Seit Freitag auf dem Markt: „Here“, das erste Album des Teenage Fanclub seit sechs Jahren. Muss ich erwähnen, dass ich diese Band liebe und dass sie uns seit über einem Vierteljahrhundert begleitet wie ein bester Freund, den man zwar seltener sieht, aber nicht aus den Augen verliert? Fans erkennen immer noch sofort, ob ein neuer Song der Schotten von Gerard Love, Norman Blake oder Raymond McGinley geschrieben wurde. Letztere zwei hatte ich am Telefon.
Hallo – mit wem spreche ich denn, wer ist alles da?
Norman Blake: Wir sind zu zweit – hier ist Norman!
Raymond McGinley: Und ich bin Raymond.
Norman – wir zwei hatten schon mal das Vergnügen. Auf eurer letzten Tour, vor der Show im Atomic Café. Raymond – schön, ich kennen zu lernen!
Norman Blake: Oh, daran erinnere ich mich. Nett, dich wieder zu sprechen.
Ihr habt euch ja ganz schön Zeit gelassen mit der Platte – es sind sechs Jahre seit „Shadows“!
Norman: Tja, das ist in der Tat eine lange Zeit. Naja, nach der letzten Platte haben wir eine Zeit lang getourt, und als das vorbei war, sagten wir zueinander: „So, bald treffen wir uns wieder und machen die nächste Platte.“ Tja, dann kamen wohl ein paar Dinge dazwischen. Trägheit war wahrscheinlich eins davon. Aber auch einfach nur das Leben. Es hat dann tatsächlich vier Jahre gedauert, bis alles fertig war.
Raymond: Uns entschieden, eine neue Platte zu machen, haben wir schon 2012. Angefangen haben wir dann 2013. Aber es hat halt lange gedauert, bis sie fertig war. Wir haben über zwei Jahre daran gearbeitet, mit Unterbrechungen natürlich.
Als Fan habe ich einen Wunsch an euch, nämlich: Seid nicht so langsam! Ich habe das nämlich durchgerechnet: Ihr habt drei Songwriter und 12 Songs. Das macht vier pro Autor. In sechs Jahren heißt das: Für einen Song braucht ihr 18 Monate. Es muss doch eine Möglichkeit geben, diesen Prozess zu beschleunigen!
Norman: Das sagt mein Bankmanager auch! Und mein Vermieter! „Lass dir nächstes Mal nicht so lange Zeit!“ Ich denke, so laufen die Dinge einfach. Zum Teil liegt es sicher daran, dass ich heute in Kanada lebe, getrennt vom Rest der Band. Zum Teil hängt es sicher damit zusammen, dass wir älter werden. Man wird mit dem Älterwerden einfach weniger produktiv. Gilt das nicht für alle? Selbst für Leute, die unglaublich produktiv sind, wie Jad Fair – Jad hat früher 12 Alben im Jahr gemacht, jetzt macht er nur noch sechs! Sogar er braucht länger! So ist das, wenn man älter ist. Man kommt morgens schon schwerer aus dem Bett, und man läßt sich auch mal vom Fernsehen ablenken…
Raymond: Das Problem ist ja gar nicht, dass wir nichts Neues anfangen – das Problem ist immer, es auch abzuschließen. Wenn wir nicht so lange bräuchten, um mit den Dingen fertig zu werden, würde das alles extrem beschleunigen. Aber ich muss auch sagen: Ich mag es so, wie es läuft. Ich mag das, dass wir mit den Songs eine Zeitlang gelebt haben, bevor wir damit rausgehen.
Gleichzeitig habt ihr noch andere Bands am Start, in Kanada und in Schottland.
Norman: Yeah!
Gerard Love ist jetzt nicht da, aber er hat zum Beispiel all diese herrlichen Songs als „Lightships“ geschrieben, die Teenage Fanclub-würdig sind. Und die Welt kriegt davon fast nichts mit, weil nicht „Teenage Fanclub“ auf dem Cover steht. Was ja traurig ist.
