Freitag erscheint ein neues Werk von The Devil Makes Three. Allerdings nicht mit neuen Songs – „Redemption & Ruin“ ist ein Coveralbum. Hier präsentiert uns das US-Trio Lieblingslieder und Einflüsse aus früheren Jahrzehnten, von Robert Johnsons Blues bis zu Tom Waits Rumpel-Artrock. Die Art Songs, die „DM3“ zu der Indiefolk/Bluegrass-Spitzenband gemacht haben, als die wir sie kennen.
Ich sprach 2/3 der Band, Sänger Pete Bernhard und Fiddler Cooper McBean, darüber vor ihrer Show im Münchner Strom.
Das ist jetzt das dritte Mal innerhalb von zwei Jahren, dass ich Euch live in diesem Club sehen werde. Ihr habt offenbar Gefallen an Deutschland gefunden!
Pete Bernhard: Aber total! Deutschland ist klasse! In Europa läuft’s für uns nirgends so gut wie in Deutschland! Na gut, das stimmt nicht, am allerbesten läuft es in Amsterdam. In den Niederlanden sind wir noch größer. Aber in Deutschland läuft es super.
Ja, in den Niederlanden ist Country grundsätzlich eine größere Sache als hier.
P: Stimmt, gerade waren wir in Amsterdam im Paradiso, das war eine echt prima Show. Wir haben in Holland auch ein paar Festivals gespielt. Aber abgesehen davon ist Deutschland unser stärkstes Land, hier kommen echt viele Leute auf die Shows.
Aber es gab euch schon über ein Jahrzehnt, bevor ihr das erste Mal hier gespielt habt.
P: Ja, unsere erste Tour war vor zwei Jahren, als du uns hier zum ersten Mal gesehen hast.
Hat es euch überrascht, dass die Konzerte so voll waren?
Cooper McBean: Aber wohl!
Mich nämlich auch! Ich dachte, ich komme auf eine Show mit 40, 50 Country-Fans. Statt dessen war es beinahe ausverkauft – und das an einem heißen Sommertag.
C: Wir haben genau das gleiche erwartet wie du. Wir dachten, hier kennt uns kein Mensch.
P: Deutschland läuft wirklich sehr gut für uns.
Was mich erstaunte: Das Konzert war voller Rockabilly-Fans.
P: Genau!
Ist das in jedem Land so oder ist das typisch für Deutschland?
P: Woanders ist es nicht so. Normal ziehen wir ein Publikum aus Punk Rock Kids. In Los Angeles oder San Diego, da kommen auch immer Rockabillys. In Südkalifornien. In Deutschland sind es auf jeden Fall mehr als anderswo.
Worauf führt ihr das zurück? Normal sind die Rockabillys ja sehr streng, wenn es darum geht, welchen Style und welche Musik sie akzeptieren.
P: Also, viel von unserer Musik lehnt sich durchaus an Rockabilly oder alten Rock’n’Roll an. Manchmal sogar mehr an Rock’n’Roll als an Bluegrass. Vielleicht hören sie das heraus? Außerdem: Vielleicht gibt es hier einfach eine größere Szene? Sogar größer als in den Staaten?
Das kann schon sein. Ich war überrascht, gleich so viele auf euren Shows zu sehen, ich wusste selbst gar nicht, dass München da eine so große Szene hat. Meine Deutung war, dass es der Stehbass ist, der die Rockabillys anzieht.
C: Gut möglich.
P: Und wir spielen ihn ja auch oft so im Slap-Stil. Andere Bands tun das nicht so.
Pete, hast du eigentlich eine deutsche Herkunft? Der Nachname Bernhard lässt darauf schliessen.
P: In der Tat! Sieben Mitglieder meiner Familie kommen heute auf die Show! Der väterliche Teil meiner Familie stammt aus Deutschland und ich habe noch Verwandte in Berlin, in München und in Passau.
Das klingt, als sei deine Familie also nicht vor mehreren Generationen ausgewandert, sondern eher kürzlich?
