Heute (10.04.) ist es offiziell so weit: „Rucker’s Hill“, das zweite Album des wunderbaren australischen Folk-Trios Husky wird bei uns veröffentlicht. Vor ein paar Wochen waren Sänger Husky Gawenda und Organist Gideon Preiss schon für ein paar Promo-Termine in München. Auch ich konnte wieder ein Interview führen…
Na dann, wie ist es euch ergangen, die letzten zwei Jahre?
Husky: Na, zwei Jahre sind eine lange Zeit, um das zu fragen. Uns geht’s gut.
Ich habe gelesen, die zweite Platte ist dir nicht so leicht gefallen, Husky. Zwischenzeitlich hättest du sowas wie eine Schreibblockade gehabt?
H: Nein, eine Schreibblockade war das nicht. Tatsächlich habe ich richtig viel geschrieben, mehr als je zuvor. Definitiv keine Schreibblockade. Aber wir haben schon recht lange gebraucht, bis wir fanden, dass wir die richtige Mischung der Songs beisammen hatten. Um das Album machen zu können, das wir machen wollten.
Ihr hattet da schon ein Bild im Kopf, wie es werden sollte.
H: Vielleicht kein konkretes Bild, aber wir hatten einen ganzen Stapel an Songs, an denen wir gearbeitet hatten. Geschrieben, ausgearbeitet, aufgenommen. Und lange hatten wir das Gefühl, wir sind noch nicht ganz fertig. Ohne jetzt genau zu wissen, wie die Platte werden sollte, wussten wir doch, noch sind wir nicht so weit, bis wir an dem Punkt waren, an dem wir wussten: Jetzt haben wir die richtigen 13 Songs.
Dann habt ihr irgendwo 40, 50 Songs auf Halde, oder wie?
Gideon: Wir haben definitiv eine ganze Liste an Songs übrig, die aber nicht alle gleich weit fertig sind. Manche stehen nur in ihren Grundzügen, und manche sind praktisch schon komplett ausgearbeitet.
..und was macht ihr mit diesen Songs? Nehmt ihr sie als Basis für die nächste Platte?
G: Das weiss man immer nicht. Auf den einen oder anderen kommen wir vielleicht zurück, vielleicht wird der eine oder andere noch mal veröffentlicht. Aber es gut, diese Rücklage zu haben.
Mein Eindruck von dem Album ist der folgende: Es ist unmittelbarer. Euer erstes Album, das wurde zumindest gegen Ende hin sozusagen impressionistisch. Die neue ist im Vergleich dazu fast eine Bleistiftzeichnung. Die Songs scheinen klarer durchkomponiert, während die erste sich auch auf die Atmosphären verließ.
H: Das kann man so sehen, ja. Ich finde auch, die Platte weniger atmosphärisch, aber unmittelbarer, das stimmt. Zum Teil ist das Absicht. Ich glaube, wir haben versucht, weniger Schichten zu verwenden. Wir haben genauer überlegt, welche instrumentalen Parts wirklich notwendig waren, und vielleicht nicht jeden Song zu sehr zu überfrachten, damit das Ganze zur runden Sache wird. Alles ein bisschen reduzierter einzusetzen. Die Gründe hierfür sind mehrere. Erstens, denke ich, wir wollten etwas anderes ausprobieren. Zweitens: Nachdem wir das erste Album so intensiv betourt haben, war uns klar, dass wir für die Liveshow ein paar Songs wollten, die ein bisschen eingängiger sind.
Ja, ich habe gelesen, ihr habt gezielt etwas schnellere Lieder geschrieben.
G: Genau, ja. Wir wollten ein paar mehr flottere Songs. Uns ist selbst aufgefallen, dass ein paar mehr solche Lieder in unserer Liveshow vielleicht gefehlt haben. Die wollten wir diesmal also dazufügen.
H: Und es ging uns auch darum, unsere Bandbreite zu erweitern. So gesehen hatte „Forever So“ weniger Bandbreite. Wenn du dir „Rucker’s Hill“ anhörst im Ganzen, alle 13 Lieder, dann gibt es alles von sehr sehr intime und langsame Liedern, bis zu ziemlich gut gelaunten, lauten, unmittelbaren Songs. Wir mögen diese Variation, ich denke, es ist wichtig, das auf einem Album zu haben. Ich finde auch, dass die Beziehung zwischen den Texten und der Musik auf „Rucker’s Hill“ interessant ist. Manchmal ist die Musik recht leichtfüßig, fast scheinbar simpel, aber die Texte sind es weniger, und das, naja schätze ich, ist ein ganz interessanter… Kontrast.
