We’re like the dreamtime, shedding our skin again. I’ll open up my eyes under water.“ Auch ein Song, der echt Substanz hat. Leider ein bisschen brav umgesetzt als radiofreundliche Synthpop-Midtempo-Nummer. Naja, aber dieses Lied kann ich auf jeden Fall total respektieren. Zumal ich’s irgendwie cool finde, mitzusingen: „Yanada yanada yanada-marri yanada! Gumada, gumada, nula burra-wa!“ Ein Ohrwurm, und das auf Dharug. Nicht, dass dieser Text jetzt so krass bedeutungsvoll wäre. „Mond, Mond, voller Mond, Geist, Geist, allgegenwärtig im Himmel“ ist offenbar die Übersetzung. Aber hey – ich kann jetzt drei Wörter einer Aborigine-Sprache! Whod’ve thunk?
Kommen wir zurück auf den Boden der Tatsachen. Den Songtitel „Magick“ gibt’s u.a. auch von den Klaxons und Ryan Adams. Bei den beiden hat er sich das Extra-k verdient. Auf diesem Album ist „Magick“ leider nur eine zähflüssige Midtempo-Ballade, die keine weiteren Spuren hinterlässt. Die aber, anders als The Preatures uns versprochen haben, nicht als einziger Song auf diesem Album die 4-Minuten-Marke überspringt, ohne dass es nötig wäre.
Bezüglich der Ballade „Your Fan“ wäre es interessant, die australischen Klatschspalten zu durchforsten, mit welchem Star Isabella wohl zusammen war. Denn hier singt sie von jemandem, vor dessen Stadionshows sie mal campierte, bei dem sie zuvor im Club in der ersten Reihe stand. Doch heute: „I don’t want a loverboy and a machine, I wish that I could be your fan again“. Oha.
So, inzwischen war ich so ungeduldig und habe es gegooglet. Offenbar ist Isabella mit Preatures-Gitarrist Jack Moffitt zusammen. Okay, dann ist der Text also nicht aus Isabellas, sondern der Sicht eines Groupies geschrieben. Eines Mädchens, das feststellen muss, dass die Vorstellung, mit einem Star was zu haben, was Schöneres ist, als dies in der Tat zu erleben. Okay als Songthema, i guess. Naja. Begrenzt in seiner Nachvollziehbarkeit. Was weniger geht, ist dieses Synthklavier, das mich in den 80s schon bei MOR-Balladen immer abgeschreckt hat.
So, jetzt „Lip Balm“. 2:18 Minuten. Das ist endlich mal die richtige Länge für einen perfekten Preatures-Song. Leider gibt’s nix Neues hier zu hören. Es ist ne okaye Standard-Preatures-Nummer, das ja. Aber weil die Band damals mit so diversen Singles wie „Is This How How Feel“, „Manic Baby“ und „It Gets Better“ durchstartete, hoffe ich bei ihnen ja schon darauf, dass sie auch immer mal nen neuen, unerwarteten Twist anbringen. Aber das tun sie hier nicht.
Ein Problemchen, das auch „Mess It Up“ teilt. Die Nummer ist okay, schlägt in die gleiche Kerbe wie „It Gets Better“ vom ersten Album. Aber in die Kerbe hat „It Gets Better“ eben schon geschlagen, so lernen wir von den Preatures nix Neues.
„Nite Machine“ bringt ein bisschen Disco-Flavour ins Procedere. Einerseits fein, eine schöne neue Nuance fürs Gesamtbild. Aber auch etwas, das The Preatures auf früheren Tracks wie „Manic Baby“ oder „Rock and Roll Rave“ schon verwendet und sogar weiter ausgereizt haben.
Dann noch: „Cherry Ripe“, eine weitere Ballade. Es folgt „I Like You“, mein Favorit abgesehen von den Singles, weil die Gitarre hier einen besonders interessanten Sound einsetzt und die Nummer ein ganz groovy Phoenix-ca. „Alphabetical“-Feeling erzielt. Auch das abschließende „Something New“ ist noch mal ein Hinhörer. Wieder ein Schleicher, aber einer mit Atmosphäre.
So haben wir am Ende ein durchaus ordentliches Album vor uns. Aber was mich regelrecht frustriert, ist zu sehen, was The Preatures für eine prima Band sein können und wie selten sie hier an ihre Grenzen gehen. Die zwei Singles „Girlhood“ und „Yanada“, auf denen Isabella Manfredi richtig Tiefgründiges in Richtung Pop zu drehen versteht, zeigen doch, was sie nicht nur theoretisch drauf haben. Und Hey, das ist immer noch die Band, die „Is This How You Feel“ gezaubert hat! Liebe Preatures, ihr habt so viele Pluspunkte: Ihr habt Isabella Manfredi, eine schlaue, charismatische Frontlady, die es versteht, um die Ecke zu texten und umso direktere Melodien zu schreiben. Ihr habt die Fähigkeit, knackig, trocken und unberechenbar zu arrangieren, so dass es poppig klingt, aber Indie im Herzen ist. Bitte schöpft das beim nächsten Album wieder mehr aus, ja?