Norman: Ja, und das Projekt trägt nicht mal seinen Namen, es ist gar nicht so leicht für die Leute mitzukriegen, dass er das ist. Aber wir alle machen was neben Teenage Fanclub – wir sind Musiker, und wir haben Freunde, die Musiker sind, da kommt das von selbst. Ich habe in Kanada eine Band mit Joe Pernice, auch er ist ein Expat, denn er kommt aus den Staaten. Mit ihm habe ich also auch Platten gemacht und getourt, da bleibt man beschäftigt. Klar aber, dass die Teenage Fanclub Platte auch immer im Hintergrund weiter bearbeitet wurde.
Raymond: Um noch mal auf die Lightships-Platte zurück zu kommen: Gerry würde sowas nie machen, dass er auf seine Platte schreibt: „Mit Gerard Love von Teenage Fanclub!“ Das wäre nicht sein Ding. Er würde nicht wollen, dass es aussieht, als würde er sich auf dem Rücken von Teenage Fanclub profilieren wollen – und ich glaube, er ist happy damit, wie es mit der Platte läuft. Er ist der Einzige von uns, der ein reines Solo-Ding gemacht hat. Und er will das auch getrennt voneinander halten.
Norman: Und wenn du sagst „Das wären doch auch gute Teenage Fanclub Songs gewesen“ – Gerry selbst hat uns gesagt, dass diese Lieder nichts für Teenage Fanclub gewesen wären. Dass dies sein Projekt ist, wo er seine anderen Seite zu ihrem Recht kommen lassen kann.
Was ich verstehen könnte, wäre, wenn ihr die Platten langsamer macht, weil ihr nicht mehr große Lust aufs Touren habt. Wenn ihr sagen würdet: „In Bussen schlafen und in schimmligen Backstage-Räumen sitzen, das ist nichts mehr für uns.“
Norman: Tja, da müssen wir noch durch. Aber wir touren gerne, uns macht das immer noch Spaß. Ach, es gibt nicht den einen konkreten Grund, warum wir lang gebraucht haben. Es ist halt so, wir haben nicht konstant an der Platte gearbeitet. Es gab die erste Session in Südfrankreich, wo wir die Basis für die Aufnahmen gelegt haben, und dann ging ich erst mal wieder zurück nach Kanada – und naja, die Zeit verging einfach. Die Sache ist ja auch die: Wir gehen nie mit fertigen Songs ins Studio. Das ist wahrscheinlich der Hauptgrund, warum wir lange brauchen, bis ein Album fertig ist. Wir müssen erstmal heim fahren und über Texte nachdenken, und über die Overdubs. Also, wir hatten also die erste Session ins Frankreich. Dann war ich wieder in Kanada und dann kam ich zu den anderen nach Glasgow und es ging weiter mit den nächsten Sessions bei Raymond, in seinem Studio. Da haben wir die meisten Gesangsspuren aufgenommen. Wir ließen uns Zeit, das langsam zusammen zu fügen. Die letzte Runde dann, in Hamburg, im Clouds Hill Studio, das ging sehr schnell. Da brauchten wir keine zehn Tage. Es ist also so: Die eigentliche Arbeit an der Platte ging eigentlich sogar sehr flott – aber die Abstände zwischen den Sessions, die waren halt so groß.
Nach eurem Arbeitsprozess hätte ich tatsächlich fragen wollen – ob ihr Songs über den Atlantik hin und her mailt. Aber es sieht so aus, dass ihr gemeinsam in einem Raum sein müsst, damit es Teenage Fanclub wird?
Norman: Ich denke, genau so ist das.
Raymond: Yeah.