Ich hatte leider kein Textblatt und muss gestehen, dass ich zu deinen Texten gar nicht so viel sagen kann. Auch sie kommen mir immer etwas – das Wort habe ich vorhin erst verwendet – impressionistisch vor.
H: Das trifft’s aber ganz gut. Es sind keine Texte, die man buchstäblich nehmen kann, impressionistisch ist ein gutes Wort dafür.
Was denkt ihr, habt ihr zwischen den beiden Alben gelernt?
G: Ich denke, wir haben vor allem viel übers live-Spielen gelernt. Denn als die erste Platte erschien, da hatten wir ja erst ganz wenige Konzerte gegeben. Da hatten wir ein paar Mal in Melbourne gespielt und vielleicht ein paar ganz kleine Tourneen. Aber nach der Veröffentlichung ergaben sich all die Möglichkeiten für uns. Wir tourten in Deutschland, in ganz Europa, in den Staaten und wieder viel in Australien. Da haben wir viel gelernt über Performen und darüber, wie man eine Show auf die Beine stellt. Dann lernt man natürlich auch vieles, was gar nicht musikalisch ist, sondern persönlich. Wenn man zwei Jahre mit den gleichen Leuten unterwegs ist und immer sehr eng aufeinander sitzt, lernt man viel über die anderen und über sich selbst.
H: Ich glaube, was das Schreiben und das Aufnehmen angeht, musste ich feststellen, dass ich nur sehr wenig gelernt hatte. Denn als es los ging mit den Aufnahmen für „Rucker’s Hill“, da dachte ich noch: Ich habe jetzt all diese Erfahrungen gemacht, die nächste Platte wird bestimmt leichter, diesmal wissen wir genau, was wir machen. Aber das Schreiben und das Aufnehmen eines Albums ist immer eine Reise ins Ungewisse. Ich glaube auch, dass sich das nicht ändern wird, wenn wir noch mehr Erfahrungen gesammelt und noch mehr gelernt haben.
G: Jede neue Platte wird wieder ein neuer Aufbruch.
Interessant aber, dass ihr sozusagen entscheiden konntet: So, diesmal schreiben wir flottere Songs. Denn mancher Songwriter kann sozusagen nur das schreiben, was aus ihm heraus kommt. Ihr aber könnt das so kanalisieren, dass ihr sagt: So, da drücken wir etwas mehr auf die Tube?
H: Du hast da recht – ich kann nicht mit den Fingern schnipsen und sagen: So, jetzt schreibe ich einen schnelleren Song. Es war aber so – ich hatte ca 60, 70 Songs geschrieben, und aus denen haben wir uns halt vor allem die etwas schnelleren raus gepickt. Aber dieser Vorgang, all diese Songs durchzugehen und sie runter zu reduzieren auf ein Album von 13 Titeln, der war langwierig. Wir haben uns auf die etwas schnelleren Nummern konzentriert, aber die meisten der 60, 70 Songs waren leise und langsam.
Ja? Du wirkst du gar nicht so niedergeschlagen…
H: Was meinst du jetzt mit niedergeschlagen? Meinst du – ein trauriger Mensch?
Du kommst nicht rüber wie… ich will jetzt nicht sagen – ein depressiver Mensch, der nur traurige Lieder schreibt. Andererseits, ich weiss ja selbst, die Momente, an denen man sich hinsetzt um etwas runter zu schreiben, sind die, an denen man gerade etwas schlechter drauf ist.
H: Das ist es. Ich habe fröhliche Tage und traurige Tage wie jeder andere Mensch auch. Aber an einem guten Tag bin ich am Strand und spiele Frisbee – und an einem traurigeren Tag sitze ich vermutlich in meinem Zimmer und schreibe bis in die Nacht.
Vielleicht solltest du künftig immer eine Ukulele mit an den Strand nehmen und die guten Vibes gleich einfangen.
H: Haha, ja, vielleicht. Um mehr Songs zu schreiben, die happy sind. Aber es ist nun mal das Gefühl von Traurigkeit, oder Nostalgie, oder Einsamkeit, das den Drang auslöst, etwas zu schreiben. Und die Leute mögen diese Art Songs ja auch. Die Leute hören gerne Lieder übers Traurig- oder Einsamsein, dann fühlen sie sich nicht so allein.
Klar, dafür mag ich euch ja auch. Aber ich muss ja auch danach fragen.
