Ganz ehrlich – ich war sehr skeptisch, als ich die erste Single vom zweiten Run River North-Album „Drinking From A Salt Pond“ hörte. Denn auf dem Debüt „Monsters Coming Home“ vor zwei Jahren, da zeigte sich das Sextett aus Los Angeles noch als feinsinnige Americana/Folk-Band. Jetzt aber haben sich die Kalifornier einem grundlegenden Stilwandel unterzogen und sind ins Indierock-Lager übergewechselt.
Das wirft natürlich Fragen auf – weswegen ich ein Interview mit Frontmann Alex Hwang geführt habe. Interessant sind Run River North auch deswegen, weil sie komplett aus Amerikanern mit koreanischen Wurzeln bestehen. Die asiatische Minderheit in den USA tritt vergleichsweise wenig in Erscheinung und auch darüber haben wir uns ausgetauscht.
Hallo, Henning hier, Piranha Magazin. Spreche ich mit Alex?
Ja, Alex ist dran.
Sehr gut, guten Morgen!
Ebenfalls guten Morgen!
Tja, hier in München ist kein Morgen mehr, die Sonne ist gerade untergegangen.
Oha.
Wo genau erwische ich dich denn heute?
Ich bin in Phoenix, Arizona. Heute haben wir einen freien Tag, morgen haben wir eine Show in der Stadt.
… und ausgerechnet an deinem freien Tag wecke ich dich um neun Uhr am Morgen.
Nein nein, ich bin schon auf. Ich und meine Frau sind mitten in einem Workout. Ich bin bereit für den Tag!
Alles klar – ihr tourt gerade im Vorprogramm einer Band namens Finish Ticket. Wie läuft es so?
Prima! Erst mal sind wir jetzt seit etwa sechs Monaten sehr aktiv, immer auf Tour, das ist für die Band schon mal sehr gut. Außerdem sind Finish Ticket in unserem Alter, was bei unseren bisherigen Support-Tourneen gar nicht so oft vorkam. Wir kommen daher echt gut miteinander klar. Es macht Spaß, ihre Shows anzuschauen, und es ist natürlich toll, wenn man mitbekommt, wie wir ihre Fans für unsere Musik gewinnen. Außerdem ist noch eine dritte Band dabei, die vor uns spielt, namens Iron Tongue – und die sind ebenfalls super. Klasse ist natürlich auch, dass die Hallen, die wir spielen, größer sind als normal. Dass dann mit Bands zu tun, mit denen man eine echte gemeinsame Basis hat, macht echt Spaß.
Wir haben schon letztes Mal telefoniert, als euer erstes Album erschien. Seitdem habt ihr euren Sound ganz schön verändert. Ihr habt das Americana-Ding hinter euch gelassen.
Ja. Das war eine Art Evolution. Wir sind ein bisschen älter geworden – und irgendwie ist jeder von uns an seinem Instrument lauter geworden. Eine Akustikgitarre konnte sich da nicht mehr wirklich durchsetzen. Wir fingen an, elektrische Gitarren zu einzusetzen und es wirkte nicht unpassend, und so hat sich das dann entwickelt. Wir landeten bei einem Sound, der sich für uns frisch anfühlte und mit dem wir auch das Publikum besser zu erreichen scheinen.
In eurem Set habt ihr aber ja sicher noch ältere Songs – spielt ihr die heute im neuen Sound, oder wird es wieder akustisch, wenn ein alter Song an die Reihe kommt?
Das meiste haben wir adaptiert und an den neuen Sound angepasst. Aber es hat natürlich was, dass diese Songs auch akustisch gespielt werden können. Wir haben die akustischen Gitarren immer dabei, und wenn es sich bei einem Konzert mal so anfühlt, dass wir ein bisschen vom Gas gehen wollen, können wir die akustische Variante einbauen. Diese Möglichkeit zu haben, ist natürlich klasse. Wir haben quasi zwei verschiedene Waffen in unserem Arsenal.
War es ein sanfter Übergang, oder gab es Diskussionen in der Band? Waren sich alle einig, dass ihr kräftiger klingen wolltet?
