Hallo im Jahr 2015! Das Jahr ohne Atomic Café. Oh Mann, das wird ganz schön hart werden. Die letzten Nächte habe ich noch so oft wie möglich dort verbracht… schlimm wird’s ab Mitte/Ende Januar. Wenn ich ein, zwei Wochenenden nicht weg war, und mal wieder so richtig auf den Putz hauen will – aber dann nicht ins Atomic gehen kann. Ach je.
Aber zum neuen Blog-Eintrag. Ich sitze immer noch an der Liste meiner Lieblingsalben von 2014, die ich nun aufarbeite. Dabei fiel mir vorhin auf, dass mir ein Cut&Paste-Fehler unterlaufen sein muss, als ich meine Liste erstellt habe. Eine meiner Lieblingsplatten ist nämlich aus der Liste verschwunden, obwohl sie knapp hinter den Top Ten landen sollte. Die muss jetzt noch nachträglich rein. Wenn man genau ist, rutschen also alle anderen bisherigen genannten Alben eine Position nach hinten. Aber hey, ist ja eigentlich egal. Dies ist ja keine offizielle Liste irgendeiner namhaften Publikation, dies sind einfach meine Lieblingsplatten 2014, über die ich noch schwärmen und auf die ich noch mal hinweisen möchte. Naja, jedenfalls umfasst der nächste Post sechs Alben statt fünf, und es geht von Platz 16-11.
16. Reptile Youth – Rivers That Run For A Sea That Has Gone
„Speeddance“ war ein Megahit, und nicht wenige lobpreisten das 2012er-Debütalbum der Dänen Reptile Youth für seinen Abwechslungsreichtum, denn da ging es hin und her zwischen flottem Akustikgitarrenpop („It’s Easy To Lose Yourself“) und Rumms-Zack-Rhythmus-Indiedance („Be My Yoko Ono“). Aber ich muss sagen, mir war dieses erste Album zu unkonstant.
Auf ihrem zweiten Album haben Reptile Youth dann alles anders gemacht. (Dass sie es gar nicht erst auf CD, sondern nur als LP und Download veröffentlichten, war dabei nur Formsache.) Diesmal war es kein wildes Allerlei mehr, das Kopenhagener Duo setzte statt dessen bewusst nur auf EIN Soundbild, eine Klangfarbe, eine Ästhetik: auf satten, dynamischen Indierock mit dunkelgrau-melancholischem Feeling. Durchaus mit rhythmischer Komponente, aber die Tanzbarkeit war nicht das Hauptanliegen.
Jedenfalls war es ein kräftiges, packendes Album, wenn auch viel weniger unmittelbar als ihr Debüt. Denn auf dem Erstling, da sprangen einen die einzelnen Songs gleich an. Ideal eigentlich, wenn man beim Musikhören oft die Shuffle-Funktion verwendet. Die Lieder von „Rivers That Run…“ sind dagegen nicht für den Shuffle geschaffen. Ihre Gleichartigkeit verlangt sogar regelrecht, dass man die Platte am Stück hört – auch wenn man die fehlende Abwechslung im Klangbild am Anfang sogar als langweilend empfinden kann. Doch er kam, der Punkt, zumindest bei mir, an dem es „Klick“ machte, an dem das Ganze Sinn ergeben hat.
So richtig ineinander gegriffen hat es dann live: Die zwei Reptile Youth-Konzerte, die ich dieses Jahr sah (im Feierwerk sowie auf dem SPOT-Festival in Aarhus) gehörten zum Besten, das ich 2015 miterlebte. Denn live sind Reptile Youth im „Rivers That Run..“-Modus einfach ein Ziegelstein, eine Klippe, ein Bergmassiv (ich weiss jetzt, warum es auf englisch „Rock“ heisst)!! Nebel, Rhythmus, Nebel, Dynamik, Power, Nebel! Live haben Reptile Youth dieses Jahr einen mitreissend-tanzbaren Schub entwickelt, den ich so sonst nur von Kasabian kenne.