G: Aber klar doch!
Dieses Interview führe ich u.a. auch fürs „Classic Rock Magazine“. Deswegen meine Frage: Ihr seid doch auch von Klassikern beeinflusst, wer im Speziellen wäre denn da hervor zu heben?
G: Oh, da gibt’s natürlich so viele Bands aus den Sixties und Seventies, die wir gehört und die uns beeinflusst haben! Es gibt andererseits auch eine ganz neue Platte, „Fanfare“ von Jonathan Wilson, der all die Sachen, die auch wir aus den Sixties und Seventies lieben, zusammen geführt hat. Aber klar, wir lieben die Beatles und Crosby, Stills, Nash & Young…
C, S, N & Y sind wahrscheinlich der Name, der besonders oft im Vergleich mit euch fällt, der Harmonien wegen.
H: Keine Frage. Aber mit diesen kalifornischen Harmoniegesang-Bands sind wir groß geworden, mit den Beach Boys, mit C,S,N & Y, America. Meine Eltern spielten mir Joni Mitchell vor und Leonard Cohen, Bob Dylan und Kris Kristoffersen, Fairport Convention, all die Folkbands aus ihrer Zeit.
Aber hättet ihr nicht normalerweise INXS und Silverchair hören sollen?
H: Die natürlich auch! Silverchair, Nirvana, Guns’n’Roses.
G: Diese Bands lieben wir!
Ich hab‘ natürlich die Australier genannt…
H: Hey, INXS haben wir geliebt als wir groß wurden. Meine Schwester stand DERMASSEN auf INXS.
Ich habe meinen Frieden gemacht mit INXS. Ich mochte sie bis zu „Kick“. Aber dann wurde ich erstens zum Indie-Kid, und zweitens wurden sie zu so archetypischen Rockern, da habe ich mich erst mal distanziert. Erst in den letzten Jahren habe ich mir wieder frühere Sachen angehört, und hey – gerade zu ihren frühen Zeiten war das richtig guter New Wave, den sie machten.
H: Also, als INXS groß waren, waren wir sehr klein. Aber „Kick“ habe ich viel gehört, meine Schwester hörte die auf und ab. Das Album ist ein Klassiker.
Ich las: Es gibt ein Buch von Leonard Cohen, das sehr großen Einfluss auf deine Texte hat – und da ich das Buch selbst nicht gelesen habe, musst du uns bitte erzählen, was dieses Buch so besonders macht.
H: Also, Leonard Cohen hat zwei Romane geschrieben, und angefangen hat er natürlich als Dichter. Aber dieses Buch, es heißt „Beautiful Losers“. Das ist sehr schwer zu beschreiben. Angeblich hat er es inmitten einer Drogenabfahrt geschrieben, so liest es sich auch manchmal. Trotzdem ist es umwerfend, wunderschön geschrieben, wild, voller Vorstellungskraft, radikal, sehr sexuell.. einfach eine irrer Lesestoff. Alles was ich lese, beeinflusst mein Schreiben irgendwie. In diesem Fall ist es wohl vor allem die Freigeistigkeit und die Wildheit der Imagination, die mich beeinflusst hat. Ich glaube, das hat auch mich etwas befreit. Man kann sich durch so viele Dinge eingrenzen. Man schränkt sich selbst ein, oder man hat diese inneren Stimmen, die einem vorschreiben, was erlaubt ist und was nicht, oder es gibt die Erwartungen der Leute. Aber dies sind Dinge, die dich in deinem Schreiben am Boden halten. Da ist es sehr wichtig, frei zu sein.
Ist Cohens Buch dann mehr so freeform-Poetry?
H: Das auch nicht. Es ist sehr postmodern, aber auch sehr frei geschrieben. Wenig Struktur, sehr abstrakt. Einfach wildly imaginative.
Tja, ich schätze mal, ich muss mir das einfach bestellen und selbst lesen.
H: Ich finde auf jeden Fall, dass es gelesen werden sollte. Mich hat es auf jeden Fall befreit in meinem Schreiben, und das ist das wichtigste.
Die Platte heisst „Rucker’s Hill“, nach einem Stadtteil von Melbourne, in dem du aufgewachsen bist?
H: Nicht aufgewachsen. Aber es ist ein Stadtteil, in dem ich recht lange lebte, in Melbourne, etwa fünf Jahre.
Aber der Ort hat ja ganz offenbar einen wichtigen Platz in deinem Leben. Was sind deine ersten Assoziationen zu Rucker’s Hill?