Norman: Damit es Teenage Fanclub wird, müssen wir gemeinsam spielen. Wir nehmen den Song auch meistens live eingespielt auf. Und wir gehen nicht mit fertigen Songs in die Sessions. Manchmal hat man einer vielleicht eine Melodie, aber wahrscheinlich ist der Text noch nicht fertig. Dann summt man die Melodie, damit die anderen wissen, wie sie geht. Dann haben wir alle Instrumente im einen Raum, und alle Verstärker und – da sind wir schon echt gut aufeinander abgestimmt, da haben wir inzwischen ein Gefühl für – dann nehmen wir so viel wie möglich vom Instrumentaltrack für den Song auf. Dann hat man schon mal den Großteil des Tracks. Was wir später hinzufügen, ist der Gesang – und wenn man mal sowas machen will wie Streicher, oder so. Das kommt dann später. Aber so entsteht der jedenfalls größte Teil des Songs – wir nehmen ein paar Takes auf und picken den, mit dem wir zufrieden sind, Und damit ist der Song weitestgehend im Kasten. Hey Raymond – ich glaube, bei deinen Songs gibt es diesmal sogar gar keine Overdubs, oder? Nach der ersten Session?
Raymond: Hmm – Ja, die Instrumentals zu meinen Songs waren alle fertig nach der Session in Frankreich. Die Vocals haben wir dann in Glasgow noch dazu gefügt. Zwei Jahre später, haha. Aber hey, manchmal läuft es einfach so, dass sich eine Platte so langsam entwickeln muss. Man kann sich das natürlich vornehmen und sagen: „Reissen wir uns zusammen, das muss schneller gehen!“ Aber letztlich kann man es nicht forcieren, wie eine Platte ihren Gang nimmt.
Norman: Ja, und das ist uns bewusst. Wenn wir eine gute Platte machen wollen, müssen wir uns die Zeit entsprechend dafür nehmen. Wir haben ja auch einen Ruf zu verlieren. Unsere bisherigen Platten werden allgemein sehr geschätzt – auch die späteren, was ja nicht oft so ist. Für viele Bands geht es abwärts, wenn sie über 30 sind, ich weiss nicht wieso, manche trennen sich einfach zu spät – aber, tja, wir haben das Gefühl, noch gut dabei zu sein und wir sind happy mit der Platte. Wenn wir das nicht wären, hätten wir sie gar nicht erst veröffentlicht.
Wenn ihr euch ein paar Monate nicht gesehen habt, fällt es euch leicht, gleich wieder loszulegen? Oder müsst ihr erst mal wieder warm werden miteinander? Ich habe ein paar Freunde, die ich vielleicht lange nicht gesehen habe, aber wenn man sich mal trifft, ist es, als sei das letzte Mal gestern gewesen.
Norman: So ist das bei uns! Wir spielen jetzt schon so lange miteinander, dass wir genau wissen, was der andere kann – das geht so weit, dass wir oft sogar vorher schon wissen, was der Andere spielen wird. Im Song, weisst du? Deswegen brauchen wir heute auch viel weniger Zeit, um einen Song zu arrangieren. Früher war’s mehr so, dass der Autor eines Songs auch ein bisschen sein Producer war. Heute können wir den Anderen ihre Parts zuteilen, weil wir schon wissen, was der Andere in etwa spielen wird.
Nun sind die Plattenverkäufe ja nicht mehr, was sie mal waren. Auch für eine Band wie euch, die auf der ganzen Welt sehr treue Fans hat. Wenn ihr nicht tourt, müsst ihr dann manchmal „richtige Jobs“ ergreifen?
Norman: Da haben wir das Glück, dass wir tatsächlich noch in der Lage sind, gerade so von der Musik zu leben. Sicherlich auch, weil wir nun mal schon so lange dabei sind, dass wir eine ordentliche Fanbase haben. Aber du hast natürlich Recht – wenn du Geld machen willst, dann werde kein Musiker! Werde Klempner! Die Leute werden immer Klempner brauchen – aber aus irgendeinem Grund mögen die Leute für Musik nichts mehr bezahlen. Also, es ist schwierig. Wenn du also Musik machst, um Geld zu machen, dann vergiss es. Wir können davon über die Runden kommen. Aber wir wollten einfach nie etwas anderes machen als Musik. Wir warten immer noch auf unseren Sugardaddy. Auf einen reichen Wohltäter, der auftaucht.
Das ist fei verdammt eine gute Idee! Im Ernst! Ich meine, all die Scheichs und Oligarchen leisten sich Fußballklubs, um sich gut darzustellen. Warum sollte sich nicht der eine oder andere als Mäzen von beliebten Bands profilieren?
