Review: Whitey Morgan

WhiteyMorganCover-11Whitey Morgan & The 78’s – „Sonic Ranch“

Schon strange. All die Jahre als Indie-Fan suchte ich die Bands, die ihr eigenes, unverwechselbares Ding machen, die ihre Persönlichkeit in Sound übertragen und hoffentlich in irgendeinem Sinne Pionierarbeit leisten.

Nun habe ich aber gleichzeitig auch dieses Faible für Country, oder nennen wir’s Americana. In diesem Genre ist es auch völlig okay, wenn der Künstler sich nur treu an die Tradition hält. Da ist die Authentizität wichtig, Innovation zweitrangig bis unerwünscht. Da zählt es, wenn man den Sound möglichst wenig verwässert.

Das heisst nicht, dass man damit auf den Faktor Persönlichkeit verzichten muss. Whitey Morgan aus Flint, Michigan, ist so ein Charakterkopf, ein echtes, unantastbares Urgestein. Ein Mann, der T-Shirts mit dem Aufdruck „Fuck Pop Country“ verkauft, der live als stürmisches Ereignis gilt (ich hatte noch nicht das Vergnügen) und sich unermüdlich tourend zuallererst als Live-Künstler begreift.

Sein Album-Output kommt daher unregelmäßig daher: Erst ließ er Fans nach seinem letztem Studioalbum („Whitey Morgan & The 78s“, 2010) über vier Jahre auf neues Material warten. Seit Morgan aber nun ein eigenes Label gegründet hat, hat er seit Dezember nun schon seinen dritten Longplayer am Start: Nach der Akustikplatte „Grandpa’s Guitar“ und dem Livealbum „Born, Raised & live from Flint“ erscheint nun das im Studio aufgenommene „Sonic Ranch“. Es ist eine Platte für den Fan, der seinen Country mit 100%iger Reinheit mag. Ohne Schwebstoffe, ohne Zucker, ohne Schirmchen im Glas wie bei den Pop-Country-Heinis – und wenn sich in dieser Country-Essenz doch Fremdstoffe finden sollten, dann sind es Blut, Schweiss und Tränen.

WhiteyNur vier der zehn Lieder auf „Sonic Ranch“ sind Originale von Whitey Morgan – die anderen sechs sind Coverversionen. Was klar darlegt, dass es hier darum geht, eine Tradition weiter zu führen, nicht darum, uns Morgan als Songwriter zu präsentieren. Die Wahl der Songs, die Morgan interpretiert, ist sehr breit gefächert: Da gibt es Titel, die oft genug nachgespielt wurden, um fast als Standards zu gelten, wie Townes Van Zandts “Waitin’ ‘Round to Die” oder “That’s How I Got To Memphis” (Ein Hit für Bobby Bare, geschrieben von Tom T. Hall). Aber genauso pickt er Songs, die im Original von alt.Country-Underground-Acts stammen („Me and The Whiskey“ von The Damn Quails, „Still Drunk, Still Crazy, Still Blue“ von Scott H. Biram).

All diese Lieder interpretiert Whitey Morgan mit mehr Druck und mehr Reibung, als man sie von den Originalen kennt. Er singt sie mit dem warnenden Knurren eines Kettenhundes, mit dem dieser anzeigt, dass er kurz davor ist, los zu springen und sich in einen Unterschenkel zu verbeissen. Will sagen: In dieser Platte steckt knisternde Spannung. Übrigens: Morgans Originale müssen sich vor den Coverversionen nicht verstecken, exemplarisch dafür picke ich „Low Down On The Backstreets“ mit seinem Honky Tonk-Piano.

Meine absolute Lieblingsplatte des letzten Jahres war Sturgill Simpsons „Metamodern Sounds in Country Music“ – das war ein Album, das ausgehend von der Basis ultra-Trad-Outlaw Country Music mit seinen Texten über Kosmologie, Schildkröten, LSD & Co nach den Sternen griff. Whitey Morgan ist vom Sound her in ähnlicher Richtung unterwegs, aber er bleibt natürlich ganz fest mit beiden Beinen auf dem Boden. Kein LSD-Schnickschnack, keine Rückwärts-Gitarrensolos auf „Sonic Ranch“. Nur ehrlicher, purer Country-Rock, wie man ihn ehrlicher und purer nicht findet.

WHITEY MORGAN WERTUNG

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..