H: Ich habe dort etwa fünf Jahre gelebt, in der Zeit, bevor wir viel auf Tour unterwegs waren. Ich habe also prägende Jahre dort verbracht, und ich habe dort viele Erinnerungen. Einfach nur Lebenserfahrungen. Wie jeder, Leben und Lieben, diese Dinge. Danach waren wir praktisch zwei Jahre unterwegs, deswegen bin ich aus dem Haus ausgezogen. Als ich dann wieder heim kam, lebte ich woanders und mein Leben hatte sich sehr verändert. Als ich die Songs dann schrieb, gingen sie oft darum, wie es ist, heim zu kommen, und wie sich die Dinge verändern mit der Zeit, und es ging darum, auf Dinge und Menschen zurück zu blicken, die in dieser Zeit mal wichtig für mich waren, und die zum Teil verschwunden waren. Was eben in der Natur der Sache liegt, wenn die Zeit vergeht. Viele Lieder und Geschichten des Albums stammen eben aus den fünf Jahren, die ich in Rucker’s Hill lebte.
Schon sonderbar, wie wehmütig es einen macht, gell? Ich komme ein Mal im Jahr nach Hause zu meinen Eltern in die Kleinstadt, in der ich aufwuchs. Klar, dass sich dort alles verändert. Aber trotzdem ist man immer ein bisschen traurig über alles, das nicht mehr so ist wie früher.
G: Total. Ein Gefühl, das jeder nachvollziehen kann.
H: Zurückblicken ist eine bittersüße Sache. Sich erinnern ist schön, aber es hat was Bitteres, dass Zeiten vorbei gehen.
G: Es führt einem halt vor Augen, dass die Zeiten und die Dinge vorbei gehen. Auch im Jahre 2015, wo wir so viel machen können, können wir die Zeit nicht zurück drehen.
Husky, was ich interessant fand, war zu lesen, dass dein Vater in Australien sehr bekannt ist. Er ist ein sehr angesehener Journalist, ehemaliger Chefredakteur einer großen Tageszeitung. Also, wenn mein Vater so eine Position hätte, und ich wäre Autor, wüsste ich gar nicht, ob ihm meine Texte überhaupt zeigen könnte. So nach dem Motto: Sag nichts dazu – ich weiss, was du machst, ist eh angesehener.
H: Naja, was ich mache, ist ja doch etwas ganz anderes als das, was er macht. Klar, er ist ein großartiger Schreiber, und in Australien sehr bekannt dafür. Aber ich finde nicht, dass man unsere Arbeit vergleichen kann. Wenn ich ebenfalls Journalist wäre, vielleicht wäre ich dann so schüchtern mit meinen Texten, wie du es beschreibst. So aber habe ich das nie gefühlt. Ich zeige ihm meine Texte sehr wohl, und er ist ein Fan von dem, was ich schreibe, was natürlich hilft. Er hat mich immer sehr unterstützt und er ist auch sowas wie ein Mentor. Ich denke, es ist sehr wichtig für Autoren, andere Schreiber als Bezugspunkte zu haben, mit denen man Texte diskutieren kann. Und einer von diesen Menschen ist halt zufällig auch mein Vater, das ist doch ziemlich cool.
Auf jeden Fall. Wer gehört denn noch zu diesen Leuten, mit denen du deine Texte diskutierst?
H: Gideon natürlich. Gideon ist die Nummer Eins. Der kriegt alle Texte immer als Erster.
Und Gideon – hast du jemals gesagt: Mann, das ist SCHEISSE! (Haha)
H: Nicht in diesen Worten, hehe.
G: Ich FAND ja auch nie, das etwas scheisse gewesen wäre! Nee, echt jetzt! Ich habe sicher ab und an Vorschläge gemacht, wenn ich fand, eine Sache könnte etwas anders oder besser funktionieren. Ich denke aber auch, wenn man in einem Team arbeitet, muss man diese Offenheit haben. Der Autor muss notfalls mit Kritik umgehen können und vor allem deine Meinung respektieren können. So funktioniert eine gute Partnerschaft, und ich glaube, das ist auch was, das ich in das Projekt einbringen kann. Was ich einbringe, ist ja etwas ganz anderes als das, was Husky tut. Also, ich habe nie wirklich etwas scheisse gefunden, aber eine Menge ist auch von mir verändert worden. Vermutlich aber mehr in den Arrangements. Das ist eine Sache, wo wir viel gemeinsam machen, die Struktur der einzelnen Parts der Songs.
