Rival Sons – „Hollow Bones“
Ich bin ja kein Rocker. Allen zeigen, was ich für’n harter Typ bin, das ist so gar nicht meins. Klar, ich bin ja auch nicht hart. Dann wiederum, andere Typen, die’s auch nicht sind, versuchen mit aller Macht, sich mit martialischer Musik so aussehen zu lassen. Vielleicht fehlt mir das Testosteron?
Jedenfalls, Rockmusik geht mir meistens am Popo vorbei. Aggressives Rumgeschocke lässt mich mit den Augen rollen, Machismo-Posen finde ich affig. Wenn ich ausnahmsweise mal was mag, das in diese Kategorie fällt, etwas das „rockt“, so alle paar Jahre – dann deshalb, weil es mit einem Bein in der Indie-Welt steht. Jet zum Beispiel, die ja nur zur einen Hälfte AC/DC waren und zur anderen Oasis. Royal Blood, die in ihrer Zweier-Konstellation auch Garagen-Feeling rüber bringen.
Dass ich jetzt hier, auf diesem Indie-Schmindie-Blog über die Rival Sons schreibe, ist möglicherweise für viele echte Rocker der Beweis, dass sie diese Band abstoßen müssen, weil jetzt endgültig auch die Hipsterluschen mit auf den Zug aufgesprungen sind.
Tja, tut mir leid, Jungs. Aber ich werde diese Kalifornier den Indie-Kids durchaus ans Herz legen.
Fangen wir an mit der Tatsache, dass Dave Cobb dieses Album produzierte, der so viele unserer alt.Country-Lieblingsplatten betreut: Sturgill Simpson, Jason Isbell, Chris Stapleton. Cobb steht für satten saftigen 70s-Sound. Die Rival Sons produziert er treu schon seit ihrem Debüt 2009. Sein Aufstieg und der des Bluesrock-Quartetts verliefen bisher quasi parallel.
Nun gut, nur ein Produzent, den man mag, ist kein Grund, ein Album geil zu finden. Aber es ist ein Grund, mal aufzuhorchen. Denn ehrlich gesagt, bisher habe ich immer nur andere Leute von den Rival Sons schwärmen hören. „Die waren super vor AC/DC“, sowas in der Art. Was mich bisher nur am Rande interessierte, weil ich nun mal kein AC/DC-Hörer bin. Dass ich jetzt also endlich mal ins neue Album der vier reingehört habe, tat ich deshalb, weil Dave Cobb so auf sie abfährt und ich diesem Mann traue.
Klar behält Cobb auch Recht mit seiner Liebe zu dieser Band. Die Rival Sons, sie haben’s drauf. Das kriege sogar ich sofort mit. Selbst ich, als jemand, der sich mit Rock und Classic Rock selten befasst. Selbst mir fällt auf: Das sind Musiker, die nicht nur ihre Instrumente virtuos und kantig beherrschen, sondern die auch immer die richtigen, oft unerwarteten Entscheidungen treffen.
Ich meine Entscheidungen wie: Welcher Gitarrensound? Wann rein dreschen in die Saiten, wann die Saiten ausschwingen lassen? Die Tracks der Rival Sons sind so dynamische wie komplexe und psychedelische Bomben, die bei allem Klassizismus immer aufregend und knisternd vor Reibung bleiben.Weil man eben doch nicht weiss, wie die nächste Gitarre klingen wird oder wo der nächste Break einen hin führen wir.
Es gibt ja viele Bands zur Zeit, die sich einen Spaß draus machen, 70s-Rock möglichst detailgetreu nachzubilden. Nehmen wir mal als Beispiel Wolfmother. Die LIEBEN ihren 70s-Rock, also kopieren sie ihn gekonnt mit einem liebevollen, konspirativen Augenzwinkern. So nach dem Motto: „Hey Rockfans, ihr wisst genauso gut wie wir, welches Riff wir uns da gerade gemopst haben.“ Wolfmother machen das prima.
Und okay, okay, noch mal: Ich kann das als Indie-Heini vielleicht nicht genug beurteilen. Aber ich behaupte hier jetzt trotzdem: Rival Sons sind noch mal auf einer ganz anderen Stufe als Wolfmother. Denen fällt gar nicht ein, zu imitieren. Die machen ihr Ding so konsequent, als wären Led Zeppelin nicht ihre Vorläufer, bei denen sie sich grinsend bedienen. Sondern ihre Zeitgenossen, mit denen sie um den Thron kämpfen.
Dabei gehen sie sehr variabel vor in den 39 Minuten, die sie sich für ihre neun neuen Songs Zeit nehmen. Es beginnt mit satten Rockbeißern, die einfach nur reinknallen.: „Hollow Bones Pt.1“, ein absoluter Powerstampfer. „Tied Up“, das klingt wie der muskelbepackte Bruder von Black Keys „Tighten Up“. „Thundering Voices“ ist ein LedZep-Riff-Fest, „Baby Boy“ und „Pretty Face“ schließlich sind beide so eingängig, dass man ihnen regelrechten Pop-Appeal unterstellen kann. Dem gegenüber stehen zwei schleppende, wuchtige Bluesstücke: „Fade Out“ und „Black Coffee“, letzterer komplett mit Gospelchor. Es folgt das psychedelische „Hollow Bones Pt 2“: Dieser Song gleitet phasenweise schwerelos durch die Lavalampe wie eine frühe Verve-Meditation – und dann wieder stürzen die Gitarren tosend auf diese Windstille ein wie ein Meeressturm auf ein sinkendes Boot. Die abschließende Ballade „All That I Want“ ist fast ein traditionelles Country-Stück.
Dieses Album ist also einerseits ein durchaus nicht unplakativer Fetzer, andererseits steckt er voller Momente, die man auf einem Wolfmother-Album nicht finden würde. Denn Wolfmother sind sehr darauf bedacht, die Retro-Rock-Regeln haarklein, präzise gekonnt anzuwenden. Rival Sons stellen selbst neue Regeln auf.
Also: „Hollow Bones“ ist zuerst mal ein Album für Rockfans, die Led Zeppelin, AC/DC oder Blackberry Smoke hören. Aber Indie-Fans, die ein offenes Ohr für clevere Retro—Sounds von White Stripes über Black Keys und Alabama Shakes bis Wolfmother haben, sollte hier genauso der Kiefer runter klappen.
Rival Sons – Hollow Bones Pt. 1 from Earache Records on Vimeo.
Rival Sons – Tied Up from Earache Records on Vimeo.