Ich glaube, das ergab sich eher andersrum. Es gab Spannungen in der Band – und daraus erwuchs diese Musik. Wir sind als Band nun mal unterwegs in einem Kleinbus und fahren übers Land, um in kleinen Clubs zu spielen – man hockt da ziemlich aufeinander und verbringt mehr Zeit mit der Band als mit seiner Familie oder den engsten Freunden. Es kommt ganz natürlich zu Spannungen, und ich bin mir sicher, dass es die in allen Bands gibt. Man muss in solchen Fällen offen miteinander umgehen und die Streitpunkte ansprechen – und diese Tatsache, dass wir untereinander mehr und mehr Hemmungen ablegten, die sorgte dann auch dafür, dass die Musik ein bisschen einen raueren Ton kriegte. Die Folksongs gaben uns nicht mehr so die Katharsis, die wir brauchten. Aber die neuen Songs, die vertonen wirklich, was wir miteinander erlebt haben. Es war also mehr so, dass wir an uns selbst und unseren Beziehungen untereinander gearbeitet haben, als dass wir die Sounds zum Thema machten. Als wir dann unsere inneren Unstimmigkeiten in den Griff gekriegt hatten, hatte sich der Sound so entwickelt, da war jeder schon an Bord.
Interessant, dass du gerade „Katharsis“ gesagt hast. Das Wort habe ich mir auf meinem Fragezettel weiter unten auch notiert – ich wollte nämlich fragen, ob du diese Songs auf der Bühne anders erlebst als die alten. Du schreist heute auch, du gehst mehr aus dir heraus, und ich schätze mal, dass du dem, was man Katharsis nennt, heute näher kommst?
Auf jeden Fall! Das erste Album, das fühlt sich im Nachhinein so an, als hätte ich darauf vor allem über Andere gesungen – ob das die Eltern waren, oder ob es generell das Umfeld war. Aber die neuen Songs, die wir auf Tour und bei den Aufnahmen zum zweiten Album geschrieben haben, die sind mehr wie ein Spiegel. Da schreie ich mich selbst an. Das geht mir näher, da ist eine ganz andere Intensität da.
Gerade eure frühen Fans werden euch aber vermutlich gerade aufgrund der Harmonien gemocht haben. Dass ihr zum Beispiel zwei Streicher in der Band habt, hat eurem Sound doch das Spezielle gegeben. Sind eure alten Fans an Bord geblieben, oder gab es auch Stimmen, die sagten: „Sorry, das alte Material mochte ich lieber“?
Also, es sieht für mich so aus, als ob unsere Langzeitfans sehr wohl treu geblieben sind. Auf den Shows gibt es immer einen Kreis, der nach alten Songs ruft und die man hinterher am T-Shirt-Stand trifft. Diese Fans verstehen, warum wir diesen Wandel durchgemacht haben. Aber zusätzlich zu diesen frühen Fans haben wir jetzt eine ganz neue Anhängerschaft gefunden, die die erste Platte gar nicht kennt, die aber die zweite Platte wirklich mag. Wir haben da einen guten Mittelweg gefunden. Ich denke, der nächste Schritt für uns könnte sein, Lieder zu schreiben, die sowohl Elemente vom ersten als auch vom zweiten Album aufweisen. Naja, die Platte kommt jedenfalls sehr gut an, bei alten und bei neuen Fans.
Ich las auch, dass sich heute alle Mitglieder beim Songwriting einbringen – die erste Platte hast du ja quasi im Alleingang geschrieben. War das leicht für dich, das Steuer loszulassen? Oder war es vielleicht sogar eine Erleichterung, so nach dem Motto: „Ich muss diese Last nicht ganz alleine tragen“?
Auf jeden Fall das zweite. Aber es war weniger für mich eine Erleichterung, als dass es dem Rest der Band gezeigt hat, dass man sich dabei nicht einfach nur auf mich verlassen kann. Sie wissen jetzt, wie es ist, einen Song zu schreiben. Einfach, dass sie das mal gemacht haben, ihre Gefühle und Geschichten in der Form von Songs auszudrücken – egal, ob der Song dann gut war oder nicht, das hat sie alle dazu gebracht, sich mehr einzubringen. Jeder spielt jetzt sein Instrument irgendwie bewusster, holt aus seinen Parts mehr raus. Ich schreibe immer noch viel, ich glaube immer noch, dass das mein Talent ist und ich mache es gerne – aber war sehr gut, dass alle mal gesehen haben, wie es ist, diese Rolle zu tragen. Das hat die Band enger zusammen gebracht, in dem Sinne, dass es hier auch nicht nur darum geht, meine Perspektive darzustellen, sondern darum, dass wir eine gemeinsame Vision verfolgen, innerhalb derer jeder sich ausdrücken soll.