H: Aber es gab definitiv Stellen, die du vielleicht nicht so mochtest, oder wo du fandest, sie passen nicht so gut, und dann hast du es mir auch gesagt.
G: Ja, stimmt.
H: Und Autoren sind sensibel. Sowas hört niemand gerne. Es ist sogar das, wo ich am allerempfindlichsten bin. Lieber wäre mir, wenn Gideon mir sagt „Deine Klamotten heute schauen bescheuert aus“, oder „Du musst mal wieder deine Haare schneiden lassen!“, als dass er mir sagt: „Diese eine Zeile gefällt mir nicht.“ Man sollte denken, das ist keine große Sache, aber aus irgendeinem Grund ist es das doch. Aber – es gibt ein einige wenige Leute, von denen ich das verkrafte, und Gideon ist eine davon.
Ich habe gelesen, du hast dir fürs Schreiben der Texte eine Schreibmaschine ausgeliehen?
H: Genau. Und zwar: von meinem Dad!
Ich finde das deshalb bemerkenswert, weil ich gar nicht mehr so arbeiten kann. Ich bin so an den Computer gewöhnt -daran, dass ich löschen kann, copy & paste einsetzen kann… wenn man mir Stift und Papier zum Schreiben in die Hand gibt, ist der Zettel voller durchgestrichener Krakeleien und Pfeile. Man muss beim Schreiben mit der Maschine schon vorher ziemlich klar im Kopf sein, was man schreiben will, oder?
H: Ja, mir geht es genau so. Ich fand es schwer, auf der Schreibmaschine zu schreiben, weil man es nicht mehr gewohnt ist. Man hat sich auf den Computer eingestellt, dass man löschen und neu schreiben und löschen und neu schreiben kann. Aber genau deshalb habe ich das ja ausprobiert. Ich wollte die Art, wie ich schreibe, mal verändern. Sehen, was das für einen Effekt gibt, was dabei raus kommt. Ich habe ein paar solche Experimente gemacht, und die Schreibmaschine war eines davon. Erstens wollte ich also mal den Schreibeprozess verändern, das war das eine. Zweitens, wenn man am Computer schreibt, wird man so leicht abgelenkt. Man ist ja immer im Internet, es kommt immer eine email rein oder ein facebook alert. Aber wenn man schreibt, dann sucht man diese Ablenkung regelrecht. Weil diese Konzentration schwer ist, und man jede Form der Ablenkung gerne annimmt.
Oh, das kenne ich nur zu gut aus der Arbeit.
H: Genau. Diese Ablenkungen wollte ich also mal ausschalten. Was ich auch an der Schreibmaschine mag, ist dass man wirklich mechanisch was bewegt, es macht „Klick“ und „Klack“ und echte Tinte kommt auf echtes Papier mit diesen kleinen Hämmern. Es ist fast, als ob man Sätze physisch baut. Das mag ich, diesen Gedanken, dass man echt etwas baut und nicht nur in einem virtuellen Raum im Computer schafft, das ist ein bisschen romantisierend, klar. Und was ebenfalls romantisch ist: All meine Helden haben vermutlich auf Schreibmaschinen geschrieben. Ich fand, dass ich auf diese Weise irgendwie Verbindung zu dieser alten Tradition aufbaue. Klar, das kann man abergläubisch finden. Aber wir Autoren brauchen solche Dinge.
Als Arbeitsweise finde ich es auf jeden Fall interessant. Stammen all die Texte von der Schreibmaschine, oder hast du sie später doch noch verändert?
H: Naja, die meisten Zeilen stammen letztlich vermutlich doch nicht aus der Schreibmaschine. Einige schon. Aber wahrscheinlich habe ich die meisten Texte, die auf der Schreibmaschine anfingen, nachträglich in den Computer übertragen und da noch mal editiert.
Für ein paar der Sessions seid ihr auch in die Christmas Hills gefahren. Ich habe mir die Gegend mit der Google-Bildersuche mal angeschaut – das sieht ja wirklich idylisch dort aus.