P: Es war so: Die Familie ist in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg ausgewandert. Aber ein Onkel ging wieder zurück. Er ist in Amerika geboren, ging aber zurück nach Deutschland, gründete hier eine Familie und lebt inzwischen hier länger, als er in den USA lebte. Bei Familientreffen hat man sich immer gesehen. Der Rest meiner Familie lebt über die ganzen Staaten verstreut, von der East Coast bis zur West Coast.
Verstehe. So, jetzt muss es aber um die neue Platte gehen! Das kommende Album ist eine Platte voller Cover-Versionen.
P: Richtig.
Ich als investigativer Typ, der die ganz harten Fragen stellt, muss da natürlich bohren: Ist das etwa die Folge eines Writer’s Blocks?
P: Weisst Du, soo viele Alben bringen wir eh nicht raus. Normal wären wir noch gar nicht wieder dran, denn unser Rhythmus ist normal ein neues Album so etwa alle…
C: vier Jahre.
P: Vier Jahre, genau. Wir schreiben einfach grundsätzlich nicht besonders schnell. Dies gibt uns die Möglichkeit, auch zwischendurch etwas zu veröffentlichen. Wir haben noch nicht genug Material für ein ganzes neues Album, nächstes Jahr vielleicht? Mann, sind wir LANGSAM! Ein neues Album alle vier Jahre! Wir gehören einfach nicht zu den Bands, die eine Platte nach der anderen raus haut und dann sofort wieder auf Achse ist. Aber Writer’s Block ist es nicht, wir sind einfach grundsätzlich so langsam.
C: Wenn wir ein neues Lied haben, probieren wir es erst mal bei den Konzerten aus. Nach ein paar Monaten merkt man dann, ob es gut genug ist für ein Album oder ob man es wieder fallen lässt.
P: Früher haben wir in den Pausen zwischen den Alben immer Livealben gemacht. So nach dem Motto: „Wir haben zwei Jahre nichts veröffentlicht, aber die Fans sollen was in den Händen halten können.“ So ähnlich ist das mit diesem Album. Wir lieben diese Lieder, darum verbreiten wir sie. Ob die Schreibblockade eingesetzt hat, wissen wir dann, wenn wir in zwei Jahren noch kein neues Album mit eigenen Songs hinkriegen, haha. Aber wir haben neues Material, wir müssen nur mal dran arbeiten.
Die zentralen Themen des Albums sind „Redemption and Ruin“ – „Erlösung und Ruin“. Habt ihr euch das Motto vorher ausgesucht, oder habt ihr erst die Songs ausgesucht und dann diesen roten Faden festgestellt?
P: Nein, das war von Anfang an unser Konzept. Eine Schallplatte, Seite 1 ist gospel-inspirierte Musik, Seite 2 ist die Seite, in der es um Ruin geht, Lieder übers Saufen, Drogen und gebrochene Herzen. So sind wir heran gegangen an die Sache – und es war SCHWER. Als wir uns das Konzept ausdachten, dachten wir, es wäre ganz leicht, die richtigen Lieder zu finden. Aber genau die passenden zu finden, war dann doch viel kniffliger. Aber wir blieben dran am Konzept, damit das Album Sinn macht. Also gab’s zuerst das Konzept, und dann haben wir all unsere Lieblingskünstler angeschaut und geguckt, welche ihrer Songs wir in das Konzept pressen können.
Es war euch auch wichtig, dass die Reihenfolge so ist: Erst die Erlösung, dann der Ruin? Andersrum wäre die Message ja eine komplett andere.
P: Es klang einfach besser, „Redemption and Ruin“. Tatsächlich ist die Reihenfolge der Songs „Ruin and Redemption“. Aber das geht nicht so gut von der Zunge. Letztlich wird man bei dieser Platte wirklich die Vinyl-Version brauchen, damit die Trennung der Songs klar wird. „Redemption“ auf der einen Seite, „Ruin“ auf der anderen.
C: Es gibt keine Seite 1 oder 2, keine A-Seite und B-Seite.
P: Auf der Platte wird nicht „Redemption & Ruin“ stehen. Auf der einen Seite steht „Redemption“, auf der anderen „Ruin“. Wenn man aber den Download lädt oder die CD kauft, dann beginnt’s mit „Ruin“.
