Review: Blossoms

Blossoms - CMS SourceBlossoms – „Blossoms“

Okay, ich versuche mich kurz zu fassen. Ich habe schließlich schon eine Menge geschrieben auf dieser Website über die Blossoms. Über zwei ihrer EPs habe ich mich bereits ausgelassen (hier und hier) und vorgestern erst habe ich mein Interview mit Sänger Tom Ogden geteilt.

Aber hält es denn nun, was es verspricht, das Album?

Zuerst mal: Es sind ja eh nur sechs neue Songs auf der Platte. Die sechs anderen kennen aufmerksame Indiepop-Hörer, die die Band schon länger im Auge haben, längst. Was für diejenigen vielleicht ein bisschen schade ist. Was aber für die Neuankömmlinge bedeutet: Wahnsinn, ein Album, das schon mal auf sechs(!) Singles basiert! Die Hitquote ist ja schon übererfüllt, bevor es losgeht!

Stichwort Britpop. Man nennt die Blossoms gerne im Zusammenhang mit Oasis und den Stone Roses, weil sie eben aus Manchester sind. (Okay, aus Stockport. Das gilt noch. Elbow aus Bury gelten ja auch als Manchester-Band.) Aber bei Blossoms dominieren die Gitarren nicht, und auch der Aufmupf, der in Oasis und den Stone Roses immer wichtig war, ist nicht da.
Blossoms sind brave Jungs, sie wollen nichts und niemanden umstürzen. Sie machen einfach nur freundliche, verträumte, eskapistische Popmusik. Aber das reicht mir. Weil es zur Zeit einfach zu wenige britische Bands gibt, die das machen. Und erstens will ich nun mal, dass es immer welche gibt, zweitens machen sie es richtig gut. Okay, ich sehe ein, wenn jemand die Jungs ein bisschen banal und durchschaubar findet. Plakativ sind sie ja auch mit ihren Bazong-Hurra-ins-Ohr-Reinflutsch-Keyboard-Intros der Singles „Charlemagne“ und „At Most A Kiss“, die das Album gleich mal als Doppelschlag eröffnen.
Aber ich begann diesen Absatz mit den Worten „Stichpop Britpop“ und, um darauf zurück kommen, sooo britpoppig sind Blossoms gar nicht. Der massive Einsatz der Keyboards platziert sie viel mehr nahe bei so manch der Rebellion unverdächtiger Poprock-Band der 80er (Beispiele: Hier, hierhier, hier). Andererseits: Der erkennbare Einfluss von The Corals James Skelly, der als Producer und Mentor der Band fungiert, bringt auch immer wieder Sixties-Psychedelia ins Spiel. Elemente wie die Orgel auf „Blown Rose“ zum Beispiel (auch eine frühere Single) oder der stolpernde Groove von „Cut Me And I’ll Bleed“ (Ha! War auch schon Single!), das sind Dinge, die könnte man so auch bei den doch sehr 60s-fixierten Temples hören. (A pro pos – wo bleibt euer zweites Album, Temples?!)

Blossoms AlbumfotoZu den sechs neuen Songs: „Honey Sweet“ schlägt in die „At Most A Kiss“/„Charlemagne“-Kerbe. Mit weniger Schmackes zwar, aber genauso präzise. Es fußt auf einem Ohrwurm-Keyboard-Intro, das dann auch als Refrain-Melodie fungiert – ein Trick, den Blossoms wiederholt anwenden.
„Onto Her Bed“ ist die standesgemäße Ballade – war ja wohl klar, dass spätestens zu Song 5 eine kommen müsste. Schön ist, dass es keine bombastische Streicher-Popanz-Nummer ist, wie man erwarten könnte. Geradezu minimalistisch kommt „Onto Her Bed“ daher, nur mit Hallklavier instrumentiert und gerade mal zweieinhalb Minuten lang. Damit zeigt die Nummer erstens in der Tat eine unerwartet filigrane, stille Seite der Blossoms, zweitens kann man mal eben Luft holen, bevor es mit „Texia“ weitergeht. Dem Song, der eigentlich die nächste Single sein MUSS. Das Intro hat eine orientalische Klangfarbe (und wir hören es diesmal nicht als Refrain wieder), das gibt dem Ganzen was Eigenes. Das kombiniert die Coral-Blossoms mit den Pophit-Blossoms und macht einen Höllenspaß.
Neu auch: „Smashed Pianos“. Noch so’n Ohrwurm. Das muss man noch mal hervorheben: Das kann Tom Ogden wirklich, Ohrwürmer schreiben. Zumal, wenn man weiss, dass die Blossoms die neuen Lieder erst im Studio unmittelbar vor den Aufnahmen schrieben, selbstbewusst genug, zu wissen, dass auch die neuen Songs schon den Level halten würden.

