L.A. Salami – „Dancing With Bad Grammar“
Lookman Adekunle Salami kommt aus London und er ist ein Singer/Songwriter. Mit akustischer Gitarre, im Folk unterwegs. Ein filigraner Saitenpicker ist er, der Lookman. Ich gebe zu: Bisher habe ich dieses Album nur einmal nebenbei im Büro gehört. Aber was ich hörte, fand ich sofort ziemlich cool. Es ist erkennbar eine Platte, mit der man sich näher auseinander setzen muss, dann wird sie einen vermutlich belohnen. Heute ist ein guter Abend dafür. Ich sitze auf dem Dachbalkon im Haus meiner Eltern in der lauen Abendwärme kurz nach dem Sonnenuntergang – ein idealer Moment, um dieses Album mal auf mich wirken zu lassen.
Nach den ersten drei Liedern meine ersten Vergleiche. Auch wenn Künstler es hassen, verglichen zu werden. Lookman sollte das auch, er ist ein sehr eigenständiger Charakter, das zeichnet sich bereits ab. Aber ich versuche ja nur, zu beschreiben, also Sorry, ein Vergleich: Ich nenne LA Salami „die männliche Laura Marling“. Was ein riesiges Lob ist, denn Laura Marling ist in meinen Augen eine ganz Große. Auch LAs Lieder und sein Gitarrespiel sind im Klang luftig, in der Substanz aber tiefgründig und nicht eben leichte Kost. Auch Blues scheint durch, wie bei Frau Marling.
Gleich noch ein Vergleich: Jeff Buckley. Denn Lookmans Songs können sehr komplex sein, ohne aber an Grazie einzubüßen. Song 4 zum Beispiel: „Anything’s Greener Than Burnt Grass“. Da wird die Gitarre auch mal verzerrt, denn hier spielt LA mit kleiner Band, wir hören Barroom-Piano, wabernde Orgel und jazzy Drummer. Der Song lebt. Er hat seine Pausen und Brüche genauso wie seine Lärmmomente, verliert trotz all diese Kontraste seine innere Dynamik nicht. Nein, das Ganze klingt natürlich nicht 1:1 wie Jeff Buckley. Aber Jeff Buckley und seine Band arbeiteten ähnlich.
Als nächstes sehen wir diesen Mann noch ganz andere Saiten aufziehen: Auf der Single „I Wear This Because Life Is War“ singt er mit neuer Stimme, einem rauen Beschwerdeton.
Das folgende „The City Nowadays“ zeigt LA beinahe als Rapper – hier legt er einen Sprechgesang über seine nun Noise-Blues pushende Band und weil ich um einen Vergleich einmal mehr nicht umhin komme (so funktioniert mein Gehirn nun mal) muss ich an Raury denken – wenn der junge Südstaatler kein Hippie, sondern ein Protestrocker wäre.
„I’ve got heartache, headache, high cholesterol, low self esteem“ lamentiert Salami. „The terrorists are out to get me cause I have proof of Noam Chomsky’s beating on his chest. And illegally downloading music has become too easy, it’s destroying the culture – but I don’t wanna pay for it, fuck that! I’ve got bills to pay, food to eat, and not that much money. There are jobs… nowhere! I can’t find any! What happened to Rock’n’Roll? What happened to HipHop? What happened to the cinema?“ Wir sehen: Der junge Mann hat ein Mitteilungsbedürfnis. Was er sagt, ist nicht immer kohärent, okay. Aber man spürt, dass es in ihm brodelt, dass er wirklich was aussagen will. „Fast food films! Fast food music! Fast food politics! Fast food ideologies!“ rohrspatzt Lookman weiter, um letztlich die Kernaussage zu formulieren: „What’s the worth of working to live at the cost of your soul? So much that you don’t wanna live at all!“
Hui. Das ist ne Ansage.
Zum Glück beruhigt der Lookman die Dinge auf „Day To Day (For Six Days A Week)“ erst mal wieder mit gezupfter Akustikgitarre und Mundharmonika. Ein Liebeslied, letztlich, denn der Sänger beschreibt zwar eine besonders frustrierende Arbeitswoche, die Kernzeile aber ist „might have cared if you were there“. Im vornehmlich akustischen Folk-Modus geht das Album dann ihrem Ende entgegen.
Also. Meine Vorahnung hat sich bestätigt: Dies ist ein Album, das verlangt, dass man sich ihm bewusst widmet. Wenn man das dann tut, zahlt es sich aus. Nicht weil LA Salami so ein weiser Denker wäre, der uns die Welt erklären kann – ganz im Gegenteil: Der Londoner ist ein junger, verwirrter Philosoph, der händeringend versucht, sich seinen Reim aufs Leben zu machen. Dabei zählt er Dinge auf, die ihm passieren, notiert die Widersprüche und springt vom einen Gedanken zum nächsten. Er versucht, Ordnung in den Kopf zu kriegen – seine ebenfalls gerne mal sprunghafte Musik ist das Dokument der Unordnung, das dort herrscht.
Das ist letztlich die Stärke von „Dancing With Bad Grammar“: Es ist eine verworrene, aber eine sehr ehrliche Platte, die uns den Einblick ins Seelenleben eines vielversprechenden Künstlers verschafft. Wenn diese Platte sich eines Tages als Ausgangspunkt einer langlebigen Karriere entpuppen sollte, ich wäre nicht überrascht.