Reden wir über den einen oder anderen Song. Townes van Zandts „Waiting Around To Die“ scheint ziemlich gefragt zu sein zur Zeit. Whitey Morgan hat den Song auch auf seinem neuen Album gecovert.
P: Echt? Das wusste ich nicht. Ist halt ein Klassiker, wir spielen ihn seit Jahren und lieben das Album, von dem der Song kommt. Townes ist natürlich eine offensichtliche Wahl, seine Lieder sind nun mal so traurig und depressiv.
Auch habt ihr einen Ralph Stanley – Song ausgesucht, und der ist letztes Wochenende erst gestorben.
P: Stimmt. Wir spielen den Song heute Abend. Wir haben Ralph Stanley mal noch mal live gesehen.
C: Vor sechs Monaten etwa.
P: Wir haben ihn also noch mal gesehen. Tja, er war toll. Einer der besten.
Eher untypisch ist, dass ihr auch einen Tom Waits-Song gepickt habt,
P: Das stimmt, er ist der Schritt, den wir aus dem Genre raus machen. Es war trotzdem gerade deswegen spannend, ihn auf die „Redemption“-Seite mit rauf zu nehmen. Sehr viele dieser Songs sind Traditionals, uralte Lieder der Allgemeinheit.
Ich muss sagen, ich bin ganz froh, dass ihr ansonsten nicht in anderen Genres gewildert habt. Denn es gibt eine Art Band, die lebt davon, „lustige“ Bluegrass-Covers zu spielen.
P: Aah, ich weiss, was du meinst. Sowas mögen wir nicht.
Da geht’s mir ähnlich. Man hört diese Bands und denkt sich: Ihr liebt doch Bluegrass nicht, ihr macht ein Comic-Genre daraus!
P: Das mögen wir wirklich nicht. Das ist reine Verarsche, um Geld zu machen. Wir dagegen, wir mögen Bluegrass einfach richtig richtig gerne. Ein Covers-Album zu machen, ist für uns eine Möglichkeit, unseren Hörern die Musik nahe zu bringen, die wir lieben. Man fragt uns ja oft nach unseren Einflüssen und nach unserer Inspiration: DIES ist unsere Inspiration. Es ist ja auch viel Blues auf der Platte, auch ein großer Einfluss.
Was ich wiederum ebenfalls gut finde, denn ich glaube, ich stehe nicht alleine in eurem Publikum für die Typen, die über den Weg des Alternative Country zu euch gefunden haben.
P: Mmm-Hmm.
Will sagen: Ich weiß Bescheid über Old Crow und Sturgill, aber wenn es um die alten Größen geht, da stehe ich vorm Wald. Da weiss ich gar nicht, wo ich anfangen soll.
P: Ja, genau. Das ist SO ein weites Feld! Es gibt SO viel!
So wie mir geht es sicher mehr Leuten in eurem Publikum.
P: Naja – das kommt ganz darauf an. In den Staaten ist es oft so, dass Musikfans, wenn sie denn Anhänger eines Genres sind, sich auf dieses Genre extrem fixieren. So nach dem Motto: „Ich mag Waylon Jennings, Willie Nelson und Merle Haggard – aber mehr kommt mir nicht ins Haus!“ Die Leute tendieren hier dazu, sich auf das, was sie mögen, sehr zu fokussieren. Vielleicht ist das hier anders als in den Staaten, wo die Leute sehr festgefahren sind. Zumindest waren sie das früher, ich habe das Gefühl, es ändert sich gerade. Die Art, wie Leute Musik hören, verändert sich ja gerade grundsätzlich. Zum Beispiel, dass man heute viel mehr Singles und weniger Alben hört – deswegen verfolgen die Leute nicht mehr so genau, was ihre einzelnen Lieblingskünstler machen. Wir kennen aber genug Leute, die sich einen Künstler aussuchen und das war’s dann. Mein Vater zum Beispiel, er steht auf Lightnin‘ Hopkins. Den hat er für sich gefunden, und das reicht ihm, jemand anderen will er gar nicht hören.
Jedenfalls gebt ihr uns sozusagen eine Musikgeschichtsstunde.
