2014 geht zu Ende. Musikalisch ein ordentliches Jahr. Mit ein paar Lieblingsalben, die bleiben werden. Letztes Jahr schon erlaubte ich meinem Ego, auf dem alten Blog einen Countdown meiner 25 Lieblingsalben des Jahres zu platzieren (gerne würde ich drauf verlinken, aber der blog ist nun mal futsch…). Das Ganze mache ich dieses Jahr wieder. Nach dem Umbruch geht’s los mit dem ersten von insgesamt fünf Teilen.
25. elbow – The Take Off And Landing Of Everything
Man hat sich schon daran gewöhnt, dass Elbow großartig sind. Selbst ein Album, das in ihrer Diskographie nicht als Klassiker eingehen wird (den Level von „Build A Rocket, Boys!“ oder gar „The Seldom Seen Kid“ erreicht „The Take Off…“ nicht), und das mehr beiläufig aufgenommen wurde, weil Guy Garvey die meiste Zeit in New York verbrachte und nur in Phasen bei den Jungs in Manchester vorbei schaute, hat immer noch ein paar dieser majestätischen Momente, denen heute eigentlich nur noch das Attribut „elbow-esk“ gerecht wird. Dieses Gefühl der weise lächelnden Resignation, der Akzeptanz des Schmerzes, des Sich-gerade-deshalb-eben-auf-die-Schönheit-die-es-ja-doch-gibt-Konzentrierens und Nun-wie-ein-Adler-über-die-Alpen-Schwingens. Das jedenfalls ist das Gefühl, dass ich aus den besten Elbow-Songs, aus den zwinkerndsten Zeilen von Guy Garvey immer zog. „Charge“ zum Beispiel, das bin ich, im Atomic Café an der Bar hängend, befremdet die Generation Selfie belächelnd, aber doch lieb habend und ins Herz schliessend.
24. ceo – Wonderland
Ich habe an The Tough Alliance immer geliebt, dass sie so herrlich beknackt waren. Die scherten sich NULL um das, was von der Coolness-Brigade als cool ausgegeben wurde. Ihre Videos, ihre Manifeste, waren grell, großkotzig und – für Indie immer etwas Besonderes – unironisch. Und was ist passiert? Der Göteborg-Sound der frühen 2000er von TTA, The Embassy, The Studio und Co, er regierte ein paar Jahre später als „Chillwave“ die Welt. Nun gut, Chillwave ist am Abflauen, weil dies der Lauf der Dinge ist. Aber in diesem Prozess hat ceo alias Eric Berglund, eine Hälfte von The Tough Alliance und Gründer des ultra-einflußreichen Sincerely Yours-Labels, mit „Wonderland“ noch mal die Platte gemacht, die quasi das darstellt, was „Loveless“ beim Abflauen des Shoegazing darstellte: Das Album, die den Imitatoren noch mal zeigt, wo der Hammer hängt, dabei Wege in die Zukunft öffnet, und irgendwie doch auch komplett losgelöst in seinem eigenen Kosmos existiert. Im Kosmos knalltütige Kitschbombe, übrigens. Ein super Kosmos, das.
23. Lucius – Wildewoman
Ich mag Indiepopmusik, so wird es immer sein, und am liebsten mag ich sie, wenn sie mit einem individuellen Twist gemacht wird. Lucius mit ihrer weiblichen Doppelspitze und ihrem auffälligen Styling haben diesen Twist rein gebracht und damit aus sehr guten Indiepop-Songs so richtig spezielle Indiepopsongs gemacht. Ich werde mich, wenn ich an 2014 denke, auch an die zwei prima Lucius-Konzerte im Atomic erinnern, und verrate jetzt ein backstage-Geheimnis (ich hielt mich da nämlich auf, nach einem Interview, vor ihrer ersten AC-Show). Also: Vor ihren Konzerten nehmen sich die Bandmitglieder an den Händen – ich wurde eingeladen, mitzumachen – und sie rufen drei mal das Tier „porcupine“ in der Landessprache, wo sie gerade spielen. In München war es also: „Stachelschwein! Stachelschwein! Stachelschwein!“ Mit Lucius an den Händen „Stachelschwein!“ gerufen zu haben, das ist auch so eine Erinnerung, die ich behalten werde.
22. Jamie T – Carry On The Grudge
England-Referenz-Lexikon: Von den 50s bis in die 70s gab es eine sehr alberne Filmserie, deren Titel immer mit den Worten „Carry On“ begann. „Carry On Camping“, „Carry On Teacher“ usw. Die Filme, die in Deutschland in den 80ern unter dem Titel „Ist ja irre…“ im Fernsehen gezeigt wurden, hatten zwar mal sowas wie Kultcharakter (Schauspieler Charles Hawtrey findet sich sogar auf dem Cover einer Smiths-Best Of wieder), sind aber heute durch ihren extrem veralteten, sexistischen, vorurteilsbelasteten Humor eigentlich verpönt. Wenn Indie-Street-Poet Jamie T sein erstes Album nach mehrjährigem Verschwinden aufgrund von Depressionen also „Carry On The Grudge“ nennt, dann heisst das auf deutsch nicht nur „Weiterhin den Groll tragen“, sondern auch selbstironisch „Ist ja irre… der Grant!“ Dieser Titel ist das Sprungbrett ins Album eines gewitzten Schlaukopfes, der, vom Selbsthass runtergezogen, versucht, den Kopf über Wasser zu halten. Eigentlich ein kohlpechrabenschwarzes Album, das Jamie T uns mit einem bedröppelten Grinsen kredenzt.
Mit seinem Rückzug in den Indierock auf einem dritten Album, auf das man sehr lange warten musste, hat Jamie, der ja mal Hoffnungsträger eines Rap/Ska-genre-übergreifenden neuen UK-Pops war, einige frühe Fans enttäuscht. Das sollte aber nicht übertönen, was „Carry On The Grudge“ für ein vielschichtiges, pfiffiges, occasionally heartbreaking Album ist.
21. New Build – Pour It On
Zu diesem Album habe ich hier eine Rezension verfasst. Trotzdem noch mal: Die zwei Hot Chip-Mitglieder Al Doyle und Felix Martin haben auf ihrem zweiten Album als New Build eine Platte gemacht, die sich nicht nur vor dem Werk ihrer bekannteren Band nicht verstecken muss, sondern auf der New Build sich von Hot Chip emanzipieren. Besonders die zwei das Album einrahmenden, transzendenten 7-Minuten-Tracks „Sunlight“ und „Pour It On“ sind wie Vanillehonig fürs Ohr: Geradezu Spiritualized-esk tragen New Build hier Synthschicht um Synthschicht auf, wie Glanzlack, bis sich ganze Galaxien darin spiegeln.
Weiter geht’s die Tage mit Platz 20 – 16, Platz 15 – 11, Platz 10 – 6 sowie Platz 5 bis 1