Wenn jemand anders einen Song schreibt, wird der/diejenige auch die Person sein, die ihn singt?
Naja, bisher bin weiterhin ich der Sänger. Aber es entwickelt sich so langsam, dass auch die anderen sich versuchen. Es kann ja sehr gut sein, dass ein Lied auch die Stimme der Person braucht, die dahinter steht. Das ist eine Sache, die für die Zukunft offen steht, es wird dann darum gehen, was am besten zum Song passt. Die anderen schreiben ja noch nicht so lange. Wir werden sehen, vielleicht hat die nächste Platte mehr Lead-Sänger.
Wie wir vorhin schon sagten – es ist doch nie verkehrt, mehr Möglichkeiten zu haben. So, wie ihr jetzt die akustische und die lautere Variante habt, ist es ja gut zu wissen, vielleicht auch mal mit Frauenstimmen und Duetten arbeiten zu können. Das erweitert nur eure Bandbreite.
Auf jeden Fall. Wir sind zu sechst, das sollte doch auch seine Vorteile haben.
Ihr habt auf der Platte auch mit Songwritern von außen gearbeitet, Namen wie Lincoln Parish und Nick Brown. Auf wessen Vorschlag?
Sorry – Vorschlag?
Naja, es ist doch so – es passiert ja öfter, dass Bands angeraten wird, mit solchen Profis zu arbeiten und meistens passiert das auf sanften Druck der Plattenfirmen. Was Bands zumeist nicht gerade happy macht – denn wer hört schon gerne „Ihr braucht professionelle Hilfe“?
Ja. Ich glaube, bei uns war das schon okay, denn wir hatten schon einen Stapel Songs fürs zweite Album und waren damit zufrieden. Als das Label das Thema also ansprach, konnten wir sagen: „Wir haben das, was wir wollen, schon vorliegen. Was soll also schiefgehen? Wenn bei den neuen Sessions was rum kommt, umso besser – und wenn nicht, können wir mit dem arbeiten, was wir schon haben.“ Es war also so eine „Warum nicht?“-Situation. Wir hatten schon, was wir wollten, aber durch diese Treffen haben wir vor allem wahnsinnig viel gelernt. Wir wussten schon, wie unsere Band Lieder schreibt, aber so haben wir gesehen, wie eine große Band, die schon Hits gelandet hat, arbeitet. Außerdem haben wir uns gleich prima verstanden, als Songwriter hatten wir gleich einen Draht zueinander. Letztlich hat es unser Selbstvertrauen nur gepusht, weil wir gesehen haben, dass unser eigenes Songwriting sehr wohl mithalten kann. Was die zwei Songs angeht, die entstanden sind – die haben uns extrem geholfen, denn sie haben die Bandbreite unserer Band erweitert und sie haben uns ganz neue Fans gefunden. Sie haben dafür gesorgt, dass mit dem zweiten Album viel mehr passiert ist als mit dem ersten. Heute würde ich sagen: Das Wichtigste ist schon, dass der Impuls beim Songwriting von der Band selbst kommt. Aber wenn Songwriter von außen was dazu kommen, können sie was Positives einbringen. Solange sie das, für was die Band steht, nicht verfälschen, addieren sie zum Gesamtpaket.
Ist es denn leicht für dich als Songwriter, jemand anderen mit ein seine Gedankenwelt zu lassen? Ich stelle mir das ein bisschen so vor, wie wenn ich einen Artikel schreiben soll und mir schaut jemand dabei über die Schulter. Das fände ich schwierig.
Es gibt auf jeden Fall Songs und Ideen, die sehr persönlich sind und an die man niemand ran lassen würde. Bei den gemeinsamen Songs haben wir aber jeweils bei Null angefangen, das waren Babies, die wir gemeinsam gezeugt haben. Diese Lieder entstanden aus echten Partnerschaften. Aber klar, es gäbe auch Songs, die ich für mich behalten wollen würde. Wenn man diese Grenzen klar zieht, kann man sehr kreativ miteinander arbeiten. Songwriting ist für mich auch ein Schnappschuss, eine Momentaufnahme. Es ist ein Gespräch, das fortläuft, und wenn heute mal jemand bestimmtes daran teil nimmt, heisst es ja nicht, dass er morgen wieder dabei ist. So sehe ich das: Ich führe hier ein Gespräch mit einem neuen Songwriter, aber es ist bildet nicht die gesamte Geschichte ab, sondern nur einen Ausschnitt – und die Geschichte hat gerade erst angefangen.