P: Das ist durchaus der Gedanke dahinter – es zeigt mal zumindest den Teil der Musikgeschichte, auf den sich unsere Band beruft, das, was wir so hören. Auch wenn eine Platte natürlich nicht ausreicht, um alles unter zu bringen.
Was die Entwicklung des Musikhörens angeht – ich habe das Gefühl, dass die Kids hierzulande zwar ALLES hören und sich sehr offen gegenüber jedem Genre zeigen – dass das aber auch dazu führt, dass viele Hörer Gut und Schlecht gar nicht mehr unterscheiden können. Keiner spezialisiert sich mehr und geht in die Tiefe, zwar kennt jeder alles ein bisschen, aber dafür nur an der Oberfläche.
P: Diese Entwicklung stelle ich in den Staaten auch fest, bei den jüngeren Hörern. Meine Schwestern sind 18 und 23 und sie kaufen sich keine Alben. Sie downloaden Songs, immer nur einzelne Songs. Tausende Songs! Meine Schwester sagt: „Ich mag diesen Song, der ist neu!“ Ich höre ihn mir an und sage: „Der ist neun Jahre alt!“ Für sie ist das eine neue Band! Aber sie befasst sich nicht tiefer auf, und sie hat den Song vermutlich eh geklaut. Sie geht nicht aufs Konzert und kauft den Song bei der Band, sondern sie sammelt sich das halt zusammen. Was ja schon traurig ist. Ich mag es einfach, wenn da eine CD herumliegt von einer Band. Ich mag es auch, wenn so eine CD dann ein ein Genre einzuordnen ist – denn wenn man aufwächst und etwas für sich entdeckt, dann kann man darüber auch zu sich selbst finden. Definieren, wer man ist. Bei mir lief das auf jeden Fall so ab. Ich habe mich identifiziert mit Punk Music und mit Folk Music und mit Country – das hat mir gezeigt, was ich gut fand, und in welche Richtung ich selbst mich bewegen wollte, auch wie ich mich anziehen wollte – alles. Sowas verschwindet.
Ich komme mir immer vor wie ein alter Sack, wenn ich mich so beschwere, a la „das war früher besser“. Aber ich finde es schon wichtig, dass man FÜR und GEGEN etwas steht, und nicht alles irgendwie okay findet. Das ist so wischi-waschi.
P: Mir geht’s aber ganz genau so. Ich meine, mit was für Leuten umgibst du dich, wenn du so denkst? Vermutlich auch nur mit Leuten, die sich für nichts besonders interessieren? Okay, vielleicht bin ich nur alt – aber mir sieht das verdammt langweilig aus!
Die Leute verlernen, zu sagen: „Das ist Dreck!“ Und sie verlernen es nicht nur auf dem Gebiet der Musik, sondern insgesamt. Auch im gesellschaftlichen Leben. Wer sich gegen etwas sperrt und auflehnt, wird sofort als Querulant wahrgenommen.
P: Verstehe, stimmt.
Tja, aber da bin ich mal wieder von meinen Fragen abgekommen. Also kommen wir zurück zur Platte. Ich habe gesehen, dass man auf eurer Website eine „Deluxe Version“ des Albums für 99 Dollar kaufen kann, mit Tarot Karten und allem möglichen.
P: Tja, das ist halt ein Ding von unserer Plattenfirma, um Dinge an den Mann zu bringen, haha. Das ist nun mal das, was Plattenfirmen versuchen müssen – Zeug zu verkaufen. Es ist keine leichte Zeit für Plattenfirmen, also lassen sie sich was einfallen. Wir verkaufen sowas selbst nicht. Wenn wir touren, verkaufen wir Platten, CDs und T-Shirts. Ich selbst würde mir so was nicht kaufen, aber manche Leute stehen drauf, also gut, meinetwegen kann ihnen das Label diesen Wunsch gerne erfüllen.
Ich muss ja gestehen, ich habe ein Problem mit solchen Bundles.
P: Mm-Hmm?
Ich glaube, diese Bundles richten sich nicht an eure größten Fans – sondern an die wohlhabendsten. Es gibt ja auch diese Tourneen, wo man ein superteures Ticket für 300 Dollar kauft und dann darf man sein Foto mit, sagen wir, Aerosmith machen.
