Review: Parker Millsap

millsapdigitalcoverParker Millsap – „The Very Last Day“

Also echt, Thirty Tigers, das habt ihr ja mal ordentlich verbockt. Ich will euch nicht erklären, wie euer Job geht – aber ich versteh’s nicht, wie ihr das aufgezogen habt. Meiner Meinung nach sitzt ihr bei Parker Millsap auf einer Goldmine. Dass ihr sein drittes Album „The Very Last Day“ in Europa ein halbes Jahr zurückgehalten habt (in den USA erschien es schon im März), hätte ich deshalb eingesehen, wenn der Grund dafür war, dass ihr hier noch einen starken Labelpartner für ihn suchtet. Die Platte aber erst liegen zu lassen, während zur VÖ wenigstens in den USA (und ergo über die international gelesenen Sites und Blogs) über sie gesprochen wird, nur um sie hier dann Monate später ohne jegliche Promo oder Info sang- und klanglos auf dem europäischen Markt freizugeben, so dass selbst der Fan eher zufällig drauf stößt – das ist ja schon fast Sabotage am eigenen Künstler.

Ich werde meinen eigenen kleinen Beitrag dazu leisten, diese Sabotage zu sabotieren, indem ich die Platte wenigstens hier ein bisschen  abfeiere.

Warum glaube ich, Parker Millsap sei eine potentielle Goldgrube? Weil die Leute offen sind für Americana. Vor allem ist da ein Markt für Musik mit tiefen Wurzeln im Country, Soul und Bluegrass, die sich auch dem Rock und Pop öffnet. Wenn man diesen Sound breitenwirksam auf den Punkt bringt, können Millionenseller wie Chris Stapleton und Mumford & Sons dabei rauskommen. Ich traue Parker Millsap zu, deren Publikum zu erreichen. Weil er die Stimme hat und die Songs, und weil er ein kerniger junger Typ aus dem Süden mit interessanter Story ist.

parker-millsap-soloshotParker Millsap (23) stammt aus dem Örtchen Purcell, Oklahoma – eins dieser Städtchen im Südwesten, in dem einem schon als Kind Religion als wichtigster Lebensinhalt eingetrichtert wird. Parkers Familie gehörte der Kirche der „Pentecostal Holiness“ an – und auch wenn er sich davon lossagte und sich schon als Teenager auf den Weg machte, mit seinem Drummer/Bassisten Michael Rose als Indie-Country-Duo durch die Südstaaten zu touren, es prägt einen natürlich, wenn man als Kind immer jede kleine Sünde im den Beichtstuhl preisgeben muss, weil sonst die Hölle droht. Religion blieb für Parker ein Thema, zwei seiner bekanntesten Songs („Old Time Religion“ und „Truck Stop Gospel“) drehen sich darum. Die beiden Lieder stammen von Parkers zweitem Album („Parker Millsap“, 2014), seine Band war zu dem Zeitpunkt zum Trio angewachsen: Der langbärtige Fiddler Daniel Foulks tauchte nach einem Konzert auf und fragte, ob er künftig mitmachen dürfe. Er durfte, was eine prima Entscheidung war. Die Dreier-Kombination Frontmann/Drummer/Fiddler gibt Parker Millsap und seinen Mitstreitern viele Möglichkeiten. Wenn sie wollen, können sie schmutzig rocken wie die Black Keys, aber wenns mal leise und folkig werden soll, dann können sie auch in den zärtlichsten Modus schalten und mit Foulks Fiddle echte spinnwebiges Patina-Foto Country-Feeling zaubern.

parker-millsap-bandDass sie sich hierbei immer besser aufeinander einspielen, zeigt „The Very Last Day“. Denn so famos das Album „Parker MIllsap“ schon war – im Nachhinein zeigte die Platte das Trio noch vergleichsweise eingeschränkt. Das Album bestand aus hautsächlich feinen Balladen und drei, vier dreckigen Rock-Brechern. „The Very Last Day“ dagegen lotet das Ganze in erheblich mehr Variationen aus. Wir hören knackigen Rock’n’Roll („Hands Up“),  minimalistischen Mundharmonika-Blues („You Gotta Move“), fast-schon-Sixties-Pop („Pining“), in Zeitlupe stampfenden Boogie („The Very Last Day“),  knallenden Indie („Hades Pleades“), Ryan-Adams-Rock („Wherever You Are“) und natürlich auch ein das eine oder andere Lagerfeuer-Folk-Lied wie „A Little Fire“, „Jealous Sun“ oder das finale „Tribulation Hymn“ – ein Song, bei dem dem Hörer noch mal klar wird, wie nah Bluegrass und Irish Folk eigentlich verwandt sind.

Über all dem steht die extrem beeindruckende stimmliche Performance von Parker, der hier als Bluesman, Brüllaffe und behutsamer Wisperer echt über sich hinaus wächst. Auch noch mal ein Wort zur Band bzw zu den Arangements: Auch wenn die Trioformation bei den Aufnahmen um die eine oder andere Spur angereichert wird – hier mal eine Orgel, dort ein Bass, immer mal eine zweite Gitarre – dick aufgefahren wird nie. Wir hören immer noch im Kern das spröde Live-Trio, so dass die Songs dirty und urwüchsig bleiben.

parker-millsap-band-2Das alles macht „The Very Last Day“ erstens zu einer Platte, vor der jeder Americana-Fan nur den Hut ziehen kann. Innerhalb dieses Genres bewegt sich Parker Millsap mit seinen 23 Jahren echt wie eine flinke Forelle im kristallklaren Bergbach. Zweitens – und jetzt komme ich zurück auf den Absatz oben, als ich die Namen Mumford & Sons sowie Chris Stapleton fallen ließ – ich kann mir beim besten Willen niemanden vorstellen, der das nicht super fände, wenn er’s mal hören würde. Ich jedenfalls höre diese Songs und denke mir: Das ist nicht nur in seinem Style stark – das kann und muss doch auch die Leute über die Szene hinaus erreichen. Auch mein Dad würde sowas mögen, der alte Bluesfan. Auch meiner Schwester, die sich nur ab und an Platten kauft, die auch Radio hört (aber dafür ’nen gehobenen Geschmack hat – Lieblingsband: Vampire Weekend), muss das doch gefallen. Deswegen der Vergleich zu Stapleton und Mumford & Sons – Parker Millsap klingt wie keiner von den beiden, aber theoretisch müsste er in beider Fanbases wildern können. Ich denke, wenn Parker Millsap eine funktionierende Maschine hinter sich stehen hätte (wobei, so fair muss ich sein, Thirty Tigers in den Staaten starke Arbeit macht), müsste auch hier eigentlich ein riesiges Publikum für ihn zu finden sein – und mich nervt einfach, dass es versäumt wird, ihn angemessen dabei zu fördern. Grrrr.

Andererseits – jo mei. Dann freuen wir Fans von Shakey Graves, Ryan Adams und Jason Isbell uns eben noch ein bisschen, dass wir hier noch eine Art Geheimtipp für uns haben. Über kurz oder lang wird der Rest der Welt es mitkriegen, da führt kein Weg dran vorbei.

parker-millsap-ranking

von „Parker Millsap“ (2014)

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