Norman: …und wir werden dann „Roman Abramovic’s Teenage Fanclub“.
Ihr eröffnet da ungeahnte Möglichkeiten!
Raymond: Na, wir würden uns für sowas nicht hergeben. So viel Geld gibt’s nicht, dass wir da mitmachen.
Norman: Genau, haha.
Jetzt seid ihr ja in der Tat ganz schön lange dabei und könnt vergleichen. Wenn ihr die Arbeit an „Here“ vergleicht mit der Arbeit an, sagen wir, „Grand Prix“ Mitte der 90er – was ist der größte Unterschied?
Norman: Ehrlich gesagt, fast keiner. Wir machen die Platten heute eigentlich nicht anders als zu unseren Anfangszeiten. Wenn man speziell die „Grand Prix“-Periode mit heute vergleicht, ist der Unterschied sogar noch geringer. Es ist ja so: In vielerlei Hinsicht ist Musik auch ein Handwerk. Da wird man mit zunehmender Erfahrung einfach besser. Als wir „Grand Prix“ machten, da hatten wir ja schon ein paar Platten aufgenommen. Zu dem Zeitpunkt war es so weit, dass wir wussten, was wir im Studio taten. Von da an haben wir eigentlich nur weiter gemacht. Der einzige Unterschied sind also nur die Songs – dass man auf jeder Platte an neuen Liedern arbeitet. Und dass man dabei wahrscheinlich immer ein bisschen von anderen Dingen beeinflusst ist, weil sich ja auch der eigene Geschmack weiter entwickelt.
Raymond: Unsere Arbeitsweise ist in der Tat unverändert. Wir proben eine Zeitlang, dann geht’s ins Studio mit unfertigen Ideen, da sind wir dann gemeinsam im gleiche Raum – und dann läuft es eigentlich immer auf die gleiche Weise ab. Wir setzen uns auch nicht vorher zusammen und besprechen uns: „So, diese Platte soll jetzt in folgende Richtung gehen“ – wir schreiben nur Songs, wie auch das letzt Mal. Ich meine, klar diskutieren wir ein paar formale Dinge, aber die Art, wie wir die Songs angehen, die ändern wir nicht.
Interessant – weil es ja ganz gegenteilige Arbeitsweisen gibt. Brian Eno schüttelt immer alles durch, wenn er mit Bands ins Studio geht. Da muss der Drummer mal die Gitarre spielen und umgekehrt, oder alle Bandmitglieder ziehen Karten und müssen tun, was darauf steht.
Norman: Ach, für manche Bands kann das ja genau das richtige sein. Aber bei uns eher nicht, weil wir schon unsere eigene Dynamik haben. Andererseits, als wir die gemeinsame Platte mit Jad Fair aufgenommen haben, da haben wir in der Tat die Instrumente durchgetauscht. Wenn man so will, war das vielleicht der Moment, wo wir diese Seite unserer Kreativität ausgedrückt haben – das Improvisieren. Aber so wie es ist, hat es sich für uns eingespielt, und so schreiben wir einfach weiter unsere Songs. Wir wissen, was der andere spielen wird – und wenn einer von uns rein aus Prinzip ausscheren würde, dann würde die Platte wahrscheinlich aus dem Gleichgewicht geraten. Das wird nicht passieren, weil wir alle viel zu sehr das Gesamtbild im Blick haben, was Teenage Fanclub ist und was der Sound von Teenage Fanclub ist. Dem will man gerecht werden. Wobei wir absolut nichts gegen Improvisation und Experimente haben.
Raymond: Ja, es gibt da keine Regeln, wie man eine Platte aufzunehmen hat. Das kann jeder machen, wie er will. Für manche Bands ist es vielleicht genau das Richtige, wenn jemand von außen kommt und sagt: „So, du spielst auf der Nummer Banjo“. Das ist aber eine Entscheidung, die von der Band kommen muss, jemanden anzuheuern, der das tun wird. Wir als Band haben uns halt nie dazu entscheiden, so jemand zu verpflichten. Nicht, weil’s richtig oder falsch wäre, sondern weil es für UNS das richtige ist, so zu arbeiten, wie wir’s tun. Aber Regeln gibt es keine. Naja, ich bin auch kein guter Drummer, das würde schon deshalb nicht funktionieren, wenn ich auf einmal trommeln sollte.