P: Genau, ja.
Der größte Fan kann sich so ein „goldenes Tickets“ nicht leisten, wenn er sparen muss. Aber wer eh Geld wie Heut hat und wem das nicht weh tut, der besorgt sich das Sonderticket und kriegt die Sonderbehandlung wie am Flughafen. Also, ich verstehe die Motivation. Das 1% hat nun mal alleine gleich viel Geld wie der Rest von uns, und an das versucht man eben heran zu kommen.
P: Ich glaube, der Grundgedanke ist schon, die wirklich großen Fans zu erreichen. Denn so speziell ist das Albumpaket ja nicht. Was kriegt man denn? Die CD, das Vinyl, ein T-Shirt, eine 7“, Aufkleber… eigentlich genau das, was man auch am Merchandise-Tisch kaufen kann, nur eben auf einem Haufen.
C: Ich glaube, man kann all das auch einzeln kriegen.
P: Das kann man. Man könnte es auch einzeln kaufen.
C: Das Wichtigste ist doch, dass man die Platte kriegt.
P: Ich glaube auch nicht, dass die Box teurer ist. Ich glaube, sie ist insgesamt billiger, als wenn du als Riesenfan an den Tisch kommst und all die Artikel einzeln kaufst. Ach, es ist halt ein Gimmick, um ein paar Käufer anzusprechen.
Das Thema ist halt ein kleines Lieblings-Hassthema von mir. Ich störe mich, wenn ich das Gefühl habe, dass das 1% seine Sonderbehandlung kriegt. Wäre ich in den Staaten, ich wäre ein Bernie-Supporter.
P: Ich stimme dir auch normal durchaus zu – Bernie Sanders ist übrigens aus Maine, wo wir herkommen. Wir sind große Anhänger von ihm. Aber hey, das gehört halt zu den Dingen, die Plattenlabel so machen. Wenn wir die Platte selbst veröffentlichen würden, würden wir auf sowas verzichten, aber wir arbeiten mit einem Label, und so läuft es dann eben. Wenn die dann so eine Box veröffentlichen wollen, dann sollen sie doch. Ganz ehrlich: Ich glaube, viele Leute werden sie damit nicht ködern.
C: Sage ich auch.
P: Wir sagen halt: Wenn ihr wollt, macht das. Wir glauben nicht, dass viele Leute das kaufen wollen. Macht halt, wenn ihr wollt. Ich als Fan würde mir das aber nicht kaufen.
Jetzt hast du gerade Vermont erwähnt – das habe ich gelesen, dass ihr an verschiedenen Enden der Staaten lebt, wenn ihr nicht tourt. Cooper, du lebst in Kalifornien?
C: Inzwischen lebe ich in Texas.
Aber ihr, also Pete und Lucia (Turino, Bassistin), lebt weiter in Vermont?
P: Ja, wir wohnen in Vermont. Ich und unsere Bassistin Lucia leben im Süden von Vermont. Bernie Sanders hat auf zu der Abschlussfeier an ihrer High School gesprochen!
Der Abstand zwischen Texas und Vermont ist aber kein Problem, weil ihr euch oft genug auf Tour seht?
P: Ja, das klappt.
Ab und zu braucht man vielleicht auch Abstand voneinander?
P: Ach ja, ich meine, wir machen dies jetzt schon seit…
C: …fast 15 Jahren.
P: Genau, und seit sieben, acht Jahren lebst du jetzt von uns getrennt, Cooper.
Jedenfalls habt ihr schon In Vermont gewohnt, in Texas, in Kalifornien – was ist der beste Ort, um in den USA zu wohnen?
P: Weisst du, jeder Ort hat seine Vorteile. Die Staaten sind so groß, und es gäbe so viele Stellen, wo es toll wäre, zu wohnen. Ich liebe Vermont im Sommer, aber ich komme halt auch von da. Texas ist sehr angenehm im Winter. Im Sommer wäre es mir dort zu heiß. Kalifornien war auch toll, aber dort zu leben ist halt auch extrem teuer. Deswegen sind wir alle von dort weggezogen. Dort kommt man einfach kaum über die Runden, wenn man kein Millionär ist – und nicht mal dann ist es einfach. Als Millionär kann man sich dort zwar ein Haus kaufen – aber kein besonders schönes. Ein beschissenes kleines Haus.