Das Album heisst „Drinking From A Salt Pond“ – was natürlich kein guter Ratschlag ist. Für was steht der Titel?
Metaphorisch sind es zwei Dinge, auf die ich mich da beziehe. Zuerst mal: Unser erstes Album, da war alles neu, da war alles spannend. Wir waren Run River North, dieser Fluss, auf dem es vorwärts ging. Aber als diese Zeit zu Ende ging, als wir unser zweites Album schreiben sollten, da war das Gefühl in der Band ein ganz anderes. Da steckten wir fest, da ging nichts mehr vorwärts – und viele der Dinge, die wir uns vorgenommen hatten, waren nicht eingetreten. Zum Beispiel, dass es nie geklappt hat mit einer Deutschlandtour, das war nur eine der vielen Sachen, die wir uns erhofft, aber nicht erreicht hatten. Anstatt auf dem klaren Fluss unterwegs zu sein, stagnierte die Band jetzt, als steckten wir mit unserem Boot auf einem Teich fest, der fast giftig war. Der Teich war noch gerade klar genug, dass wir uns darin spiegeln konnten und uns die Frage stellen konnten: Wollen wir so weiter machen, wollen wir weiter in der Band bleiben? Deswegen war die Arbeit am Album für uns sowas wie ein Aufruf, uns der Sache zu stellen. Uns in den Salzteich zu stürzen, in unsere Spiegelung, und uns uns selbst zu stellen. Das war also Teil eins, diese Sache: Diesen Ort als Ausgangspunkt zu nehmen, etwas Neues zu schaffen, aus diesem Teich zu trinken und das zu teilen.
Die zweite Sache war: In der Bibel gibt es so ein Zitat, das sinngemäß fragt: „Wie ist es möglich, dass aus einem Salzwasserteich frisches Wasser kommt?“ Es ist ein Wiederspruch. Aber man sieht sich die Welt an und sie ist voller Widersprüche. Da gibt’s Krebs, aber da werden Kinder geboren. Ich glaube einfach, dass auch aus einem Salzteich etwas Frisches entstehen kann. Das war meine Reaktion auf diesen Spruch aus der Bibel, als ich auf ihn stieß. Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß, es gibt nicht nur Gut und Böse, beides gleichzeitig ist möglich.
Okay. Letztes Mal, als wir sprachen, war eins eurer Ziele, mal in Korea zu spielen. Hat das inzwischen geklappt?
Ja, das hat es! Wir waren in Korea und in Japan, auf zwei riesigen Festivals. Das in Korea war toll, weil wir endlich mal im Heimatland unserer Eltern waren. Es war wunderbar, zu sehen, dass es dort ein Publikum für unsere Musik gibt. Das war erst der erste Schritt für uns, wir wollen noch viel erreichen in Korea. Als wir da waren, habe ich das gespürt: Wir wollen mehr davon! Es war nicht nur so eine Sache, die man schaffen will und dann abhakt – es war zu spüren, dass wir da auf etwas aufbauen können. Japan war noch mal was anderes. Das Unglaubliche war, dass es ein riesiges Festival in Osaka und Tokio war. Auf dem gleichen Poster wie wir standen Radiohead, Two Door Cinema Club und mehr. Ich meine, in Tokio zu sein und gemeinsam mit 200.000 Japanern Radiohead zu sehen, das ist ein Moment, den man genießen muss. Das war einfach toll.
Als wir letztes Mal sprachen, redeten wir auch über das Thema, dass koreanische Amerikaner bzw. Asian-Americans überhaupt in der Entertainment-Branche nicht wirklich zu sehen sind. Hast du das Gefühl, dass sich diesbezüglich seitdem etwas getan hat?
Oh, auf jeden Fall! In den letzten Jahren ist da ganz viel passiert. Als erstes fällt mir ein, dass es die erfolgreiche Sitcom namens „Fresh Off The Boat“ gibt, die jetzt seit ein paar Jahren läuft. Die besteht aus einem komplett asiatischen Cast und asiatischen Autoren und sie läuft richtig gut. Da fällt mir natürlich auch „Master Of None“ ein, die Serie von Aziz Ansari. Er hat einen Emmy gewonnen für eine Episode der Show, in der es ganz spezifisch um Einwanderer-Eltern geht.