15. Greylag – Greylag
Eins meiner Lieblingsalben von 2013 war das Debüt der Rose Windows aus Seattle – eine Platte, die sich zwischen Americana und Psychedelia verästelte, wildwucherte und aufblühte. Wenn ich bei diesem Pflanzen-Gleichnis bleibe, dann ist das Debüt von Greylag ein ähnliches Gewächs, das seine Wurzeln nur ein bisschen näher bei Folk und Rock geschlagen hat. Der mehrstimmige Gesang von Greylag ruft die üblichen Seattle-Verdächtigen Fleet Foxes und Band Of Horses in Erinnerung (deren Produzent Phil Ek auch Greylag betreute), aber das Trio aus Portland bleibt nicht hier stehen, sondern öffnet das Klangfeld für psychedelisch ausufernde Klangwanderungen und haut zwischendurch sogar so kräftig in die Saiten, dass Vergleiche mit Led Zeppelin wiederholt zu lesen waren. Wie der oben beschriebene Reptile Youth-Zweitling hat auch diese Platte die Fähigkeit, als stimmiges Gesamtwerk in seinen Bann zu ziehen – auch hier klickt man nicht einzelne Songs an, sondern hört wenn, dann das komplette Album.
Ich habe übrigens auch noch zwei Interviews mit Greylag auf meinem Rechner – ein „normales“ Interview und den „Bloß Nichts Über Musik“-Fragebogen. Über kurz oder lang sollen die natürlich noch beide hier auf den Blog finden.
14. Superfood – Don’t Say That
Ich bin mit Distanz an diese Platte heran gegangen. Superfood stammen aus der Szene Birminghams und sind enge Kumpels von Bands wie Peace und Swim Deep, die 2013 gehypt wurden, mich aber überhaupt nicht überzeugen konnten. Das machte mich argwöhnisch, obwohl ein so geschmackssicherer Kollege wie Benny Ruess vom Revolver Club Hamburg über die Band schwärmte. Er verglich das Brit-Quartett mit alten Lieblingsbands der zweiten Baggy-Welle wie Flowered Up und Northside. „Wenn Superfood tatsächlich schon damals erschienen wären, wären sie bestenfalls Mitläufer gewesen“ moserte ich zu Benny. Aber gut, ich gab der Platte missmutig noch ne Chance – und staunte dann nicht schlecht. Vom ersten Hören waren mir viele Songs noch im Ohr geblieben und, ja, die Platte machte mir so richtig Spaß. Lieder wie „It’s Good To See You“ oder „Superfood“ waren grinsende, unverschämte Britpop-Titel, die auf einem Supergrass-Best Of Platz gefunden hätten und der early90s-Shuffle-Indie-Beat von Songs wie „You Can Believe“ oder „Lily For You Pad To Rest On“ erst! Mei, das ist einfach etwas, auf das ich geprägt bin und das ich immer lieben werde. Doch, „Don’t Say That“ ist eine Platte, die mir eine Riesenfreude bereitet.
Lustigerweise haben Superfood sogar in meiner Küche Einzug gehalten: Sänger Dom Andertons Tipp in Sachen Süßkartoffel wende ich seitdem regelmäßig an.
13. Parker Millsap – Parker Millsap
Über meine neu entflammte Liebe zu Americana- und Indie-Country-Sounds habe ich im letzten Post bereits geschrieben. Ganz weit vorne in dem Zusammenhang: Parker Millsap.