G: Das ist wirklich eine sehr pittoreske Gegend. Sie liegt nur eine Stunde außerhalb Melbournes, nordwestlich. Die Gegend ein großes Weinanbaugebiet, und mittendrin liegt dieses schöne alte Studio. Der alte Herr, der dort lebt, hat das Studio selbst gebaut – wie auch eine Menge des Equipments. Wir haben eine ganze Menge des Albums dort geschrieben und aufgenommen. Es war einfach eine so gute Möglichkeit, mal aus Melbourne aus zu kommen, raus aus dem Alltag und weg von all den Ablenkungen, die man in der Stadt hat. Statt dessen ist man an diesem wunderschönen Fleckchen mit einem riesigen Hund, ein paar Ziegen, und anderen coolen Tieren, die rumliefen.
H: Ich glaube, manchmal übersetzt sich dieser äußere Frieden, dieser Platz und die Isolation auch in einen inneren Frieden, Raum und Isolation. Das kann fürs Schreiben und Aufnehmen sehr hilfreich sein, dieser Abstand von all den Stimmen und dem Lärm und den Erwartungen.
Melbourne hat ja eine ganze Menge unterschiedlichster Gegenden in unmittelbarer Nähe zu bieten. Ich war noch nicht dort, aber wollte jemand besuchen und habe mir auf Google Maps schon viel angeschaut – man fährt nach Westen und ist schnell in uralten Wäldern. Man fährt nach Nordosten und ist bald in einem Steppengebiet. Man kann an die Küste fahren, auch die australischen Alpen sind so weit nicht weg.
G: Ja, da ist Australien wirklich etwas sehr besonderes.
Jetzt müsst ihr all die Gegenden ausprobieren. Eine Platte in den australischen Alpen machen und eine im Regenwald.
H: Weisst du was, das ist echt eine gute Idee. Auf der nächsten Platte sollten wir jeden Song in einer anderen Umwelt aufnehmen. Und gucken, was passiert.
Ansonsten, was macht Melbourne? Die Szene dort ist weiterhin sehr aktiv und sehr viel passiert. Auf wen sollten wir ein Auge haben?
H: Unser derzeitiger Drummer spielt auch in einer Band namens Ainslie Wills. Ich glaube, die werden bald sehr große Wellen machen. Die sind super.
So, und jetzt bin ich praktisch am Ende des Interviews angekommen. Ihr wisst ja, dass ich zum Schluss gerne nach einer Anekdote frage, und zwar nach der verrücktesten Show, die ihr je gespielt habt. Ich habe euch damals zwar schon nach einem solchen Konzert gefragt, aber inzwischen sind ja viele Shows dazu gekommen – was wäre denn der sonderbarste Gig aus der jüngeren Vergangenheit gewesen?
G: Weisst du noch, was wir damals geantwortet haben?
Uh, da müsste ich leider nachgucken.
G: Bestimmt was mit Mittelamerika. In der Zeit hatten wir dort einige Shows und die waren echt alle was Besonderes.
H: Aber lass mich eben nachdenken… also die Shows, die ich seit unserem letzten Treffen echt abgefahren fand, waren diese: Wir waren auf Tour mit Neil Young. Was natürlich großartig war – aber diese Shows fanden in großen Stadien statt. Und ich glaube, für eine Band wie uns ist das schon eine etwas eigenartige Umgebung. So große Bühnen hatten wir noch nie gespielt – riesige Sportarenen vor Zehntausenden! Das war auf jeden Fall auch surreal und eine irgendwie sonderbare Erfahrung.
Waren diese Shows mit der Auslöser, warum ihr schnellere Songs gesucht habt?
G: Genau, wir wollten eine Stadion-Band werden, haha! Das haben wir jetzt hoffentlich erreicht.
Habt ihr Neil Young auch getroffen? Oder wird er eher abgeschirmt auf solchen Shows?
H: Er wird nicht komplett abgeschirmt, aber schon irgendwie. Aber wir hatten schon die Gelegenheit, uns ein bisschen zu unterhalten.
Ihr wisst also, dass ihr seinen Segen habt.
H: Das hoffe ich doch.
Naja, da man euch so oft mit Crosby, Stills, Nash & Young vergleicht, muss es doch gut sein zu wissen, dass eine dieser Größen auch euch gut findet. Ihr wisst nicht zufällig, ob er euch persönlich gepickt hat?
H: Oh, da weiss ich nicht, inwieweit er involviert war. Aber wir können das ja einfach behaupten, was meinst du?
Jedenfalls war er happy mit euch an Bord.
H: Doch, ich denke schon. Er war sehr freundlich.
Alles klar – dann bin ich hiermit so weit. Ich habe schon gehört, im Mai seid ihr wieder auf Tour? Da freue ich mich, euch dann wieder zu sehen!
H: Wir auch!
G: Definitiv!