Norman: Wenn man Bands sagt „Bei euch ändert sich nichts“, dann klingt das wie eine Anschuldigung. Aber uns stört das nicht. Wir arbeiten so, weil wir Teenage Fanclub sind und wir davon ja gar nicht wegkommen wollen. Ich meine, wir haben ja andere Projekte, bei denen wir uns anderweitig austoben. Letztes Jahr habe ich erst wieder eine Platte mit Jad Fair gemacht – und die war sehr improvisiert. Da haben wir mit Loops gearbeitet, die ich vor vielen Jahren mal in Glasgow aufgenommen hatte. Wir haben also andere Outlets zum Experimentieren.
Nun sind die Bands, die man im Zusammenhang mit Teenage Fanclub immer nennt, immer Bands der Siebziger. Namen wir Big Star zum Beispiel. Aber verfolgt ihr auch, was aktuell so erscheint? Was wäre zum Beispiel eure Lieblingsplatte vom letzten Jahr?
Norman: Das weiss ich nicht, muss ich nicht gestehen. Also, die letzte Platte, die recht neu ist und die mir wirklich gefallen hat, die war von einer kanadische Band namens Nap Eyes. Hast du die schon mal gehört?
Bisher nicht, nein. Muss ich googlen.
Norman: Sie sind aus Halifax und was sie machen, ist echt interessant. Aber auf die bin ich nur gestoßen, weil sie mir jemand vorgespielt hat. Es ist nicht so leicht, am Ball zu bleiben. Naja, die Bands, mit denen man uns vergleicht, wie Big Star und Badfinger, die höre ich tatsächlich weiterhin. Aber das ist natürlich längst nicht alles, was ich höre. Ich höre auch Soulmusic und frühen Rock’n’Roll. Wir hören viel verschiedenes – und alles, das eine Melodie hat, kann uns auch beeinflussen, selbst Dance-Platten. Als Songwriter achtest du auf Melodien – und Melodien gibt es in allen möglichen Genres der Musik. Was neue Bands angeht, tja, da tut man sich schwer, auf dem Laufenden zu bleiben. Aber hey, das wäre doch auch irgendwie peinlich, wenn ich mit 50 noch mit den Kids in Glasgow abhängen wollen würde, oder?
Raymond: Zumal, schon als wir angefangen haben, da waren die Bands, mit denen man uns verglich, ja gar nicht angesagt. Wir haben ja damals schon in die Vergangenheit geblickt. Wir wollten ja damals schon nicht wie unsere Zeitgenossen klingen, sondern wie eine Band von früher. Das war nun mal, was wir mochten. Und wir haben das nie besonders wichtig genommen.
Norman: Es ist halt auch nicht leicht, sich heute noch mit jemand zu identifizieren, der 20 ist. Man singt ja immer über das, was man erlebt hat – und ein 20jähriger, der kann das nachvollziehen, was ihm ein anderer 20jähriger erzählt. Aber unsereins kann das eben einfach nicht mehr so leicht. Was aber nicht heisst, dass man nicht manchmal eine umwerfende Platte hört. Nap Eyes solltest du dir jedenfalls mal anhören, die sind echt gut.
Okay, mache ich! Vor ein paar Jahren spieltet ihr eine „Bandwagonesque“-Albumtour. Wie fühlt es sich für euch an, Lieder zu spielen, die ihr vor 25 Jahren geschrieben habt? Ist das Gefühl so ein „Ja, da erkenne ich mich drin wieder – ich bin heute noch genau so drauf!“ oder ist es mehr so „Mann, ich war echt ein Kind damals!“?
Norman: Ich sage ja immer, es ist Masochismus, seine eigene Musik anzuhören. Es tut echt weh. Es gibt selten Anlässe, die dazu führen, dass man seine eigenen frühen Platten mal auflegt. Aber wenn ich etwas von uns höre, das 25 Jahre alt ist, dann erkenne ich uns schon wieder – aber ich sage auch „Okay, das waren wir DAMALS“. Man kann’s ja nicht ändern.