Aber die zweite Sache, die ich ansprechen wollte, ist dass bei einer der erfolgreichsten Serien zur Zeit überhaupt, bei „The Walking Dead“, ein Koreaner mitspielt, Steven Yeun. Steven ist übrigens mit der Band befreundet! Leider ist er jetzt zu Beginn der siebten Staffel ausgeschieden – aber er war eine der beliebtesten Figuren der Serie. Man kann auf jeden Fall gerade sehen, dass asiatische Amerikaner sich in den Vordergrund bewegen und dass es jetzt echte Role Models gibt. Nicht nur in der Entertainment-Industrie sieht man mehr asiatisch-amerikanische Gesichter, ich glaube, das Selbstbewusstsein der Bevölkerungsgruppe steigt insgesamt.
Sied ihr dabei vielleicht auch schon ein bisschen Role Models? Passiert es auch, dass ihr nach Konzerten angesprochen werdet und man euch sagt: „Ich probiere es jetzt mit der Musik, weil ihr euch auch traut.“
Das gibt es in der Tat immer wieder. Interessanterweise sind es besonders unsere Geiger und der Drummer, die die Fans auf diese Weise zu inspirieren scheinen. Das motiviert uns natürlich ungemein. Es sind ja nicht nur angehende Musiker, die auf uns zukommen, die Leute werden insgesamt selbstbewusster. Früher taten sich manche schon schwer, sich überhaupt auf Konzerten zu zeigen, da sind wir natürlich froh, asiatische Gesichter im Publikum zu sehen – und wir hoffen, dass wir als Band vielleicht noch größere Hallen füllen können und noch mehr Leute inspirieren können. Aber natürlich geht es nicht nur um asiatische Fans, es freut uns genauso, wenn andere Fans uns entdecken und uns sagen, dass wir ihre Vorstellungen davon, wie asiatische Amerikaner drauf sind, verändern.
Mir ist aufgefallen, dass ich gar keine koreanischen Instrumente kenne. Ich musste das googlen und stieß zum Beispiel auf Gayageum oder Bipa und Piri.
Ah ja, genau.
Kann jemand in eurer Band diese traditionellen Instrumente spielen?
Leider nein, sonst hätten wir sie wahrscheinlich längst schon mal eingebaut. Aber wir haben schon drüber nachgedacht. Es ist auf jeden Fall eine Sache, die wir uns wünschen – dass wir mal nach Korea gehen und unsere Songs auf diese Weise remixen können, oder dass wir neue Lieder schreiben, in denen diese Instrumente vorkommen. Dass wir unsere Art, Songs zu schreiben, mit diesen Instrumenten verbinden und schauen, was für ein Sound dabei entsteht. Ich habe das immer im Hinterkopf.
Ich habe auch darüber nachgedacht, ob ich die Idee an euch ran tragen soll, aber ich dachte mir auch: Eigentlich kann ich das ja jeder anderen Band auch vorschlagen. Sicherlich repräsentiert ihr die koreanische Minderheit, aber euer Ziel ist ja wahrscheinlich auch, dabei auch mit den Stereotypen zu brechen. Wenn ihr dann mit koreanischen Instrumenten auftaucht, würdet ihr ja irgendwie auch wieder dem Stereotyp folgen. Naja, das ist eine Gratwanderung.