Und dann darf man nicht mal seinen Rasen sprengen.
P: Genau, man darf nicht den Rasen sprengen, man hat alle möglichen anderen Umweltprobleme – aber es ist trotzdem grundsätzlich toll dort. Es gibt ja einen Grund, warum Leute dort auch bleiben, selbst wenn sie in einem winzigen Apartment leben müssen und ihr Job sie kaum über Wasser hält – es ist SO schön dort.
Zum Thema Texas und Musik habe ich eine spannende Geschichte gelesen: In Houston wurde ein Verbrecherring hoch genommen, der sich darauf spezialisiert hatte, die Anhänger von…
C: Bands zu klauen?
Genau – die hatten sich regelrecht auf Bands spezialisiert.
P: Das ist so eine fürchterliche Sache!
Meine Frage wäre: Habt ihr auch eine solche Geschichte? Seid ihr schon mal bestohlen worden als Band?
C: Wir hatten Glück.
P: Wir hatten echt Glück bisher. Aber wir nehmen auch grundsätzlich NIEMALS einen Anhänger mit auf Tour, außer wir sind mit einem großen Bus unterwegs. Denn einen Anhänger abzukoppeln von einem großen Bus, das ist schwer. Es ist normal immer jemand im Bus, der das mitkriegen würde. Aber wenn man mit einem Van unterwegs ist – da lässt sich ein Trailer zu leicht abkoppeln. Und diese Banden haben es besonders auf Vans mit Trailer abgesehen. Das geht ganz schnell. Die Band ist im Club – und schon ist der Trailer weg. Wir hatten Glück – aber wir kennen Bands, denen das passiert ist. Gerade erst wurde dem Künstler, der uns in Paris supportet hat, das Auto aufgebrochen und all sein Zeug geklaut. Diese Diebe waren aber nicht Profis genug, um sich auch an den Anhänger zu wagen.
Ja, die Bande, von der ich las, das waren Vollprofis. Auf die Schliche kam man ihnen, weil ein Künstler an seinem Anhänger einen GPS-Tracker angebracht hatte.
P: Whaaooooow! Gute Idee! Das ist SO ne gute Idee!
C: Trotzdem eine schlimme Sache.
P: Ja, es ist trotzdem natürlich übel. Bands auszurauben ist regelrecht zum Trend geworden, zumindest in den Staaten. Wir hatten Glück – aber es ist ja irgendwie klar. Es ist drei Uhr morgens, und jemand verlässt einen Club mit einem Batzen Geld – meistens auch noch cash. Das wissen die Kriminellen natürlich. Ich kenne Leute, die überfallen worden sind auf dem kurzen Weg zwischen Clubausgang zum Hotel oder zum Tourbus. Die Sache mit den Trailern aber, die ist neu, und sie passiert echt immer häufiger.
Die Gruppe in Houston hatte Späher an den Einfahrtsstraßen der Stadt, die schon reinfunkten, wann ein passender Wagen ankam. In der Stadt wartete dann schon die nächste Schicht, die abpasste, ob dieser Wagen anhielt, zum Beispiel weil die Band zum Essen ging. Und in den 20 Minuten, bis die Band aus dem Restaurant raus kam, war der Trailer weg.
P: Nicht zu fassen! Verrückt. Go Texas!
Aber weiter im Interview. Eine Band aus dem Folksektor, die super erfolgreich ist, sind Mumford & Sons. Wenn eine Band erst mal so erfolgreich ist, melden sich auch viele Gegner, deswegen sind sie nicht der hipste Name, den man droppen kann. Aber wie ist die Sache für Euch: Haben die Mumfords nicht auch Folk-Bands wie euch ein neues Publikum erschlossen? Habt ihr diesbezüglich was bemerkt? Dass Fans vielleicht erst die Mumfords mochten und von da aus zu euch fanden?