Der Junge ist gerade mal 21, und das hört man. Denn obwohl der Sound von Parker bzw. seinem Trio ja sehr traditionsverbunden ist, hat des Ganze den Ungestüm und die Kante der Jugend. Parker stammt aus einem winzigen Kaff in Oklahoma, wo er superstreng religiös erzogen wurde. Das ist jetzt komplett meine Vorstellung, und ich müsste Parker mal interviewen – aber ich denke mal, manche seiner treu gläubigen Verwandten schlagen die Hände über dem Kopf zusammen, dass der Junge sich den Lifestyle des reisenden Musikers ausgesucht hat. Sie malen sich möglicherweise aus, dass er quasi von Show zu Show ziehend Jungfrauen für Satan opfert. Ich bilde mir das ein, weil Parker wie ein Rebell klingt. Wie jemand, der es jemandem zeigen will. Seine Texte haben ganz schön Biss. Religion ist in ihnen ein prägendes Thema, wobei Parker sich weniger als Satiriker, denn als Beobachter gibt. Im Song „Truck Stop Gospel“ zum Beispiel besingt er einen besessen predigenden LKW-Fahrer, und obwohl man über diese Figur grinsen möchte, ist sie doch nicht als Hassfigur gezeichnet. Parker erklärte auf npr.org: “Most of my favorite stories are ones where you can’t decide whether to love a person or hate a person. I like when you can’t tell if they’re supposed to be good or bad, because I feel like generally that’s how things are.“
12. Temples – Sun Structures
Mit ein paar prima Singles hatten Temples schon länger angedeutet, dass ihr Debüt eine starke Platte werden würde – und so war’s dann auch. Klar, irgendwo ist das Quartett aus Kettering extrem britisch und nicht mal wirklich originell mit seiner stilistischen Fixierung auf die 60s, mit seinen catchy Britpop-Melodien, verspielten Psychedelia-Gitarren, seinen wabernden Keyboards und den rumpelnden Drums, die sie sich bei Tame Impala abgeguckt haben. Temples klingen wie der Blick in eine Lavalampe, und andere Bands haben bereits wie der Blick in eine Lavalampe geklungen. Aber hey – so gut muss man das erst mal hinkriegen. Dass das nämlich gar nicht so leicht ist, das zeigt nicht zuletzt die Band, bei der die zwei Vordenker der Temples ausgestiegen sind: The Moons. Die machen schließlich eigentlich genau das Gleiche, aber sie machen es irgendwie nicht annähernd so gut. Aber man kann ja auch zu zwei Pizzabäckern gehen kann, und bei dem einen ist es okay, und bei dem anderen schmeckt die Pizza wie eine Erleuchtung für die Geschmacksknospen. Und bei dieser Temples-Pizza sind sowohl der Teig, der Belag und auch die Zubereitung bomfortionös gelungen.
11. Kasabian – 48:13
Kasabian haben bessere Alben gemacht als „48:13“. Ich LIEBTE zum Beispiel ihre letzte, „Velociraptor!“, weil man darauf so viele Dinge hörte, die Serge und Tom und Co uns vorher noch nicht von sich gezeigt hatten. Verglichen damit war ihr diesjähriges Album quasi nur eine Konsolidierung dessen, was Kasabian nun mal machen. Eine Standortbestimmung oder „das Destillat einer Kasabian-Platte“ bzw „die Essenz von Kasabian“ – so nannte es Serge in meinem Interview auf dem alten Blog. Aber selbst wenn Kasabian mal nur auf der Stelle treten (und das taten sie ja auch nicht wirklich, die Platte war z.B. betont elektronischer als „West Pauper“ und „Velociraptor!“), sind sie immer noch extrem weit vorne vorm Feld. Auch dann groovt man wieder mit, springt zu „eez-eh“ auf und ab, bis man Muskelkater kriegt und reckt zu „Stevie“ mitgerissen die Faust in die Luft. Leider war ich beim Münchner Kasabian-Konzert dieses Jahr krank und konnte nicht hingehen. Bestimmt hätten sie mich auch live mal wieder komplett weggeblasen. Vielleicht hätte es „48:13“ dann in die Top Ten geschafft – die wiederum folgen in Kürze.