Raymond: Es ist was Anderes für die Leute, die die Songs nur hören – aber wir haben sie ja gespielt, und das manchmal jahrelang. Sie sind uns in Fleisch und Blut über gegangen. Wir müssen sie uns nicht noch mal anhören, weil sie ja ohnehin so tief in uns drin stecken.
Norman: Sogar die Muskeln erinnern sich. Man nimmt eine Gitarre in die Hand und der Song kommt sofort von selbst. Man muss gar nicht drüber nachdenken, der Song ist einfach da. Neue Songs dagegen – tja, da müssen wir kämpfen. Die müssen wir uns echt antrainieren, damit wir uns nicht verspielen.
Was ich ja schon faszinierend finde, ist, wie eng man Assoziationen zu Liedern knüpft. Sagen wir, vor 25 Jahren war ich mal an einem Mädchen interessiert – vielleicht nur für ein paar Wochen, und inzwischen haben wir uns längst aus den Augen verloren, ich habe keine Ahnung, was sie heute macht – aber wenn das Lied kommt, das ich in jenen Wochen gehört habe, muss ich auf einmal an sie denken. Ist das für euch auch so? Dass ihr zum Beispiel an das Mädchen denken müsst, für das ihr das Lied geschrieben habt?
Norman: Eher nicht – was eigentlich sonderbar ist. Vielleicht, weil es unsere eigene Musik ist? Wenn ich den Song von jemand anderem höre, geht es mir genau so – aber irgendwie, wenn wir unsere eigenen Songs spielen, passiert das nicht. Vielleicht haben wir manches Lied einfach zu lange gespielt, so dass alles emotionale, was man mal damit verbunden hat, ein bisschen verwaschen wurde? Manchmal ist es schon fast etwas Mechanisches, die ganz alten Songs zu spielen. Die sind halt da. Und manchmal spielen sie sich wie von selbst.
Raymond: Ich glaube, es ist auch so: Selbst wenn man Lieder schreibt, die über jemand anderen geschrieben zu sein scheinen – letztlich gingen sie auf ihre Weise vielleicht doch über einen selbst. Über die eigenen Gefühle, über die eigenen Hoffnungen und Erwartungen. Und auch, wenn man zu der Zeit an jemand ganz Bestimmten gedacht hat, hat man doch letztlich nur etwas artikuliert, was Teil von einem selbst ist. Man hört ja nicht auf, der zu sein, der man ist. Man hat diese Dinge ja getan und erlebt, aber sie sind nun Teil des Lebens.
Wir haben übers Älterwerden gesprochen. Ich verfolge euch schon sehr lange, seit 1990 etwa, entsprechend bin auch ich mit euch älter geworden. Ich habe mich natürlich in so einiger Hinsicht verändert in den Jahren. Zum Beispiel liebe ich es heutzutage, in den Bergen radeln zu gehen – das mache ich sogar lieber, als feiern und tanzen zu gehen. Das wäre früher unvorstellbar gewesen. Meine Frage: Was sind eure neuen Beschäftigungen, im Vergleich zu den 90ern?
Norman: Das klingt auf jeden Fall nach einer guten Entscheidung! Ein bisschen in Form zu kommen, das klingt vernünftig. Das sollte ich wohl auch mal. Ja, ich gehe auch nicht mehr viel weg. Aber das war eh nie so mein Ding, tanzen zu gehen. Das habe ich echt nur gemacht, als ich ganz jung war.
Raymond: ich kann mich noch daran erinnern, in einem Glasgower Club gewesen zu sein, so mit 20. Und ich dachte mir damals schon: „Ich bin zu alt für den Scheiß! Was soll ich in diesem unterirdischen Loch?“ Wir sind uns dahingehend nur treu geblieben. Was neue Hobbies angeht – naja, die meiste meiner Freizeit verbringe ich damit, ein altes Haus zu renovieren. Das Haus ist über hundert Jahre alt, und ich versuche die Holzböden und die Wände wiederherzustellen, mit meinen Amateur-Fähigkeiten und mit heutiger Technologie.