P: Hmmm. Also, in den letzten Jahren ist unser Publikum auf jeden Fall stark gewachsen. Aber wie viel das mit den Mumfords zu tun haben kann? Also, geschadet haben sie bestimmt nicht. Ich persönlich muss sagen: Ich finde, dass wir musikalisch nicht viel miteinander zu tun haben. Aber ich werde bestimmt niemanden, der unsere Band mag, abweisen, weil er auch Mumford & Sons hört. Wenn man sagen würde: „Ihr klingt wie Mumford & Sons“, dann wäre ich sogar beleidigt. Ich finde, die benutzen zwar akustische Instrumente, aber das ist doch eine Pop/Rock-Band.
Ich denke mal, im Kern sind sie halt doch sehr von britischen Songwriting-Traditionen beeinflusst, und das macht es so leicht zugänglich für eine breitere Masse.
P: Stimmt.
Klar auch, sie sind so überpräsent, dass sie einen nerven können. Aber als ich sie auf ihrer ersten Tour in einem kleinen Club sah, war ich begeistert. Es wäre schon schwach, wenn ich sie jetzt blöd fände, nur weil sie so gefragt sind.
C: Ich kann voll nachvollziehen, warum sie so viele Fans haben. Meinen unbedingten Geschmack treffen sie nicht, aber sie sind bestimmt nicht schlecht.
Auch Chris Stapleton ist in den USA durch die Decke gegangen. Ist das auch für The Devil Makes Three gut?
P: Hmm. Weiss ich nicht.
Es gibt ja diese regen Streit zwischen Radio-Country und „echtem Country“ – und ihr würdet ja (wie Stapleton) für letzteren stehen.
P: Also, ich denke, wir sind SO weit weg von dieser Diskussion. In den Staaten rechnet man uns nicht zur Country Music Szene. Wir touren nicht mit diesen Bands, man bucht uns nicht gemeinsam. Chris Stapleton ist doch letztlich ein Singer-Songwriter. Er schreibt auch für große Namen der Welt des Country und hatte ja als Autor schon lange einen großen Namen in der Branche. Das ist gar nicht unsere Szene. In den USA würde kein Mensch uns und Chris Stapleton in einem Atemzug nennen.
In Europa schon. In Europa würde man euch alle gemeinsam in die große „Americana“-Schublade stecken.
P: Ja, das stimmt. Da ist auch eine Connection da. Aber in den Staaten trennt man da strenger. Ich glaube nicht, dass wir viele gemeinsame Fans haben. Die Dinge dort werden stark nach Trends aufgeteilt. Es gibt Pop Country Music – die hat mit uns nichts zu tun. Und niemand, der über Pop Country schreibt, hat je über uns geschrieben. Dann gibt es Leute wie Sturgill Simpson – über den schreiben jetzt vereinzelt auch mal die Pop Country Medien, weil er jetzt auch manchmal im Mainstream Radio gespielt wird. Aber er ist immer noch ganz weit am Rand. Vor allem gibt es die Big Machine in Nashville – mit der haben wir rein gar nichts zu tun. Wir haben keine gemeinsamen Fans, wir finden in ihren Medien nicht statt, wir touren nicht mit diesen Bands, wir reden nicht mal mit diesen Bands, es gibt einfach keinen Kontakt.
Interessant – denn ich besuche immer die Website „Saving Country Music“, die behandelt euch genauso wie Chris Stapleton – und es gibt ja noch zahlreiche weitere solche Webseiten. Gedruckt aber gibt es das nicht?
P: Nein. Also, es gibt das eine oder andere Magazin für Singer/Songwriter, wie das Paste Magazine. Aber ansonsten gibt es die Magazine nur für Pop Country, und die für alles andere. Nichts gemeinsames. Leute wie Sturgill Simpson und Christ Stapleton sind die, die noch am nächsten drankommen, auf beiden Seiten gesehen zu werden. Die waren USA-weit wahrgenommen. Was meiner Meinung auch sicherlich daran liegt, dass Stapleton ja lange schon Hits geschrieben hat für große Namen. Sie sind ja auch beide gut. Chris Stapleton kriegt diese riesige Resonanz, obwohl er echt was drauf hat. Das kann grundsätzlich nur gut sein, da werde ich etwas negatives drüber äußern. Er will gute Songs schreiben, und er kommt bei Leuten an, die – wie ich finde – sonst ziemlich miese Songs hören.