Es ist eine Gratwanderung – man müsste auf jeden Fall aufpassen, dass es nicht wie ein Gimmick wirkt. Es darf nicht so sein, dass wir damit Aufmerksamkeit generieren wollen, wir dürften wenn dann nur mit diesen Instrumenten arbeiten, wenn es wirklich das wiedergibt, was wir ausdrücken wollen. Aber man drückt ja nicht nur sein Inneres aus, man drückt auch sein Umfeld aus. Dass wir diese Instrumente bisher nicht eingesetzt haben, muss ja nicht bedeuten, dass es nächstes Jahr nicht zu uns passt. So, wie wir jetzt von Americana mehr in Richtung Rock gegangen sind, das steckte schon irgendwie in uns. Andererseits könnte man dazu auch sagen: „Das habt ihr getan, weil die Szene insgesamt einfach zu folky war und ihr euch davon absetzen wolltet.“ Was ich sagen will: Wenn wir uns verändern und solche Instrumente einsetzen würden, dann würde das nicht funktionieren, wenn wir es forcieren würden, um anders zu sein. Wenn es aber in unseren Kontext passt, dann schon. Ganz egal, ob wir jetzt Korean Americans sind oder nicht. Naja, es ist eine von vielen Möglichkeiten und man kann drüber nachdenken, und es ist auch eine Idee, die es wert ist, dass man sie diskutiert. Was koreanische Einflüsse angeht, haben wir auf der ersten Platte zum Beispiel eine traditionelle Melodie aufgegriffen, im Song „Lying Beast“. Wir haben damals gar nicht groß drüber geredet. Wenn wir dieses Lied live spielen, dann merken die Koreaner im Publikum sofort, was wir da gemacht haben. Wenn man so will, haben wir damals schon einen Weg gefunden, um traditioneller koreanischer Musik unsere Referenz zu erweisen, ohne es gleich so offensichtlich zu machen.
Ihr habt jetzt eine recht lange Tour vor euch. Ich habe ein Konzert rausgesucht, und zwar die Show in Colorado Springs. Weisst du, warum?
Nein, warum,
Das ist euer Konzert am Tag der Wahl. Das ist der Tag, an dem entweder gefeiert wird – oder das Gegenteil, je nach dem, wer gewählt wurde.
Oh, ja, das wird interessant.
Wir Europäer gucken das Ganze mit einem gewissen Kopfschütteln an und wir müssen die Amerikaner schon fragen, was da los ist. Welchen Reim macht ihr euch?
Ich glaube, darüber unterhalten wir uns untereinander in privaten Gesprächen. Als Band, glaube ich, haben wir genug andere Dinge zu erzählen. Über das Thema wird in den USA sowieso so unglaublich viel geredet, da ist es am besten, wenn wir unsere Meinung unter uns behalten. Aber natürlich haben wir die Sache im Auge und bekommen mit, dass das ganze Land unter sehr großer Spannung steht. Unser Einfluss als wenig bekannte Band ist ja auch nicht sehr groß. Hoffentlich kommen wir eines Tages mal dort hin, dass wir auch mal mehr Gehör finden. Bis dahin sagen wir: Bildet euch und klärt euch auf über das, was passiert, wählt, wenn’s so weit ist – und hoffentlich werden wir uns nicht rückwärts bewegen.
So, ich bin bei 29 Minuten angekommen, also ist meine Zeit gleich vorbei. Zum Abschluss frage ich immer gerne nach einer Anekdote – was war denn bisher eure verrückteste Show? Wenn man Japan und Korea mal ausklammert, von denen ihr ja schon erzählt habt?
Also, eine Show, die hoffentlich was besonderes wird, steht uns noch bevor. Wir haben einen Song namens „David Robinson“ auf dem neuen Album. David Robinson ist ein Basketballspieler von den San Antonio Spurs und er von dem Lied erfahren. Denn demnächst wird zu seinen Ehren in San Antonio ein Museum eingeweiht – und die Betreiber sind Fans unserer Band! Nächstes Mal, wenn wir in San Antonio spielen, sieht es so aus, als sollten wir unseren großen Basketball-Helden treffen! Man nennt ihn auch „The Admiral“ – und seine Rede, als er in die Hall Of Fame aufgenommen wurde, war toll. Sie war der Grund, warum wir ein Lied über ihn geschrieben haben. Denn als Michael Jordan aufgenommen wurde, da redete er nur über sich selbst, wie er es allen Hatern gezeigt hatte, welche Hürden er alle überwinden musste. David Robinson dagegen dankte nur bescheiden seiner Mutter und hatte sonst für alle nur gütige Worte übrig. Das entsprach sehr der Art, wie er sich auch auf dem Spielfeld zeigte. Deswegen freuen wir uns sehr, dass wir ihn hoffentlich kennen werden.
Ja, dann drücke ich euch die Daumen, dass das klappt! Viel Glück mit dem Album, und viel Erfolg damit – auf dass es vielleicht doch eines Tages noch hinhaut mit den Konzerten in Europa!
Danke, wir würden uns wirklich sehr wünschen, dass wir mal in Deutschland spielen können.
Dann noch einen schönen freien Tag in Phoenix!
Und dir einen schönen Abend!