Norman: Was ich jetzt sage, wird etwas peinlich klingen: Aber ich habe zuletzt echt so richtig Spaß daran gefunden, Gitarre zu spielen.
Raymond: Hahahahaha!
Norman: Ich mache keinen Quatsch! Es ist nicht mal, dass ich besser werden will oder üben will, ich tu es einfach gerne! Schon traurig: Alternder Rocker besorgt sich Gitarre! Aber es ist wahr!
Raymond: Aber weisst du was? ich weiss noch, wie wir fertig wurden in Hamburg mit dem Mixen, da sagte ich mir auch: „Wenn das hier durch ist, kaufe ich mir ’nen neuen Bass!“ Das habe ich zwar noch nicht getan – aber du hast mich jetzt daran erinnert! Ich glaub’ ich mach mit! Ich treff’ mich mit dir und wir spielen – wenn ich nicht zu sehr mit Holzarbeiten beschäftigt bin!
Ein Unterschied zu früher ist auch, dass ihr jetzt auf eurem eigenen Label veröffentlicht. Wieviel Arbeit macht das? Müsst ihr euch jetzt auch um Zahlen kümmern?
Raymond: Es hat weniger mit Zahlen zu tun, als damit, einfach insgesamt involvierter zu sein. Dinge, die uns was angehen, kriegen wir jetzt per email mit. Aber wir arbeiten auch mit Leuten zusammen, die wissen, was sie tun und denen wir vertrauen. Das ist einfach wichtig, damit wir so arbeiten können, wir wir es jetzt tun. Es ist zum Beispiel gut zu wissen, dass wir unser eigenes Geld ausgeben, wenn wir eine Platte aufnehmen – wenn das das Geld eines Labels wäre, würde man sich dafür ganz anders verantwortlich fühlen. Dann müsste man sich Fragen anhören wie „Muss das sein, dass die Platte in Hamburg gemischt wird? Geht das nicht irgendwo näher bei Glasgow?“ Aber weil’s unser eigenes Geld ist, können wir uns solche Entscheidungen erlauben. Klar, das mit dem Label ist ein bisschen zusätzliche Arbeit, aber es ist auch keine so große Sache. Jemand, der einen normalen Job hat, muss immer noch sehr viel mehr seiner Zeit dafür aufwenden, als wir für die Organisation des Labels aufwenden müssen.
So, meine halbe Stunde ist gleich um – damit komme ich zur letzten Frage. Zum Abschluss lasse ich mir immer gerne Anekdoten erzählen, deswegen die Frage: Was war die verrückteste Show, die ihr je gespielt habt?
Norman: Oh, da gab es so einige. In der Schweiz haben wir mal in einem ehemaligen Gastank gespielt, so ein riesiger Zylinder. Das hat ganz schön gehallt dort. Das war also durchaus sonderbar.
Raymond: Zumal, dort gab es keine Toiletten. Das war echt weird. Sonderbar war auch, als wir in Coney Island gespielt haben, dem Vergnügungspark bei New York. Es war Hochsaison, und der Park war voller Touristen. Die fragten sich alle: Wer sind denn diese komischen Schotten?
Cool, dann vielen Dank fürs Gespräch und viel Erfolg für die Platte! Wenn die nächste etwas schneller kommt, freue ich mich, aber wenn ihr noch mal so lange braucht, soll es mir auch recht sein.
Norman: Vielen Dank! Wir spielen bestimmt auf der nächsten Tour in München, da hoffen wir, dass wir uns sehen!
Das wäre wunderbar – das wäre herrlich, wenn wir wirklich auf eurem Tourplan stehen!
Norman: Einer meiner besten Kumpels kommt aus München – Thomas. Er ist auch in Kanada gelandet und mit ihm kann ich wenigstens über Fußball reden! Das kann ich da mit sonst niemandem – Sag doch „Hallo, München“ für Tom!
Wird gemacht! Vielen Dank also noch mal, Cheers!
Raymond: Danke ebenfalls!
Norman: Bye-Bye