Bleiben noch zwei neue Songs: „My Favourite Room“ ist wieder ne Ballade, diesmal mit Akustikgitarre statt Klavier und mit Tambourine im Refrain. Das Lagerfeuerlied auf der Platte also. Nett genug, aber nicht mein Lieblingslied. Aber gut, auch hier gilt: An der Stelle im Tracklisting kommt ein kleiner Bremser gerade richtig. Denn weiter geht’s mit „Blow“ – einer der frühesten Blossoms-Singles (bereits 2014 erschienen) und daher neu aufgenommen. Die neue Variante schafft es, quasi identisch zum Original zu sein – und doch genau die Nuancen zu vertiefen, dass des Song enorm gewinnt gegenüber seiner Urversion. Denn die war ein bisschen verschwommen und breiig, auf dem Album schärft „Blow“ dagegen die Kanten. (Übrigens: Auch „Cut Me And I’ll Bleed“ ist eine neue Version im Vergleich zur 2015er-Single).

Jetzt bleibt uns noch als letztes Stück „Deep Grass“. Was mir besonders gefällt: Man erwartet am Schluss normal ja den Rausschmeißer, die Ballade. „Deep Grass“ hingegen ist vielleicht das strangeste Stück dieses Albums. Der Rhythmus ein halblangsames, wackeliges Schreiten, die diversen Klavier und Mellotron-Stimmen kommen alle ein bisschen schräg.  Oasis haben ihr finales Album mit „Soldier On“ damals ähnlich abgeschlossen und den Hörer mit einer vergleichbaren Desorientierung zurück gelassen. Das war immer mein Lieblingsmoment von „Dig Out Your Soul“ und entsprechend taugt mir dieser Abschied. Dann es ist, als ob Blossoms uns nicht „Tschüß“ sagen, sondern als ob sie sich vor unseren Augen in Luft auflösen: „Hoppla, eben waren sie doch noch da!“

Jetzt habe ich den Schluss gerade so schön inszeniert, dabei habe ich in dieser Aufzählung all der Lieder einen Song noch gar nicht genannt: „Getaway“, die Single aus dem Frühling. Vielleicht der britpoppigste Moment der fünf, weil sich Blossoms hier auf die Stärke des Refrains als Hook verlassen und das Keyboard mal aus dem Spiel heraus halten. Auch ein Favorit, zweifellos.

So. Was sage ich jetzt zum ganzen Album? Also, das ist zweifellos eine prima Pop-Platte. Es ist kein markerschütterndes Meisterwerk, das dein Leben verändert. Aber alle Songs sind gut, teilweise prima. Blossoms machen das, was die Temples vor zwei Jahren gemacht haben, knalliger und damit breitenwirksamer.

Wie breitenwirksam wohl? Nun, ich habe mich schon bei Spector letztes Jahr und im März bei den DMA’s aus dem Fenster gelehnt und getönt: Diese Alben könnten den Britpop den Massen zurück bringen!! Beide haben es nicht getan, deswegen werde ich mich diesmal zurück halten. Dennoch haben die Blossoms zumindest das Potential, auch hier zur Hype-Band zu werden, nicht zuletzt, weil sich hier nicht nur zwei, sondern sogar sechs oder mehr denkbare Indie-Dancefloor-Kracher auf dem Album befinden. Ich will daher nicht ausschließen, dass dieses Album eine Entwicklung wie die Debüts der Kooks oder vom Two Door Cinema Club nehmen kann: Zur VÖ viellicht noch etwas unbeachtet, aber in ein paar Monaten stehen all die Mädels drauf, die sich sonst nur am Rande mit Indie befassen.

Was auch heißt: In einem Jahr kotze ich möglicherweise im Strahl, wenn sich ein Gör „Charlemagne“ am DJ-Pult wünscht, weil es dann so unausweichlich gefragt sein wird wie „Mr Brightside“ und man selbst sich inzwischen SOWAS VON satt dran gehört hat. Aktuell aber denke ich mir: So ’ne Platte braucht Indie mal wieder. Ich drücke die Daumen, dass das passiert.

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