Als ich ihn neulich in München sah, fand ich: Irgendwie ist er gerade die männliche Adele.
P: Hahaa, das ist gut. Aber wie gesagt, er versucht es, gute Songs zu schreiben. Das ist kein Pop-Country von der Stange.
Es gab diese Momente, da hielt er Töne extralange und gurgelte überemotional rum wie Mariah Carey.
P: Haha! Right.
Er kriegte sogar Szenenapplaus für diese Momente – und ich dachte mir: Sturgill würde sowas nicht machen.
P: Das stimmt, das ist überhaupt nicht seine Art. Unsere Art wäre das auch nicht. Aber „die männliche Adele“, das ist echt gut. Ich habe ihn noch nicht gesehen und kenne seine Shows nicht, aber seine Songs sind nicht so blöd wie all die anderen, die man sonst so hören muss.
Wenn ich ihn mit Adele vergleiche, ist das ja auch kein unbedingter Diss. Darüber, dass sie unter den Megastars diejenige ist, die zweifellos was kann, sind sich alle einig.
C: Für Pop ist sie ziemlich gut.
P: Genau.
So, und jetzt bin ich auch am Ende meiner Fragen angekommen. Zum Abschluss frage ich immer gerne nach der Anekdote, und die Frage lautet: „Was war die verrückteste Show, die ihr je gespielt habt?“
P: Also, das letzte Mal, als wir in Europa waren, da wurden wir für eine Show bei einem Amateur-Baseball-Turnier in Österreich gebucht. Das war schon schräg.
Wie kam denn das zustande?
P: Naja, dieses Turnier hatte auch einen musikalischen Aspekt. Außer uns spielten auch andere Bands, aber grundsätzlich drehte es sich um dieses Amateur-Turnier mit deutschen Teams, Teams aus Amerika – die sich mal wieder wie Graf Rotz aufgeführt haben, so dass wir haben uns echt mal wieder schämen mussten für die USA – es war ein Team aus der dominikanischen Republik dabei… aus der ganzen Welt. Naja, wir spielten unsere Show, und danach guckten wir Amateur-Baseball, irgendwo im Nirgendwo in Österreich. Das war unsere schrägste Show in Europa, würde ich sagen.
Das ist so die Art Show, die man als Booker annimmt, damit die Band keinen Off-Day hat, was?
C: Genau!
P: Das trifft’s genau. Wir fragten uns echt: Was MACHEN wir hier? Aber es war gut besucht, wir hatten ein ordentliches Publikum.
Und es war eine Show, an die man sich noch lange erinnert.
P: Das war es, definitiv. Auch in den Staaten, was haben wir da schon für sonderbare Shows gespielt! So viele, dass es schwer ist, eine raus zu picken. Aber einmal waren wir in Kanada, und während unseres Konzerts war die eine Hälfte des Publikums total betrunken und all diese Betrunkenen zogen sich nackt aus. Splitternackt! Und dann fingen sie mit denen, die sich NICHT ausgezogen hatten, eine Schlägerei an. Schließlich flogen Bierdosen und Bierflaschen auf die Bühne, deswegen haben wir aufgehört zu spielen – weswegen man uns dann die Reifen zerstach. Das war echt mit die verrückteste Show von ALLEN. Die eine Hälfte des Publikums zieht sich aus, und die andere Hälfte so: „Was zur Hölle soll das?“ Und dann brach der Kampf aus und sie gingen aufeinander los!
C: Das waren bestimmt 30, 40 Leute.
P: Mindestens! Und als wir aufhören mussten zu spielen, bewarfen sie uns! Das ist ganz weit vorne bei unseren wildesten Shows.
Okay, ich bin damit mit meinen Fragen durch – und euer Essen kommt! Vielen Dank, viel Erfolg heute Abend und mit der neuen Platte!
C: Danke, ganz unsererseits!
P: Wir wissen das zu schätzen, Danke!